Spätestens am Sonntag kann sich Bayer Leverkusen mit einem Sieg gegen Werder Bremen (ab 17:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>) zum ersten Mal zum deutschen Meister krönen.
Sollten die Bayern und Stuttgart am Samstag beide verlieren, dürfte man in Leverkusen schon tags zuvor zu feiern beginnen.
So oder so: Damit wäre auch die Bayern-Dominanz gebrochen: Seit der Saison 2011/12 (damals Dortmund) stand kein anderes Team mehr am Ende der Spielzeit ganz oben.
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"Um ehrlich zu sein, haben wir nicht darüber gesprochen", betonte Xabi Alonso vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Europa League gegen West Ham United (ab 21 Uhr im LIVE-Ticker >>>).
Die zweifelhafte Etikette "Vizekusen"
In Leverkusen dagegen ist das anstehende Wochenende wenig verwunderlich ein Dauerthema. Die Fans sind elektrisiert, kann doch am Wochenende - endlich - die zweifelhafte Etikette namens "Vizekusen" abgeschüttelt werden.
"Ich glaube, dass dann diese Wolke 'Vizekusen', die da immer drüber schwebt und beinahe schon ein Stigma ist, endgültig weg ist", meint auch Ex-ÖFB-Teamkapitän Julian Baumgartlinger im Gespräch mit LAOLA1. Der 36-Jährige kickte sechs Jahre bei der "Werkself", kennt den Klub dadurch bestens.
Ein Blick in die Statistik reicht, um zu erkennen, wie dominant Leverkusen heuer aufspielt. Nur an vier der bisherigen 28 Spieltage stand die Truppe von Xabi Alonso nicht auf Rang eins. Seit der 14. Runde thront die "Werkself" ununterbrochen ganz oben, in dieser Saison ist man noch gänzlich ungeschlagen - und zwar bewerbsübergreifend.
"Das ist für die ganze Stadt, den Verein und das Umfeld eine Befreiung. Ich glaube, dass das der Seele der ganzen Region gut tut."
"Das ist für die ganze Stadt, den Verein und das Umfeld eine Befreiung. Ich glaube, dass das der Seele der ganzen Region guttut", schildert Baumgartlinger.
Dass Leverkusen den Titel holt - kaum einer zweifelt noch daran. Zu dominant, zu sicher und zu überzeugend sind die Auftritte der Mannschaft. "Sie sind einfach im Fluss, da wird aktuell nicht mehr viel nachgedacht. Sie genießen den Moment und versuchen, das in den nächsten Wochen auch noch so zu Ende zu bringen", fasst es Baumgartlinger zusammen.
Die Jagd nach dem Triple
Freilich: Der Meistertitel und das Abschütteln des "Vizekusen"-Stigmas hat in Leverkusen die größte Bedeutung, doch auch in der Europa League sowie im DFB-Pokal kann das Team von Erfolgscoach Alonso noch Titel holen.
Ein vorzeitiger Gewinn der Meisterschaft wäre hierfür ein bombastischer Moral-Boost. Auch Baumgartlinger sieht darin die Chance auf eine "Initialzündung", um mehr als "nur" einen Titel zu holen.
"Im Pokalfinale (gegen Kaiserslautern, Anm.) sind sie haushoher Favorit. In der Europa League ist schon noch ein bisschen was zu gehen, da sind noch ziemliche Brocken im Weg", so der Ex-Leverkusen-Legionär.
Besonders wichtig für den weiteren Weg: Xabi Alonso bleibt trotz Avancen anderer Klubs, allen voran der Bayern, bei der "Werkself". Hinter den Kulissen arbeiten Sportdirektor Simon Rolfes und Co. emsig daran, die Mannschaft beisammen zu halten.
Das ist die Voraussetzung dafür, um dem Klub auch in den kommenden Jahren einen Platz im Kreis der Titel-Favoriten zu sichern. Wie nachhaltig kann der Erfolg von Bayer Leverkusen also sein?
"Der Trainer, die Mannschaft und wie das alles in den letzten beiden Jahren zusammengestellt wurde - ich glaube, dass das einfach funktioniert. Das ist mit System und nicht per Zufall oder weil Glück dazukommt", analysiert Julian Baumgartlinger.
Deswegen komme auch "diese ungeschlagene Serie nicht von ungefähr". Dementsprechend könne es durchaus sein, "dass sie mit ihrem Weg und ihrer Entwicklung noch nicht fertig sind", traut auch der 84-fache ÖFB-Teamspieler der "Werkself" Großes zu.
"Freudenbringer" und Erfolgsfaktor: Xabi Alonso
Mit einigen aus der Mannschaft spielte Baumgartlinger, der Leverkusen 2022 in Richtung Augsburg verließ, noch selbst zusammen, darunter Säulen wie Keeper und Kapitän Lukas Hradecky, Abwehrchef Jonathan Tah und Torjäger Patrick Schick.
Die Stimmung in Leverkusen sei nach so einer Saison natürlich "recht euphorisch", wie der 36-Jährige schildert. Es sei derzeit einfach alles "eine große Freude".
Einer, der für besagte Freude maßgeblich verantwortlich ist, hört auf den Namen Xabi Alonso. Der frühere Weltklasse-Mittelfeldspieler übernahm die "Werkself" im Herbst 2022 und führte sie zu einem ungeahnten Höhenflug.
Die Verpflichtung des heute 42-Jährigen war auch mit einem gewissen Risiko verbunden. Denn zuvor coachte er "nur" die Zweitvertretung von Real Sociedad in der dritten spanischen Liga.
"Man hat an ihm festgehalten. Genau dieses Vertrauen zahlt er jetzt wieder zurück."
Und zunächst schien es nicht zwingend so, als wäre Alonso der Aufgabe gewachsen, zu Beginn von Alonso Amtszeit zeigte sich die "Werkself" oftmals wechselhaft. Insbesondere im Vorjahr, als Leverkusen Ende Jänner und Anfang Februar in fünf Spiele vier Niederlagen bezog, kam leise Kritik auf.
Leverkusener Spielidee: Ein Alleinstellungsmerkmal
Doch vom aufkeimenden Gegenwind ließ sich Alonso nicht beeindrucken, verfolgte weiter seinen Plan und stabilisierte das Team nach und nach. "Man hat an ihm festgehalten. Genau dieses Vertrauen zahlt er jetzt wieder zurück", analysiert Baumgartlinger.
Mittlerweile wird Leverkusen für seinen Spielstil, ähnlich wie Brighton unter Alonsos Shootingstar-Pendant Roberto De Zerbi, von allen Seiten bewundert. Man sehe einfach, dass er "seine Handschrift in die Mannschaft hineingebracht habe", so Baumgartlinger. "Das sieht man bei jedem Spiel. Es ist authentisch, wie er Fußball spielen lassen will", fährt er fort.
Kaum eine Mannschaft, die mit dem mutigen und überzeugten Auftreten der "Werkself" keine Probleme hat. Alonso hat sich und Bayer Leverkusen mit seiner Spielidee ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen.
Oder wie Julian Baumgartlinger es beschreibt: "Das können nicht viele Trainer, dass man sagt: 'Das ist die Mannschaft von Xabi Alonso', wenn man nur auf das Spiel schaut. Das ist bemerkenswert."