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Deniz Undav: Vom Amateur zum Premier-League-Star in 5 Jahren

Mit 20 noch in der deutschen Regionalliga, wenig später in der besten Liga der Welt - und 2024 bei der EM? Der steile Aufstieg eines Aussortierten.

Deniz Undav: Vom Amateur zum Premier-League-Star in 5 Jahren Foto: © getty

Es ist der 14. Mai dieses Jahres, etwa 19:10 Uhr englischer Zeit, als Deniz Undav jubelnd Richtung eigenem Anhang abdreht. Soeben hat der Angreifer von Brighton & Hove Albion mit seinem Treffer zum 2:0 in der 86. Minute das Spiel entschieden und den FC Arsenal um die letzte Titel-Chance gebracht.

Manche Fans der “Gunners” mögen sich gefragt haben: “Deniz wer?”. Kein Wunder, denn drei Jahre davor spielte Undav noch in der 3. Liga Deutschlands beim SV Meppen.

Die Karriere des 27-Jährigen ist keineswegs als “klassisch” zu bezeichnen, vielmehr ist er das Lehrbeispiel eines Senkrechstarters.

Für Werder Bremen "zu klein"

Einst flog er bei Werder Bremen aus dem Nachwuchs - er sei schlichtweg “zu klein”, hieß es damals - und arbeitete sich über den Amateurfußball immer weiter hoch. Sogar bis in die Premier League.

Der Abschied aus der Werder-Jugend schmerzte ihn. “Das hat echt wehgetan, gerade einem kleinen Jungen aus dem Bremer Umland”, erzählte er der “Kreiszeitung Syke”. Denn Undav ist in Achim bei Bremen geboren und aufgewachsen, das nur rund 15 Kilometer Luftlinie vom Weserstadion entfernt liegt.

Im Lauf seiner Karriere hatte er mit "sehr vielen Widerständen" zu kämpfen, wie Undav selbst sagt. "Ich habe immer nur gehört: 'Deniz, du bist gut, aber...' Vor allem in Deutschland suchte man Fehler bei mir.”

Über Stuttgart ins Nationalteam?

Seit Sommer steht Undav beim VfB Stuttgart unter Vertrag. Das Engagement soll eine Win-Win-Situation werden: Beim Bundesligisten soll er für die nötigen Tore sorgen.

Dies wiederum soll dem Angreifer eine EM-Nominierung einbringen. Das ist sein großer Traum. Als Träger sowohl der deutschen als auch der türkischen Staatsbürgerschaft hat Undav hier sogar die doppelte Chance auf eine Teilnahme.

Im Sommer unterschrieb Undav in Stuttgart.
Foto: © getty

Seine Präferenz liegt aber beim DFB-Team, wie er betont. “Vielleicht kriege ich die Chance, für Deutschland zu spielen. Das wäre mein Traum.”

Aber auch bei einem Anruf des türkischen Teamchefs würde er abheben, lässt Undav wissen.

So oder so: Es wäre die Krönung seiner bisherigen Karriere, in der bislang nicht ein einziges U-Länderspiel zu Buche steht.

Mit 20 gelingt erstes Ausrufezeichen

Dass er überhaupt in eine solche Situation kommt, hätte vor ein paar Jahren wohl niemand gedacht. Auch er selbst dachte damals nicht so weit. Denn damals, konkret im Jahr 2017, stürmte Undav für den TSV Havelse in der Regionalliga Nord. In der Saison 2016/17 setzte der zu jener Zeit 20-Jährige ein erstes Ausrufezeichen, machte in 32 Ligaspielen 21 Tore und bereitete elf weitere vor.

Es war ein erstes Vorzeichen auf das, was später folgen sollte. Nach der starken Saison zog er weiter zur Zweitvertretung von Eintracht Braunschweig, ebenfalls in der Regionalliga spielend, mit der Hoffnung sich für die Profiabteilung empfehlen zu können.

Doch daraus wurde nichts, Undav wurde wie bereits in Bremen aussortiert - ein Schritt, den die Eintracht schon bald bereuen sollte.

So kam Drittligist SV Meppen auf den Stürmer zu und bot ihm einen seinen ersten Profivertrag an. Mit 22 Jahren machte Undav dort sein erstes Profispiel. Ein Alter, in dem einer wie Erling Haaland 52 Tore für Manchester City schoss und die Champions League gewann.

Keineswegs soll dies ein Vergleich zwischen den beiden sein, der für beide Seiten unfair wäre. Doch drei Jahre später standen sie sich in der Premier League gegenüber, was Undavs Aufstieg umso beeindruckender macht. Aber der Reihe nach.

"Als ich damals in Havelse spielte, hätten auch nicht allzu viele für möglich gehalten, dass ich rund fünf Jahre später erfolgreichster Stürmer beim belgischen Tabellenführer bin."

