Große Aufbruchstimmung war bei Borussia Mönchengladbach nach dem 2:1-Auswärtssieg in der vergangenen Woche beim großen FC Bayern München zu verspüren.
Nur wenige Tage später herrscht nach der 1:2-Niederlage gegen Bayer Leverkusen (Spielbericht >>>) wie so oft in einer bislang verkorksten Spielzeit Rätselraten. Die "Fohlen" lassen jegliche Konstanz vermissen, auf eine starke Leistung bei den Bayern folgt eine fehlerhafte Performance gegen die "Werkself".
Zwei Tore nach Standards, zudem zwei Elfmeter, die Keeper Yann Sommer allerdings glänzend parierte - Adi Hütter war nach dem Spiel verständlicherweise verärgert. "Zuerst einmal: Die Niederlage ist absolut ärgerlich, wir wollten dort ansetzen, wo wir aufgehört haben", sprach der Vorarlberger im "Sky"-Interview den Sieg in München an.
"Wir haben das Spiel in der ersten Halbzeit auch noch offengehalten. Nach der Pause war dann diese Elfmeter-Situation, die ich noch gar nicht gesehen habe, wo Yann (Sommer, Anm.) den ersten schon hält, wir aber bei der anschließenden Standardsituation das 0:1 kassieren", sah der ehemalige Salzburg-Coach den ersten Gegentreffer als Schlüsselszene an.
"Das ist unglaublich ärgerlich und dann kriegen wir nochmal ein Standard-Tor", erkannte auch Hütter Schwächen bei der Verteidigung von Standards, ergänzte allerdings auch: "Über 90 Minuten gesehen hat Leverkusen, was die Chancen betrifft und die zwei Elfmeter, sicherlich verdient gewonnen."
"Haben nicht an das Bayern-Spiel angeknüpft"
Seine Mannschaft habe "bis zum Schluss alles gegeben", nach dem 1:2 in Minute 81 durch Nico Elvedi wollte der Ausgleich allerdings nicht mehr gelingen. Hütter ärgert sich, "dass meine Mannschaft nicht ganz an das Bayern-Spiel angeknüpft hat."
(Artikel wird unter dem VIDEO fortgesetzt)
"Wenn du zur Pause gegen Leverkusen 0:0 spielst, ist es okay. Bayer ist trotz allem eine gute Mannschaft, die haben mit ihrer Schnelligkeit doch auch Trümpfe in der Hand. Wir haben in der ersten Halbzeit phasenweise schon auch gute Situationen gehabt, aber klare Torchancen hatten wir nicht", sah der 51-Jährige im Spiel nach vorne Luft nach oben.
Spielentscheidend waren schlussendlich aber die Standard-Tore Leverkusens, erzielt von Robert Andrich und Torjäger Patrik Schick. "Die Standardsituationen geben manchmal eine Richtung aus, leider haben wir da zwei Tore kassiert."
"Seid mir nicht böse - aber das ist kein Elfmeter"
Für Aufregung sorgte eine Szene vor dem 0:1: Bayers Karim Bellarabi ging im Gladbach-Strafraum mit Neuverpflichtung Marvin Friedrich in den Zweikampf, nach einem leichten Kontakt ging der ehemalige DFB-Teamspieler zu Boden und Schiedsrichter Sebastian Stegemann zeigte auf den Elfmeterpunkt.
Eine höchst strittige Entscheidung, die auch Hütter nach dem Spiel noch einmal sehen wollte. Nach der Betrachtung der TV-Bilder meinte er: "Seid mir bitte nicht böse – klarerweise habe ich als Trainer von Borussia Mönchengladbach eine eigene Brille auf. Er berührt ihn unten zwar leicht, aber das ist kein Elfmeter."
Mir ist klar, dass jetzt wieder dieses Fass aufgemacht wird. [...] Ihr macht es euch, meiner Meinung nach, viel zu einfach. Ich werde nie einen einzelnen Spieler vor der Kamera kritisieren.
Sauer stößt dem Hohenemser auf, dass "Herr Stegemann es sich auch leicht machen kann. Er kann sagen, es ist keine klare Fehlentscheidung und das ist etwas, das ich manchmal nicht verstehe", findet er keinen Gefallen an den geltenden Regularien. "Viel ärgerlicher ist, dass wir postwendend den Gegentreffer bekommen", so Hütter.
