In Köln herrscht statt Frohsinn wieder das Chaos. Zumindest bei seinem zweiten Wahrzeichen, dem FC.
Nach vier Jahren, in denen es unter Peter Stöger stetig aufwärts ging, verzeichnet man in dieser Spielzeit die schlechteste Bundesliga-Zwischenbilanz aller Zeiten.
Im LAOLA1-Interview klärt Jochen Hilgers, FC-Experte der WDR-Sendung "Lokalzeit aus Köln", über Stögers Standing im Verein und über die Stimmung in der Stadt auf.
Außerdem verrät er seine Prognose, wie es mit Klub und Trainer weitergeht.
LAOLA1: Wie kommt es, dass sich Peter Stöger so lange im Amt hält?
Jochen Hilgers: Da spielen drei Dinge eine Rolle: Zum ersten sind die Vereinsführung und die Fans total dankbar für die vergangenen vier Jahre, in der Erfolge gefeiert wurden, die es lange nicht gegeben hat in Köln. Außerdem ist er auch ein sehr integrer Typ und bei den Kölnern unglaublich beliebt. Das macht es schwer sich von so einem Mann zu trennen. Die zweite Seite ist der Weggang von Jörg Schmadtke. Der Trainer und der sportliche Geschäftsführer haben den engsten Draht zu den Spielen und wissen, wer mit wem kann. Holt man jetzt einen neuen Trainer, hat der niemanden bei dem er sich genau über die Spieler erkundigen kann. Drittens ist der Verein von seiner Führung her sehr demokratisch aufgestellt und es gibt unterschiedliche Meinungen. Das macht auch die Suche nach einem Geschäftsführer schwierig, wenn sich ein neunköpfiges Gremium einig werden muss, weil du immer jemanden dabei hast, dem es nicht so passt. Anders als bei Bayern, wo (Uli) Hoeneß sagt: "Pass auf Karl-Heinz (Anm. Rummenigge), so machen wir das und du verteidigst das nach außen".
LAOLA1: Was unterscheidet Stöger von anderen Trainern?
Hilgers: Anfang des Jahres, als man noch auf der Erfolgswelle war, wurden Verträge mit allen verlängert. Mit Schmadtke, Alexander Wehrle (Anm. Geschäftsführer Sport und Finanzen) bis 2023. Da wollte man natürlich auch mit Stöger verlängern, der aber meinte "bis 2020 ist es schon eine verdammt lange Strecke" und er wollte gar nicht darüber nachdenken. Damals haben alle Journalisten gefragt 'Was ist denn mit Ihnen? Läuft doch alles so toll', aber Stöger hat einfach viel früher die Schnelllebigkeit des Geschäfts verstanden als die euphorischen Kölner.
LAOLA1: Wer könnte Stögers Posten denn in der aktuellen Situation überhaupt übernehmen?
Hilgers: Labbadia halte ich da für den heißesten Kandidaten. Wenn du einen brauchst, der kurzfristig was erreichen kann, könnte er passen, er gilt ja als 'Feuerwehrmann'. Er ist vielleicht keiner der wirklich langfristig etwas auf die Beine stellen kann, das hat man in Leverkusen gesehen, wo er relativ schnell ausgebrannt ist. Dann gibt es aber natürlich noch das Modell 'Freiburg', wo man mit Streich in die zweite Liga gegangen ist. Aber es ist natürlich schwierig, den Fans jetzt schon zu verkaufen, dass die Saison abgeschenkt wird.
"Selbst bei der erwartbaren Niederlage, wäre es Unsinn Stöger abzuberufen."
LAOLA1: Denken Sie, nach dem Spiel auf Schalke am Wochenende ist tatsächlich Schluss?
Hilgers: Das glaube ich nicht. Da wird man möglicherweise untergehen, wobei der FC auf Schalke oft seine besten Spiele gezeigt hat. Aber selbst bei der erwartbaren Niederlage, wäre es Unsinn Stöger abzuberufen. Am Mittwoch darauf reist der komplette Verein nach Belgrad, das kriegst du alleine aus Zeitgründen gar nicht auf die Reihe. Dann wird es vor allem wichtig sein gegen Freiburg zu punkten, dagegen ist Belgrad fast egal. Es heißt zwar offiziell nach Schalke muss gehandelt werden, aber ich halte das für eine sehr unsichere Variante.
LAOLA1: Wie sieht es unter den Spielern aus? Gibt es da einen internen Konflikt? Die öffentlichen Aussagen gehen auseinander.
Hilgers: Davon ist tatsächlich seit kurzem die Rede. Im "Express" war zu lesen, dass Stöger die Spieler jetzt kontrollieren werde. Das ist natürlich bitter, denn wie viele Probleme gab es schon in den letzten Jahren? Plötzlich ist die Rede davon, dass da einer über die Stränge schlägt, dass die Jungs Freitags unterwegs sind, wenn Sonntags ein Spiel ansteht. Das gab es alles Mal unter Christoph Daum, da hat hier nichts funktioniert. Das finde ich total beunruhigend und hätte ich auch nie gedacht. Auch die Chemie zwischen beispielsweise Jhon Cordoba und Sehrou Guirassy sieht ganz miserabel aus. Stöger war immer darauf bedacht, dass die Mannschaft als Einheit auftritt. Viele Fanbeauftragte anderer Vereine bestätigen, dass hier eine Hinwendung zu den Fans herrscht, die wirklich einzigartig ist. Jede Woche ist jemand zu Besuch am Stammtisch oder im Fanklub und redet mit den Leuten. Die Zuwendung kann man auch regelmäßig am Trainingsplatz beobachten.
LAOLA1: Wie ist denn die Stimmung unter den Fans und in der Stadt?
Hilgers: Da ist die Luft langsam raus. Gestern am Trainingsgelände meinte einer: "80 Prozent würden Stöger gerne weg haben". Das glaube ich aber nicht. Bei allen bisherigen Umfragen der großen Tageszeitungen steht es immer um die 50:50. Auffällig beim Spiel gegen Hertha: Nach dem 0:2 war im Stadion eine Totenstille. Kein Support mehr – nichts. Ich weiß nicht ob es Fassungslosigkeit war oder einfach totale Depression. Wahrscheinlich irgendwo dazwischen.
"Wunder gibt es immer wieder, aber leider nicht in Köln."
LAOLA1: Wie bewerten Sie die Suche nach einem neuen Sportchef? Gibt es neben Horst Heldt noch andere Namen?
Hilgers: Die Sache ist tot. Martin Kind (Präsident Hannover 96, Anm.) reagiert allergisch auf Provokationen. Und die kamen nun mal von Toni Schumacher in Form von unüberlegten Äußerungen. Ansonsten fällt mir aber niemand ein. Auf dem freien Markt gibt es sicherlich nur schlechtere Lösungen als Heldt. Der wäre eine gute Wahl gewesen, weil du jemanden brauchst, der auf der Höhe der Zeit ist, denn im Winter besteht in Köln Handlungsbedarf. Da kannst du keinen gebrauchen, der kein Netzwerk hat, der nicht verzahnt und seit zwei Jahren raus ist. Auf zwei, drei Positionen brauchen sie neue Spieler und Heldt ist dafür gut, mal einen aus dem Hut zu zaubern, der was auf drauf hat.
LAOLA1: Glauben Sie noch an den Klassenerhalt?
Hilgers: (lacht) Wunder gibt es immer wieder, aber leider nicht in Köln. Die sind so sicher in der zweiten Liga, wie die Tatsache, dass am 24. Dezember Heiligabend ist.