Am Mittwochvormittag erfuhr Martin Hinteregger von Sportdirektor Max Eberl offiziell, was im Vorfeld schon durchgesickert war: Borussia Mönchengladbach wird die Option auf ihn nicht ziehen.
Mittags stand im Borussia-Park ein Interview-Termin mit LAOLA1 auf dem Programm.
Gefasst und selbstkritisch berichtet der 23-Jährige, warum es bei seinem ersten Anlauf in der deutschen Bundesliga nicht klappen wollte, und räumt am Ende einer missglückten Saison Fehler bei Red Bull Salzburg - vor allem im Umgang mit Ex-Coach Peter Zeidler - ein.
LAOLA1: Am Mittwoch wurde offiziell, dass Borussia Mönchengladbach die Kaufoption auf dich nicht ziehen wird. Was heißt das für dich?
Martin Hinteregger: Ich habe noch drei Jahre Vertrag in Salzburg, daher muss ich mich nicht schnell umschauen. Zuerst steht einmal die EM an. Für mich ist es kein großes Problem, dass die Kaufoption nicht gezogen wurde. Sicher wäre ich gerne hier geblieben, aber den Umständen entsprechend war es logisch und verständlich. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, wo es weitergeht.
LAOLA1: Welche Umstände sprichst du an?
Hinteregger: Gerade für einen Verteidiger ging es nicht um wenig Geld. Eigentlich habe ich hier ganz gut begonnen. Aber im Laufe der Zeit sind die beiden Eigentore passiert, das Selbstvertrauen ist ein bisschen bergab gegangen. Dann habe ich nicht mehr die Leistung gebracht, die ich eigentlich von mir erwartet hätte und die möglich wäre. Trotz allem kann ich nur Positives über den Verein berichten. Für den ersten Schritt in Deutschland war das richtig cool, auch wenn es mit den Leistungen nicht ganz so gepasst hat.
LAOLA1: Man weiß aus Europacup-Spielen und dem Nationalteam, was du drauf hast. Warum war es so schwierig, das in Gladbach auf den Platz zu bringen. Ist der Schritt aus der österreichischen Bundesliga ein so großer?
Hinteregger: Aufgrund der internationalen Erfahrung, die ich bereits gesammelt habe, war die Umstellung nicht so riesig. Gegen einige Spieler aus der deutschen Bundesliga habe ich schon in Salzburg gespielt. Was ich dort sechs Jahre gewohnt war, nämlich die linke Innenverteidiger-Position, habe ich hier jedoch nur ganz am Anfang gespielt, danach nicht mehr. Ich wurde links außen oder links im Mittelfeld aufgeboten beziehungsweise in einer Dreierkette links. Nach zwei Eigentoren muss man sich erst wieder fangen. Das habe ich leider nicht geschafft. Ich konnte hier nie so richtig zeigen, was ich drauf habe. Nichtsdestotrotz hatte ich schöne Monate hier. Ich bin dem Verein sehr dankbar.
LAOLA1: Als Linksverteidiger hattest du schon in Salzburg gegen Malmö ein Negativerlebnis. Man weiß, dass das nicht deine Position ist. Warum kam es zum Wechsel dorthin?
Hinteregger: Oscar Wendt hat sich gegen Stuttgart nach 28 Minuten verletzt und ich bin für ihn hineingekommen. Ich habe es eigentlich nicht so schlecht gemacht. Ich habe dann drei oder vier Spiele links gespielt. Es war okay, aber es ist sicher nicht meine Position. Meine Qualitäten und Stärken liegen innen und nicht außen.
LAOLA1: Wie wichtig war es dennoch, die Erfahrung deutsche Bundesliga mitzunehmen, vor allem was die großen Stadien, das Tempo und den Konkurrenzkampf betrifft?