Deniz Undav

Durchbruch in Meppen

Bei Meppen brauchte Undav eine Saison, um wirklich anzukommen. Das Spieljahr 2019/20 sollte aber seines werden. In 30 Spielen lieferte er 30 Scorerpunkte (17 Tore, 13 Vorlagen) und machte so zahlreiche Klubs auf sich aufmerksam - nicht nur aus Deutschland.

Auch ein gewisses Saint-Gilloise macht dem Deutsch-Türken Avancen - und der sagte zu. Undav erklärte später, er habe "unbedingt Teil dieses Projektes sein wollen". Denn der damalige belgische Zweitligist wollte den Angreifer unbedingt.

Der Klub setzt sehr stark auf Rechenmodelle, erstellt detaillierteste Profile von Spielern und potenziellen Neuzugängen. Dadurch wurde man auf Undav aufmerksam, der statistisch genau ins Konzept der Belgier passte. So viel sei vorweggenommen: Die Idee ging vollends auf.

Auch für Undav sollte es eine der bisher besten Karriere-Entscheidungen sein. Denn bei Saint Gilloise blühte er noch weiter auf, schoss das Team in seiner ersten Saison mit 17 Treffern zum Aufstieg in die erste Liga.

Dort angekommen knüpfte er da an, wo er zuvor aufgehört hatte und traf einfach weiter. Undav krönte sich in der Jupiler League mit 25 Treffern zum Torschützenkönig.

Undav: Ein Mann, der (nicht nur) einen Torriecher hat

“Als ich damals in Havelse spielte, hätten auch nicht allzu viele für möglich gehalten, dass ich rund fünf Jahre später erfolgreichster Stürmer beim belgischen Tabellenführer bin”, meinte er zu dem Höhenflug.

Doch das ist es, was Undav auszeichnet: Der Mann lebt von seinem Torriecher. Eine Eigenschaft, die ihn besonders macht und die im Fußball nur wenige mitbringen. Zudem ist er ein ebenso starker Vorbereiter. In den vergangenen vier Spielzeiten war seine Assist-Anzahl zweimal zweistellig.

“Ich bin keiner, der blind aufs Tor schießt. Ich bereite auch gerne vor”, erklärt Undav. Dennoch ist für ihn klar: “Meine Lieblingsrolle ist der klassische Neuner.”

Egal wo: Undav kam, sah und traf. Seine starken Leistungen in Belgien blieben nicht lange unbemerkt. Denn nun wurde er immer interessanter, zu dieser Zeit wollte ihn fast die halbe Bundesliga.

Halb Deutschland will ihn, doch Brighton bekommt ihn

Die Gerüchte rankten sich um den VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach, Hertha BSC, Schalke 04, den 1. FC Köln - und ausgerechnet Werder Bremen, dem er plötzlich doch nicht mehr zu klein war.

Doch es wurde nicht Deutschland, sondern England. Brighton & Hove Albion überwies im Jänner 2022 sieben Millionen Euro für ihn. Jedoch wechselte Undav nicht sofort, sondern wurde umgehend zurückverliehen.

Er spielte die Saison mit Saint Gilloise fertig, was ihm schließlich den zuvor erwähnten Titel als Torschützenkönig einbrachte, zudem wurde er sensationell Vizemeister mit dem Aufsteiger.

Im Sommer des Vorjahrs folgte schließlich der Schritt in die Premier League. Dass der Wechsel zu Brighton zustande kam, lag aber nicht nur an der Verlockung England, sondern auch daran, dass die "Seagulls" einen Verhandlungsvorteil hatten: Sowohl die Belgier, als auch Brighton waren damals in der Hand von Mehrheitseigentümer Tony Bloom.

In der neuen, großen Fußballwelt angekommen hatte Undav zunächst Startschwierigkeiten. Die selbsternannte beste Liga der Welt, sie ist eben eine andere Hausnummer als die Jupiler League.

“Da brauchte ich meine Zeit”

In den ersten beiden Saisondritteln reichte es meist nur zu Joker-Einsätzen, teils fand er sich gar nicht im Kader und weder ein Tor noch ein Assist schauten für ihn heraus.

Hinter vorgehaltener Hand begann man in seiner Heimat bereits wieder zu tuscheln, dass sein Höhenflug damit wieder beendet sei. Der bereits einmal abgeschriebene war auf dem Weg, erneut abgeschrieben und vielleicht sogar aussortiert zu werden.

So gut sei er dann doch nicht, war zu hören. “Überperformt” hätte er, las man seinerzeit in Fan-Foren. Doch auf all das gab Undav wenig.

Der 27-Jährige kämpfte weiter und näherte sich dem Leistungsniveau der Premier League Schritt für Schritt an. “Das neue Land, die beste Liga der Welt, der frühe Trainerwechsel. Da brauchte ich meine Zeit”, erklärte er später im “Kicker”.

Gegen "Wolves" platzt der Knoten

Am 29. April dieses Jahres schlug seine große Stunde. Gegen Kalajdzic-Klub Wolverhampton sollte der Knoten endlich platzen.

So bejubelte Undav sein Tor gegen Arsenal.
Foto: © getty

Etwas überraschend stand Undav in der Startelf der “Seagulls” - und rechtfertige das Vertrauen eindrucksvoll. Nach fünf Minuten bewies er erstmals auch in England seinen Torriecher, als er nach einer von Danny Wellbeck verlängerten Hereingabe genau richtig stand und einnetzte.

Am Ende gewann Brighton gar mit 6:0, Undav stellte dabei auch noch den Endstand her. Danach startete er einen echten Lauf und steuerte in den letzten fünf Saisonspielen drei weitere Treffer bei - darunter auch das vorentscheidende 2:0 gegen Arsenal.

“Für mich ist mein Lauf nicht überraschend. Ich wusste immer, was ich kann und dass ich ein guter Kicker bin”, meinte er dazu bei “Sport1”.

Ein Stammplatz bei Brighton war ihm deswegen in der aktuellen Saison aber dennoch nicht sicher. So begann er sich über mögliche Alternativen Gedanken zu machen, um seinen Traum nicht zu gefährden.

Denn dieser ist es, bei der EM dabei zu sein. Auch das trauen ihm viele nicht zu. “Mir ist absolut klar, dass das hehre Ziele sind. Aber warum nicht danach streben?”, meint Undav dazu trocken.

Verkorkster Auftakt bei Stuttgart

Das Interesse an ihm war nach seinem starken Saisonfinish freilich alles anderes als gering. Wieder klopften mehrere Klubs beim 27-Jährigen an, das attraktivste Angebot unterbreitete der VfB Stuttgart.

Dort verfügt man mit Serhou Guirassy nur über einen Mittelstürmer von Bundesliga-Format. Die Aussicht auf Spielzeit war dementsprechend groß.

Die Schwaben einigten sich mit Brighton auf eine Leihe mit Kaufoption. Doch in der Vorbereitung warf ihm das Leben Steine in den Weg.

Undav zog sich Anfang August, nur eine Woche nach seiner Ankunft in Stuttgart, im Training einen Außenbandteilriss im Knie zu. Damit war klar, dass er zumindest den Saisonauftakt und die nachfolgenden drei bis vier Spiele verpassen würde.

“Durch die Fans verdienen wir unser Geld, wir wollen ihnen was zurückzahlen. Wenn wir das mit drei Punkten machen, sind sie glücklich, wir sind glücklich, der Verein ist glücklich – so muss das sein."

Undav brennt auf sein Debüt für Stuttgart

Gelingt beim VfB ein erneuter Höhenflug?

Seither arbeitete Undav an seinem Comeback, plagte sich durch eine Reha. Am 11. September absolvierte er sein erstes Training mit der Mannschaft.

Dort freute man sich über die Rückkehr des Goalgetters. Die Fans fieberten dem ersten Pflichtspiel-Auftritt ihres Neuzugangs bereits entgegen. Wie auch Undav selbst. Der brennt darauf, sich bei den Anhängern für den herzlichen Empfang zu revanchieren.

“Durch die Fans verdienen wir unser Geld, wir wollen ihnen was zurückzahlen. Wenn wir das mit drei Punkten machen, sind sie glücklich, wir sind glücklich, der Verein ist glücklich – so muss das sein”, meinte er beim "SWR".

Dem Senkrechtstarter, der noch bei jedem Klub einschlug, wurden in Stuttgart jäh die Flügel gestutzt. Wie man Undav kennt, nimmt er das aber nicht einfach hin, sondern versucht, einmal mehr zum Höhenflug anzusetzen.

Die ersten Schritte hat er bereits eindrücklich getan: Nur fünf Tage nach seiner Rückkehr ins Team-Training stand er erstmals für den VfB auf dem Feld. Coach Sebastian Hoeneß schenkte ihm vier Minuten gegen Mainz, in denen er sogleich die Vorarbeit zum 3:1-Siegestreffer durch Guirassy leistete.

"Man hat sofort gesehen, was er kann", schwärmte sein Coach nach dem Spiel. Am vergangenen Wochenende legte er dann noch einen drauf und zeigte, wieviel er für die Schwaben in Zukunft wert sein könnte: Gegen den 1. FC Köln kam er in der 62. Minute ins Spiel und schoss den VfB mit zwei Treffern zum 2:0-Sieg.

Geht es für Undav wie gewünscht weiter, soll im besten Falle im Frühjahr das Telefon läuten und der deutsche oder türkische Teamchef dran sein.


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