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Der Mythos Revierderby vor Abschiedsaufführung

Das prestigeträchtige Duell könnte das letzte Revierderby für längere Zeit sein.

Der Mythos Revierderby vor Abschiedsaufführung Foto: © getty

Wenn am Samstag (um 18:30 Uhr im LIVE-Ticker) das 98. Revierderby in der Bundesliga zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund angepfiffen wird, steht wie bei den 97 Aufeinandertreffen zuvor, der Ruhrpott für 90 Minuten still.

Der Trubel rund um das Spiel ist während der Corona-Pandemie zwar nicht mit vorherigen Aufeinandertreffen zu vergleichen, doch für beide Klubs steht immens viel auf dem Spiel.

Die Katastrophen-Saison des FC Schalke sorgt mit immer größer werdender Wahrscheinlichkeit auf der einen Seite dafür, dass es das vorerst letzte Derby auf Bundesliga-Ebene sein wird. Andererseits wankten auch die Borussen in den vergangenen Wochen mehr schlecht als recht durch die Bundesliga und hinken den eigenen Ansprüchen gehörig hinterher.

Das 98. Duell der beiden Rivalen in der Elite-Liga Deutschlands kann deshalb getrost als Krisen-Derby bezeichnet werden. Beiden Teams hilft eigentlich nur ein Sieg, um das Schiff wieder halbwegs auf Kurs zu bekommen, wobei die Lage bei den Knappen aber aufgrund des unvermeidbar scheinenden Abstiegs deutlich prekärer ist als beim Rivalen aus dem nur etwa 30 Kilometer entfernten Dortmund.

Erinnerung an glanzvolle Zeiten

Die geografische Nähe, aber vor allem der Steinkohlebergbau prägen das Duell der heutigen Erzrivalen seit dem ersten Aufeinandertreffen im Jahr 1925. Die Rivalität in den Bergbaubezirken, einst eben als Reviere bezeichnet, spiegelt sich seit den ersten Duellen auf den Fußballplätzen der beiden Großklubs.

Mit der Bundesliga-Gründung 1962 wurde das Spiel zwischen den beiden Kontrahenten zum Hit. Hochstilisiert zur "Mutter aller Derbys" begeistert es die Massen damals wie heute und sorgt stets für Schlagzeilen. Ob das Lehmann-Tor in letzter Minute 1997 oder das sensationelle Schalke-Comeback beim 4:4 2017 – im Revierderby ist meistens etwas los.

Das Spiel elektrisiert nicht nur den Ruhrpott, der heute nicht gerade zu den schönsten Ecken des Landes zählt, sondern ganz Fußball-Deutschland und oftmals über dessen Grenzen hinaus. Die Zeit des Steinkohleabbaus ist im Nachbarland zwar seit 2018 beendet, aber vor allem Schalke hegt und pflegt das Image des "Kumpel- und Malocherklubs" weiter fleißig.

Triste Aussichten

 

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In "normalen" Zeiten logischerweise vor vollen Tribünen, ist die Aussicht aktuell eine andere. Die Coronavirus-Pandemie verhindert, dass die sonst fanatischen Fans ihre Mannschaften im Stadion nach vorne peitschen. Gerade Schalke scheint unter dem Ausschluss der Anhänger mehr als andere Klubs zu leiden und taumelt unaufhaltsam der 2. Bundesliga entgegen.

Vom vergangenen Glanz ist wenig übriggeblieben. Der sonst regelmäßige Teilnehmer internationaler Bewerbe sorgte zwischen Jänner 2020 und Jänner 2021 sogar fast für einen unrühmlichen Rekord und blieb 30 Bundesliga-Spiele sieglos. Nur Tasmania Berlin war 1965/66 knapp schlechter und schaffte 31 Spiele.

(Text wird nach dem VIDEO fortgesetzt)

Aber nicht nur sportlich liegt bei den Königsblauen aus Gelsenkirchens Stadtteil Schalke einiges im Argen. Trainerentlassungen en masse, schlechte Transferpolitik und Unruhen in der Führungsriege prägen das aktuelle Bild. Erst vor wenigen Tagen wurde die Trennung von Sport-Vorstand Jochen Schneider zum Saisonende offiziell.