Hinteregger: Enorm wichtig! Ich nehme nur positive Dinge aus Mönchengladbach mit. Ich bin direkt ins Trainingslager eingestiegen und habe von Anfang an sehr gut mitgehalten. Natürlich ist das Tempo höher und ich musste bezüglich Fitness einiges aufholen, das habe ich auch gemacht. Im Endeffekt war es für mich ein super Erlebnis. Ich konnte die ersten Eindrücke bei einem richtig guten Verein gewinnen. Das komplette Umfeld ist sehr ruhig, ordentlich und – was bei Fußball-Vereinen nicht immer der Fall ist – sehr respektvoll und ehrlich. Es hat leider nicht geklappt. Das ist für mich persönlich schade, aber es geht weiter.
"Ich schätze Martin Stranzl extrem. Ich habe ihn über die kleinsten Details im Bereich eines Verteidigers ausgefragt, wie er Situationen lösen würde."
LAOLA1: Martin Stranzl meinte, dass du sehr wissbegierig warst. Inwiefern hat er dich unter seine Fittiche genommen, und wo konnte er dir am meisten weiterhelfen?
Hinteregger: Ich schätze Martin extrem. Ich bin sehr dankbar, dass er noch beim Verein war. Ich habe sehr viel mitgenommen. Ich habe ihn über die kleinsten Details im Bereich eines Verteidigers ausgefragt, wie er Situationen lösen würde. Leider war er nicht so oft auf dem Platz. Es hätte mir und auch der ganzen Mannschaft sehr geholfen, wenn er fit gewesen wäre. Mit seiner Führungsqualität und seiner Präsenz auf dem Platz hätte er uns richtig nach vorne gebracht. Jeder hier kann von Martin Stranzl etwas lernen, nicht nur die Verteidiger. Alleine durch ihn wurde es zu einem coolen Erlebnis, das mich richtig weitergebracht hat.
LAOLA1: Gibt es in der deutschen Bundesliga irgendetwas, das dich besonders erstaunt hat?
Hinteregger: Das Interesse an der Liga. Jeder weiß, dass es riesig ist. Aber dass es so extrem ist, was Medien und Fans betrifft, muss man selbst einmal miterleben, damit man weiß, was Fußball in Deutschland bedeutet. Hier leben die Leute für den Fußball. Man hört es zwar immer, spricht auch selbst gerne von riesiger Euphorie, aber nur wenn man es selbst erlebt, weiß man, worum es geht.
LAOLA1: Muss man auch einmal selbst erleben, was es heißt, wenn man medial in die Kritik gerät, etwa aufgrund deiner Eigentore?
Hinteregger: Man braucht sich die Eigentore ja nur anzuschauen. Wenn ich alleine an Schalke denke, war es unglücklich. Vielleicht hat alles so kommen sollen – wer weiß, wofür es gut war. Natürlich war es nicht positiv, dass ich nicht im Guten von Salzburg hierhergekommen bin. Es wäre sicher optimal gewesen, wenn ich dort noch die komplette Herbst-Saison gespielt, das gut fertiggebracht und dann den Schritt gemacht hätte. Aber das kann man sich nie aussuchen. Mit Mönchengladbach hat sich eine einzigartige Möglichkeit aufgetan, die ich nützen musste. Aber was den Umgang mit dem Trainer in Salzburg betrifft, würde ich im Nachhinein sicherlich einiges anders machen.
LAOLA1: Da klingt durch, dass du dich darüber ärgerst, was vergangenen Herbst in Salzburg passiert ist – und zwar auch über dich selbst ärgerst.
Hinteregger: Ich hatte in Salzburg fünf super Jahre, mit mir ist es stetig bergauf gegangen. Sicher hatte ich auch zuvor schon mal eine Suspendierung, aber das war eine Kleinigkeit von ein paar Tagen (schmunzelt). Dieses Jahr war das erste, das eigentlich nicht gut für mich war, aber aufgrund der Erfolge mit dem Nationalteam trotzdem viel Positives mit sich brachte. Es war ein interessantes Jahr und ich hoffe, dass es in Zukunft wieder bergauf geht und ich auch medial wieder positiv aufhorchen lasse. Das ist mein Ziel für die nächste Saison, wo auch immer ich dann sein werde.