Ginter nur auf der Bank: Wortgefechte zwischen Hütter und Matthäus
Der Gladbach-Trainer sorgte noch vor dem Spiel selbst für Aufruhr, als er Innenverteidiger Matthias Ginter auf die Bank setzte. Der Nationalspieler verlässt den Klub spätestens mit Saisonende, besonders Sky-Experte Lothar Matthäus konnte die Entscheidung nicht nachvollziehen.
Damit konfrontiert, entgegnet Hütter: "Mir ist klar, dass jetzt wieder dieses Fass aufgemacht wird. Nochmals: Bei uns gewinnt nicht ein Einzelner ein Spiel, es verliert auch kein Einzelner ein Spiel. Die Entscheidung ist so gefallen, dass Marvin Friedrich spielt, der zwar beim Elfmeter leicht unglücklich agierte, trotzdem aber ein ordentliches Debüt gegeben hat. Das ist ein Spieler für die Zukunft, das Fass ist für euch aber aufgemacht."
Matthäus reagierte mit Unverständnis, sprach die Routine und Klasse von Ginter an, die in der derzeitigen Gladbacher Situation von Nöten wäre. Hütter reagierte scharf: "Wir haben auch in vier Partien, in denen er gespielt hat, 17 Tore bekommen – auch das darf man nicht vergessen."
Dann holt der Vorarlberger aus: "Ihr macht es euch, meiner Meinung nach, viel zu einfach. Ich werde nie einen einzelnen Spieler vor der Kamera kritisieren. Matthias Ginter ist ein guter Spieler, das habe ich ihm auch gesagt. Trotzdem hat unter anderem er sich dafür entschieden, den Verein zu verlassen. Ich habe nie gesagt, dass die Türe zu ist."
"Wir haben heute Marvin Friedrich spielen lassen und als wir 17 Tore in vier Spielen bekommen haben, hat auch kein Mensch etwas gesagt. Ich habe ihn noch nie öffentlich kritisiert, das werde ich auch nicht tun. Deswegen ist das immer noch meine Entscheidung. Wir müssen mit oder ohne Matthias Ginter aus dieser Situation rauskommen!"
Der 51-Jährige ist sich sicher, dass die Niederlage auch mit Ginter passiert wäre, denn: "Wir verteidigen Standard-Tore einfach zu wenig konsequent. Wir trainieren Standardsituationen auch, jeder muss darauf achten, dass er bei seinem Mann ist. Das haben wir heute nicht gut gemacht, beim 0:6 gegen Freiburg ebenfalls nicht. Daran müssen wir weiter arbeiten."
"Ruhe und Geduld" in bedrohlicher Lage
Und zwar schleunigst, denn während die Europacup-Plätze in immer weitere Ferne rücken, kommen die Borussen dem Tabellenkeller gefährlich nahe. Nur noch vier Punkte beträgt der Vorsprung auf den FC Augsburg, der derzeit den Relegationsplatz inne hat. Der Tabellen-16. ist allerdings noch am Sonntag im Einsatz, genauso wie Arminia Bielefeld, dass nur einen Punkt dahinter auf Platz 17 rangiert.
Hütter bewahrt trotz der allmählich bedrohlichen Lage keine Sorgen: "Ich bin immer von unserer Mannschaft überzeugt. Wenn die Zuschauer heute da gewesen wären, hätten sie dem Spiel nochmal eine Wendung geben können."
Eine Wendung, vielleicht sogar einen Energieboost, konnte auch Yann Sommer nicht herbeiführen. Der Schweizer im Gladbach-Tor avancierte gegen Patrik Schick (50.) und Kerem Demirbay (88.) zum Elfmeter-Killer, "hat heute überragend gehalten", verteilt Hütter ein Lob an seinen Schlussmann.
"Wir haben es heute aber nicht geschafft, die letzte Entschlossenheit im Abschluss zu zeigen." Trotzdem bewahrt er "Ruhe und Geduld. Wir haben die Qualität in der Mannschaft, haben Klasse. Die Gegenwart ist wichtig, die Zukunft aber ebenso", erwähnt Hütter den Fall Ginter ein weiteres Mal.
Abschließend erklärt er: "Wir müssen hier einen Mix finden, um die Spiele in den kommenden Wochen zu gewinnnen."