Das Klammern an den letzten Strohhalm

Von den hartgesottenen Fans wird aber nicht nur Schneider für das Versagen des Traditionsklubs verantwortlich gemacht. Auch Marketing-Vorstand Alexander Jobst wurde bereits mehrmals von den Fanklubs wüst attackiert und Langzeit-Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies räumte 2020 nach einigen Skandalen seinen Posten mehr oder weniger freiwillig.

Zurück bleibt ein Klub im Chaos, dem ein Umschwung im Abstiegskampf eigentlich nicht mehr zugetraut werden kann. Erst ein Sieg aus 21 Partien bescheren Schalke die Rote Laterne und neun Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz.

 

 

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Mit Trainer Nummer vier in der laufenden Saison, dem Schweizer Christian Gross, unternahm Schneider in der Winterpause einen letzten, verzweifelten Versuch, den drohenden Abstieg mit einem Vertrauten aus vergangenen Stuttgart-Zeiten doch noch abwenden zu können. Der erste Saisonsieg gegen die TSG Hoffenheim im zweiten Pflichtspiel unter Gross sollte aber nur ein kurzes Strohfeuer sein. Seither warten die Knappen schon wieder sieben Partien auf einen Sieg.

Die kritischen Stimmen am Trainer werden wieder einmal lauter und vor allem Schneider wird dafür kritisiert einen 66-Jährigen installiert zu haben, der seit 2014 nur Vereine in Saudi-Arabien und Ägypten betreute. Dass Gross ÖFB-Legionär Alessandro Schöpf bei einer Pressekonferenz vor laufender Kamera "Massimo Schlüpp" taufte, passt da nur ins Bild.

Dortmund vor entscheidenden Wochen

Zwar bei Weitem nicht so groß wie beim Rivalen sind die Sorgen von Schwarz-Gelb, eitel Wonne ist die Lage in Dortmund aber keineswegs. Mit Lucien Favre musste beim BVB ebenfalls schon ein Trainer die Segel streichen und unter Edin Terzic wurden die Leistungen nicht unbedingt besser.

Deshalb setzten die Bosse um Hans-Joachim Watzke in der vergangenen Woche ein Zeichen und verpflichteten mit Ex-Salzburg-Trainer Marco Rose einen neuen Hoffnungsträger für die Zeit ab Sommer von Konkurrent Borussia Mönchengladbach. Dann soll der hochbegabte Kader um die zukünftigen Superstars Erling Haaland, Jadon Sancho und Jude Bellingham den nächsten Schritt machen und endlich die Meister-Serie der Münchner Bayern durchbrechen.

Rose droht erste Saison ohne Champions League

Mit dem Sieg in der Champions League beim FC Sevilla sorgten Reus, Hummels und Co. vor dem Derby zumindest für etwas Ruhe im Umfeld. Das könnte mit einer Niederlage gegen Schalke schnell wieder unruhig werden, denn die Gefahr das Mindestziel Champions League zu verpassen, ist mit sechs Punkten Rückstand auf Adi Hütters Eintracht Frankfurt durchaus gegeben.

Eine Saison ohne Königsklasse wäre für Dortmund eine herbe Enttäuschung und könnte einen frühzeitigen Abgang der umworbenen Spieler wie Haaland und Sancho vorantreiben. Sicher nicht das Szenario, das sich Marco Rose für seine Premieren-Saison wünscht.

Richtungsweisendes Duell steht bevor

Auch deshalb steht im Revierderby für beide Teams immens viel auf dem Spiel. Dortmund-Geschäftsführer Watzke zeigt sich im Vorfeld der Partie zwar harmonisch: "Ich drücke Schalke 04 weiter die Daumen, dass der Klub in der Bundesliga bleibt und die dafür nötigen Punkte sammelt", fügt aber schnell hinzu: "außer am Samstag".

Für Königsblau wird es wiederum ganz schwierig, gegen den haushohen Favoriten zu bestehen. Zu ernüchternd erscheinen die letzten Auftritte und ohne die Fans im Rücken fehlt der Mannschaft merklich der Antrieb.

Somit könnte es am Samstag um circa 20:20, wenn in der Veltins-Arena die Lichter ausgehen, zu einem leisen Abschied vom Revierderby kommen. Ganz untypisch und ohne Fans – in Zeiten von Corona eben auch für die "Mutter aller Derbys".

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