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Schicksalsgemeinschaft Schicker/Ilzer: Tod oder Gladiolen!

Was Louis van Gaal metaphorisch dröhnte, ist auch Ausgangslage für das Ex-Sturm-Erfolgsduo. Die Lage in Hoffenheim ist großes Risiko, aber auch riesige Chance.

Schicksalsgemeinschaft Schicker/Ilzer: Tod oder Gladiolen! Foto: © getty

Ein Sieg aus acht Spielen, der Sprung in die Europa-League-Playoffs in Gefahr und in der Liga gerade einmal fünf Punkte geholt. So lautet die bisherige Bilanz von Christian Ilzer bei der TSG Hoffenheim.

Im Winter hatten er und sein "Grazer Buddy" alias Sportdirektor Andreas Schicker die Möglichkeit, an und mit der Mannschaft zu arbeiten. Um vor allem die Spielidee des 47-Jährigen zu festigen, aber auch, um auf dem Transfermarkt nachzulegen - und erste Schritte in Richtung Kaderveränderungen zu setzen. Hin zu einem Team, welches der Spielidee Ilzers tatsächlich auch entspricht.

Einfach war der Start für die beiden jedenfalls nicht. Schicker wurde zunächst von den Fans angefeindet, war ein Stück weit auch Opfer des wortwörtlich so zu bezeichnenden "Rosen-Kriegs", der sich in Folge des Rauswurfs des langjährigen Sportdirektors Alexander Rosen zwischen Fans und Klub entspann. Rosen war bei den Anhängern enorm beliebt, sie rebellierten gegen diese Entscheidung, stellten den Support ein und drohten hinter vorgehaltener Hand gar, Spielabbrüche zu provozieren.

(Vorerst) herrscht Ruhe

Mittlerweile ist die Lage in Sinsheim aber ruhiger. Aber nicht, weil nun alles plötzlich eitel Wonne ist, sondern vielmehr, weil sich alle Beteiligten am Riemen reißen, um aus der sportlich prekären Situation herauszukommen.

"Man hat schon den Eindruck, dass sowohl Ilzer als auch Schicker mit ihrer Art bei den Fans ankommen und die richtigen Worte finden."

Nils Wollenschläger, Sportchef bei Heidelberg24

Unter den Fans hat man eingesehen, dass es die Situation nur noch verschlimmern würde, wenn man nun weiterzündelt und dass auch die wütendsten Proteste Alexander Rosen nicht zurückbringen werden.

"Man hat schon den Eindruck, dass sowohl Ilzer als auch Schicker mit ihrer Art bei den Fans ankommen und die richtigen Worte finden, jedoch sind die Resultate im Endeffekt natürlich das entscheidende Kriterium. Solange diese fehlen, wird es auch schwer, die Gräben zuzuschütten", sagt Nils Wollenschläger gegenüber LAOLA1. Er ist Sportchef beim Lokalmedium Heidelberg24 und befasst sich schon seit langen Jahren mit der TSG.

Man will das Duo nun einmal arbeiten lassen, die ersten Eindrücke seien jedenfalls positiv gewesen, wie LAOLA1 aus einer Fan-nahen Quelle erfuhr. Der Neo-Sportchef suchte gleich zu Beginn seiner Amtszeit das Gespräch mit den Fan-Spitzen und scheint die Situation bisweilen sehr gut zu moderieren.

Der große Wunsch nach Aufbruch

Schicker und Ilzer sollen für einen Aufbruch stehen. Dieser gelang zwar vorerst noch nicht, die Hoffnungen, welche die Fans trotz ihrer Skepsis in das Duo setzen, scheinen gleichzeitig groß zu sein, wie Wollenschläger untermalt: "Spannend war zu sehen, wie das erste Spiel von Ilzer direkt für Begeisterung sorgte, da die Hoffenheimer nach längerer Zeit mal wieder unterhaltsamen Fußball zeigten." Dieses wurde zum Torfestival: Gegen RB Leipzig siegte die Ilzer-Elf mit 4:3.

Gleich im ersten Spiel unter Ilzer gewann die TSG 4:3 gegen Leipzig
Foto: © getty

Bei der TSG soll es wieder in Richtung Spektakel-Fußball à la Nagelsmann gehen. Denn der Klub hat weiterhin keinen einfachen Stand, was den Fanzuspruch betrifft. "Folglich lassen auch die Zuschauerzahlen aus TSG-Sicht zu wünschen übrig", so Wollenschläger.

Auch das dürfte ein Hintergedanke bei der Verpflichtung von Schicker und Ilzer gewesen sein: Ilzers Power-Fußball hat das Potenzial, die Region ebenso zu euphorisieren, wie es unter Ralf Rangnick (2006-2011) und später unter Julian Nagelsmann (2016-2019) der Fall war.

Systemwandel trotz Abstiegskampf

Die große Herausforderung, vor der Christian Ilzer als Trainer nun steht, ist es, den bereits eingangs, Stichwort Spielidee, angesprochenen Systemwandel hinzubekommen, schließlich steht Ilzer für einen ganz anderen Fußball als sein Vorgänger Matarazzo. Gleichzeitig gilt es, die nötigen Punkte im Kampf gegen den Abstieg zu sammeln.

Während Matarazzo sehr auf Umschaltspiel setzte, regiert bei Ilzer natürlich auch in Hoffenheim das Pressing. Das hat der Ex-Sturm-Coach gleich von Beginn weg umgesetzt, man merkte aber rasch, dass es noch Zeit brauchen wird. Die TSG versuchte plötzlich hoch anzulaufen und offenbarte dem Gegner so oftmals Räume, was nicht selten zu (entscheidenden) Gegentreffern führte. Genau daran hat Ilzer im Winter mit seinem Team gearbeitet.

Ein Neuer als Sinnbild für Schickers Pläne

Dabei helfen soll auch Neuverpflichtung Gift Orban (Olympique Lyon), der künftig den Goalgetter geben soll. Hoffenheim liegt in Sachen Chancenverwertung ligaweit aktuell nur auf Rang 14. Zudem wurde der Nigerianer geholt, weil er ein hervorragender Pressingspieler ist.

Steht sinnbildlich für Schickers Transferstrategie: Neo-Hoffenheimer Gift Orban
Foto: © GEPA

Der 22-Jährige passt genau in jenes Personal-Konzept, das Schicker bereits in Graz forcierte: Spieler mit Potenzial holen, sie näher an ihren Zenit führen und im besten Fall teuer weiterverkaufen, während man sich dadurch gleichzeitig sportlich noch oben entwickelt.

Das hat Schicker laut LAOLA1-Informationen in Hintergrundgesprächen auch durchklingen lassen. Er plant, den Kader deutlich zu verjüngen, der konzeptionell gewissermaßen eine Blaupause von Sturm Graz werden dürfte.

Schicker soll versprochen worden sein, in der Kadergestaltung freie Hand zu haben. Auch Klub-Patron Dietmar Hopp soll dafür grünes Licht gegeben haben. Der mittlerweile 84-Jährige gab zwar vor etwa eineinhalb Jahren seine Stimmrechtsmehrheit zurück, machte die TSG damit wieder zu einem "echten" 50+1-Klub. Dennoch dürfte ohne sein Okay nichts gehen.

Neues Kluboberhaupt eine "Marionette"?

Damit hat wieder der Vereinspräsident das sagen, der auch die Oberaufsicht über die Fußball-GmbH und somit den Profi-Betrieb hat. Im Herbst wurde neu gewählt. Den Urnengang ohne ernsthaften Gegenkandidaten entschied der ehemaligen Sinsheimer Bürgermeister Jörg Albrecht für sich.

Ihm wird von den Fans (nicht nur) hinter vorgehaltener Hand vorgeworfen, nur eine "Marionette" von Hopp zu sein. Schon bei der Wahl, die Beobachter als "peinliche Veranstaltung" beschreiben, skandierten Fans "Albrecht raus".

Vorerst köchelt die Causa weiter unter der Oberfläche dahin, weil die prekäre sportliche Lage dies überdeckt. Immerhin zieht man dahingehend noch am gleichen Strang. Dadurch können Schicker und Ilzer vorerst in Ruhe arbeiten, die "Schicksalsgemeinschaft" ist aber auch zum Erfolg gezwungen, weil ihre Zukunft bei der TSG voneinander abhängt. Jedenfalls ist nur schwer vorstellbar, dass einer der beiden bleibt, sollte der andere gehen müssen.

Ein klarer Weg mit noch offenem Ziel

Die ersten Partien in der Rückrunde werden Aufschluss darüber geben, in welche Richtung es geht. Einfach ist die Auslosung nicht: Zum Auftakt trifft Ilzer auf Landsmann Ralph Hasenhüttl und seinen VfL Wolfsburg (am Samstag ab 15:30 Uhr im LIVE-Ticker>>>), in Folge wartet das Spiel bei Bayern München und der direkte Keller-Konkurrent Holstein Kiel. Auch danach wird es nicht leichter, wenn man auf Eintracht Frankfurt (aktuell Dritter) und den amtierenden Meister Bayer Leverkusen trifft.

Das Projekt Schicker/Ilzer steht für einen klaren Weg und es bestimmt nicht nur das Schicksal der beiden, sondern mit auch jenes der TSG. Sollte dieser Weg scheitern, könnte die Situation in Hoffenheim erst so richtig eskalieren. Wenn er gelingt, können die beiden Steirer in Hoffenheim eine Ära prägen. Oder wie es Louis van Gaal einst metaphorisch auf den Punkt brachte: Tod oder Gladiolen.

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