"Ich hätte mich nicht auf Diskussionen mit dem Trainer einlassen dürfen, sondern vielleicht einfach einmal nachgeben müssen."
LAOLA1: In Salzburg waren die Schlagzeilen am Ende nicht allzu positiv. Dir wurde vom damaligen Trainer Peter Zeidler unter anderem vorgeworfen, dass du nicht konzentriert trainiert hast. Die Personalpolitik des Vereins im Sommer war sicherlich nicht ideal, danach kam das internationale Ausscheiden. Hast du dich dadurch zu sehr in eine Frust-Phase reinziehen lassen und Fehler gemacht?
Hinteregger: Das Ausscheiden aus der Europa League, das für Salzburg extrem ist, fiel mit meiner Verletzung, wegen der ich zwei Monate ausgefallen bin, zusammen. Beides muss man erst einmal wegstecken, was mir auch gelungen ist. Aber als ich zurückgekommen bin, habe ich mich vielleicht doch ein bisschen zu sehr mit dem Frust, den ich vorher hatte, aufgehalten. Es ist vorher schon nicht optimal gelaufen und später nach meiner Rückkehr ebenfalls nicht. Ich hätte mich nicht auf Diskussionen mit dem Trainer einlassen dürfen, sondern vielleicht einfach einmal nachgeben und sagen müssen: „Dann machen wir es halt so.“ Im Nachhinein war es sicher nicht einfach für mich, aber es waren auch Fehler dabei. Aber das ist jetzt schon wieder sechs, sieben Monate her und ich habe daraus gelernt. Ich weiß, dass der Trainer am längeren Ast sitzt und du meistens den Kürzeren ziehst. Das habe ich erlebt. Unterm Strich war es nichts Gravierendes.
LAOLA1: Passen Geschichten wie jene, dass du nach dem Derby gegen Grödig nicht den Weg nach Hause gefunden haben sollst und das Training abbrechen musstest, in solch eine Phase? Gehören solche Phasen vielleicht auch einmal dazu?
Hinteregger: Viele Sachen wurden auch reininterpretiert, die so nie stattgefunden haben. Aber im Endeffekt musst du auch einmal so eine Phase erleben, in der ein paar auf dich draufhauen, damit du danach wieder stärker hervorkommst. Das war jetzt einmal ein Jahr, in dem es nicht so gut gelaufen ist. Aber im nächsten Jahr wird sich wieder zeigen, wie stark ich wirklich bin.
LAOLA1: Ganz ehrlich: Kannst du dir vorstellen, noch einmal vier Mal im Jahr gegen – bei allem Respekt – Wolfsberg, Altach oder Mattersburg zu spielen, nachdem du in die deutsche Bundesliga reinschnuppern durftest?
Hinteregger: Ich gehe davon aus, dass ich in Salzburg den Trainingsauftakt machen werde. Es sind aber noch über zwei Monate, bis ich nach der EM wieder dort sein werde. Es kann sicher viel passieren, im Fußball geht alles sehr schnell. Man wird sehen, wohin es mich verschlägt. Es ist nicht auszuschließen, dass ich woanders hingehe, aber Fakt ist, dass ich noch drei Jahre Vertrag in Salzburg habe.
LAOLA1: Siehst du die EURO als potenzielles Sprungbrett?
Hinteregger: In erster Linie gilt es, mich richtig reinzuhauen, damit ich bei der Europameisterschaft spiele. Das ist mein erstes Ziel. Darüber, was danach kommt, mache ich mir noch nicht viele Gedanken. Jetzt zählen noch die letzten Spiele mit Borussia Mönchengladbach und danach die EM mit dem Nationalteam.
Das Gespräch führte Peter Altmann
Was für Martin Hinteregger zum Aus in Gladbach führte auf VIDEO: