Man wollte die Saison mit Anstand zu Ende bringen. Das war das Ziel des VfL Wolfsburg, welches mit dem nunmehrigen Ex-Trainer Niko Kovac erreicht werden sollte. Nach der Saison, so sickerte durch, wäre für den 52-Jährigen ohnehin Schluss gewesen.
Nach dem 1:3 gegen Augsburg am vergangenen Wochenende hatte die Geduld der VfL-Bosse aber ein Ende. Kovac wurde nach elf sieglosen Ligaspielen in Folge freigestellt, wenig später Ralph Hasenhüttl als Nachfolger präsentiert.
Der ÖFB-Trainerexport soll den lecken Kahn wieder flott machen. Und das rasch, denn die Abstiegsränge liegen nur noch sechs Zähler entfernt.
Doch was liegt in Wolfsburg im Argen, welche sind die Schrauben, an denen "Hasi" drehen muss? LAOLA1 hat sich diese für euch angesehen.
Das Siegen verlernt
Bei den "Wölfen" findet Hasenhüttl ein Team vor, welches scheinbar das Siegen verlernt hat. Der letzte Dreier datiert vom 16. Dezember, als man bei Darmstadt knapp mit 1:0 gewinnen konnte. Von einer tatsächlich gefestigten Spielidee war bis zu Kovacs Abgang selten etwas zu sehen. Viel zu oft wirkte das Spiel zerfahren.
Im Jahr 2024 ist man noch sieglos, spielte in den vergangenen zehn Spielen sechs Mal Remis. Kovac wurde dabei die fehlende Weiterentwicklung der Mannschaft angekreidet.
Das zeigt sich auch in den Zahlen, denn der xG-Wert (also die zu erwartenden Tore) sank im Vergleich zur Vorsaison von 1,5 auf 1,33. Diese Zahl ist jedoch ein Durchschnittswert der bisherigen Spielzeit, bei dem auch der zumindest passable Saisonstart berücksichtigt ist.
Zieht man nur die vergangenen 15 Spiele heran, kommt man nur noch auf 1,15. Zum Vergleich: Das ist derselbe Wert wie bei Abstiegskandidat Köln, nur vier Teams haben noch niedrigere Werte.
Die Mannschaft stagniert auch beim Herausspielen, im Spielaufbau passieren zu viele unerzwungene Fehler, die zu Gegentoren führen.
Konter: Von der Stärke zur Schwäche
Besonders ausbaufähig ist ein Aspekt, der in der Vorsaison noch eine echte Stärke der "Wölfe" war. In der Spielzeit 2022/23 erzielte man die drittmeisten Kontertore, heuer bisher kein einziges. Damit liegt der VfL am untersten Ende der Bundesliga.
Das untermauert auch die Tatsache, dass das (Gegen-)Pressing nicht wie gewünscht funktioniert, den Wolfsburgern glücken zu wenige Balleroberungen.
In dieser Saison gelang keine einzige (!) Balleroberung maximal fünf Sekunden nach Ballverlust. Wolfsburg läuft zwar regelmäßig an, doch stimmen oftmals die Automatismen nicht oder man ist schlicht ineffektiv. Kein Wunder also, dass die Anzahl der Kontertore nach wie vor bei null steht.
Auch bei Standards sieht es kaum besser aus - und dies offensiv wie defensiv. Erzielte man selbst nur ein Tor nach Ecke oder Freistoß, ließ man im Gegenzug die meisten Großchancen nach Standards zu.
Verkorkste Einkaufspolitik
Dazu kommt, dass die Einkaufspolitik im Sommer nicht das Gelbe vom Ei war. Um mehr als 70 Millionen Euro wurde eingekauft, überzeugen konnte bislang aber nur Rechtsverteidiger Joakim Maehle und der kroatische Mittelfeld-Wirbler Lovro Majer. Zweiterer lieferte bisher immerhin acht Scorerpunkte, ist damit zweitbester Akteur im Kader hinter Angreifer Jonas Wind.
Die viel gepriesenen Moritz Jenz, Vaclav Cerny, Tiago Tomas, Rogerio, Cedric Zesiger und Winter-Neuzugang Kevin Behrens konnten an die Leistungen bei ihren früheren Klubs bisher nicht anschließen. Sie alle aber verfügen über die Klasse, Wolfsburg weiterzuhelfen. Es wird nun Ralph Hasenhüttls Aufgabe sein, dass sie diese auch beim VfL zeigen.
Der 56-Jährige meinte bei seiner Antritts-Pressekonferenz, dass er schnellstmöglich seine Art von Fußball in die Mannschaft bringen wolle. Freilich: Jeder Trainer hat seine eigene Spielidee. Speziell in den vergangenen Wochen war aber nicht zu übersehen, dass jene von Niko Kovac dem Team nicht behagte, immer wieder wirkte die das Agieren der "Wölfe" planlos, beinahe chaotisch. Die Aussage ist also auch ein Indiz dafür, dass Hasenhüttls geschultes Auge dies erkannt hat und er das wohl ähnlich sieht.
Es geht in erster Linie also darum, dem Team das Vertrauen in eigene Stärken zurückzugeben. Dafür wird es Siege brauchen und einen Hasenhüttl, der diese Überzeugung auch wieder in die Köpfe der Spieler bringt.
Dass er das kann, hat er in Deutschland schon bei Leipzig und in Ingolstadt gezeigt - und in Southampton, das er einst in einer ähnlichen Situation übernahm und aus der Abstiegszone ins gesicherte Mittelfeld führte.