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Tuchel war nie der Richtige für den FC Bayern!

Soll sich der FC Bayern nach einem neuen Trainer umsehen? Muss Christoph Freund den gesamten Kader umkrempeln? LAOLA1 debattiert:

Tuchel war nie der Richtige für den FC Bayern!

In unserem neuen Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.

Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.

Dieses Mal beschäftigen wir uns mit der aktuellen Situation beim FC Bayern München nach der heftigen Niederlage im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen - und vor dem Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale bei Lazio Rom (Mittwoch, ab 21:00 Uhr im LIVE-Ticker).

In Zukunft wollen wir auch User-Thesen debattieren. Diesmal waren unsere Redaktions-Kollegen aufgerufen, drei Ansagen zu liefern, die in weiterer Folge von den LAOLA1-Redakteuren Christian Frühwald und Christopher Köller eingeordnet wurden.

These #1: Jetzt steht endgültig fest - Thomas Tuchel war nie der richtige Trainer für den FC Bayern

Christopher Köller:

Ganz ehrlich… eigentlich sollte das schon seit längerem feststehen. Dass Thomas Tuchel und der FC Bayern nicht zusammenpassen, konnte man bereits in der vergangenen Saison erkennen. Wenn da nicht dieser Meistertitel gewesen wäre – bei dem die Münchner wohl bis heute nicht so richtig wissen, wie sie den zustande gebracht haben – hätte es Tuchel vielleicht nicht mal bis heute geschafft. Jeder Tag wirkt wie ein Kampf. Die Leichtigkeit, die man vom FC Bayern vor allem in der Bundesliga gewohnt war, scheint seit der Übernahme von Thomas Tuchel nicht mehr gegeben.

Dass Tuchel ein Trainer von internationalem Format ist, ist unumstritten – nicht umsonst gewinnt man mit dem FC Chelsea die Champions League. Dennoch kommt man nicht um das Gefühl herum, dass sich die Bayern unter ihrem aktuellen Trainer in die falsche Richtung entwickeln. Das Spielsystem wirkt entweder zu statisch, oder komplett unausgereift – wie im Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen. Zu oft scheint man sich in München dieser Tage auf der individuellen Qualität des Kaders auszuruhen.

Thomas Tuchel muss sich einigen unangenehmen Fragen stellen
Foto: © getty

Auch abseits des Rasens vermittelt Tuchel nicht immer das beste Bild. Der Krumbacher ist ein durchaus emotionaler Typ – was jetzt nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss. Die Art und Weise, wie Tuchel seinen Kritikern vor der Kamera gegenübertritt, wirkt jedoch nicht immer souverän – und lässt so das ganze Gebilde in München wiederum noch instabiler aussehen.

Der FC Bayern scheint unter Thomas Tuchel seinen Weg verloren zu haben. Für mich besteht kein Zweifel, dass man sich in München nach einem neuen Trainer umschauen sollte. Die Bayern brauchen wieder einen dynamischen Coach, der den Verein belebt und aggressiven Fußball spielen lässt. Aktuell freie Trainer drängen sich mir jedoch keine auf. Den Bayern wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als bei anderen Vereinen zu wildern.

Die naheliegendste Option scheint wohl Sebastian Hoeneß zu sein, der in Stuttgart tolle Arbeit leistet und alleine von seinem Nachnamen her perfekt nach München passen würde. Zwei Kandidaten, die den Bayern wahrscheinlich noch lieber wären: Xabi Alonso (Bayer Leverkusen) und Jürgen Klopp (FC Liverpool), der sich nach diesem Jahr eigentlich eine Auszeit nehmen will, könnten am Ende dieser Saison wohl beide Anrufe aus München erhalten.

Christian Frühwald:

Wenn der Herr Kollege meint, dass diese Aussage schon seit längerem feststehen sollte, kann ich darauf nur antworten: Ich habe es euch ja auch schon vor zehn Monaten gesagt, Thomas Tuchel ist nicht der Richtige für den FC Bayern!

In fast einem Jahr hat er es nicht geschafft, die durch den überraschenden Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu seiner Person entstandene Unruhe und Unsicherheit in der Mannschaft des deutschen Rekordmeisters zu beenden.

Ganz im Gegenteil: Vor allem im Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen wurde wieder deutlich, dass die Spieler als Team schlichtweg nicht gefestigt sind. Das Abwehrverhalten passt nicht, in der Offensive agieren die Millionen-Stars so ideenlos, dass selbst ein Weltklasse-Goalgetter wie Harry Kane kaum Gefahr versprühen kann und im Zusammenspiel von Offensive und Defensive fehlt ebenfalls jegliche Linie.

Alleine die Tatsache, dass Tuchel vor dem wohl wichtigsten Liga-Spiel des Jahres die Mannschaft und die Taktik komplett umbaut (und damit auf die Nase fliegt), zeigt, dass der ehemalige Paris- und Chelsea-Betreuer weiterhin keinen funktionierenden Plan für seine Truppe gefunden hat.

Am besten läuft es noch, wenn Tuchel den meist nicht in der Startelf befindlichen 34-jährigen Thomas Müller ins Feuer wirft und der Altstar der angezählten Truppe noch einen letzten Ruck gibt. Um eine in Topform befindliche Mannschaft wie aktuell Bayer Leverkusen zu gefährden, ist dies freilich zu wenig.

Zudem agiert Tuchel einfach viel zu dünnhäutig in seinem Auftritt nach außen. Der FC Bayern ist als FC Hollywood traditionell ein medialer Unruheherd. Da braucht es nicht noch einen Trainer, der zusätzlich polarisiert und neue Baustellen aufreißt. Es benötigt einen Sir, der über den Dingen steht, oder einen jovialen Sunnyboy, den jeder mag (Herr Klopp, hätten Sie nicht Lust?).

Beide Ansprüche erfüllt Tuchel nicht im Geringsten. Womit feststeht: Nein, Thomas Tuchel war nie der richtige Trainer für den FC Bayern.



These #2: Die Meisterschaft kann der FC Bayern jetzt schon abschreiben

Christian Frühwald:

"Es ist vorbei, wenn es vorbei ist", hat schon Hobby-Philosoph Rocky Balboa vor beinahe 50 Jahren auf der großen Leinwand aus sich rausgenuschelt. Eine Tatsache, die auch im Vorjahr Borussia Dortmund schmerzhaft zur Kenntnis nehmen musste, als sie mit einem Remis gegen Mainz in der letzten Runde die schon sicher geglaubte Meisterschaft verspielten.

Bayern hatte gegen Leverkusen nichts zu lachen
Foto: © getty

Um einen alten Gary-Lineker-Spruch etwas umzuwandeln: In der Deutschen Bundesliga werden 34 Spieltage gespielt und am Ende jubeln immer die Bayern. Zumindest war dies in den letzten elf Jahren der Fall und auch heuer ist der Meisterschaftszug noch lange nicht abgefahren. Fünf Punkte Rückstand bei noch 13 ausständigen Spielen? Da hat der Fußball schon wundersamere Geschichten geschrieben.

Zudem sind die Konkurrenten im Kampf um den Titel nicht die Gelb-Schwarzen aus dem Ruhrgebiet, die den Bayern schon des Öfteren in die Titelsuppe spuckten, sondern Bayer Leverkusen, das sich in den letzten Jahrzehnten als "Vizekusen" redlich das Image des "Ewigen Zweiten" verdiente. Hauptsponsor Bayer ließ sich im Jahr 2002 den Spottbegriff "Vizekusen" sogar am Deutschen Patentamt schützen, nachdem es in drei Bewerben (Liga, Pokal, Champions League) immer "nur" zu Platz zwei reichte.

Selbst, wenn man weiterhin auf Tuchel setzen sollte, ist der Meisterschaftszug also noch lange nicht abgefahren. Bei einem Trainerwechsel in München werden die Karten sowieso wieder komplett neu gemischt.

 

Christopher Köller:

Weg ist die Meisterschaft bestimmt nicht! Wir alle haben in unserem Leben genug Fußball gesehen, um zu wissen, dass man sich 13 Spieltage vor Saisonende nicht auf auf einem Fünf-Punkte-Polster ausruhen sollte. Hier muss man einfach Realist genug sein und anerkennen, dass nach wie vor alles drin ist für den FC Bayern.

Allerdings müssen die angeknockten Münchner aufpassen, nicht komplett den Anschluss an Bayer Leverkusen zu verlieren. Im Gegensatz zu den Bayern ist bei der "Werkself" nämlich richtiges Feuer zu erkennen. In Leverkusen brennt man auf den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte. Auf allzu viele Punktverluste des Tabellenführers wird man in München daher wohl nicht hoffen dürfen. Deshalb gilt es in erster Linie für den FC Bayern, seine eigenen Hausaufgaben zufriedenstellend zu erledigen – vielleicht leichter gesagt als getan.

Ja, Harry Kane ist durchaus in der Lage, einem durchschnittlichen Bundesligisten mal so mir nichts, dir nichts drei Tore einzuschenken, immer kann man sich in München jedoch nicht auf die Leistungen seiner Top-Stars verlassen – denn wenn diese ausbleiben, kommen Leistungen wie in Leverkusen, Frankfurt oder Saarbrücken dabei heraus. Spiele, in denen taktische Mängel und fehlender Glaube an das eigene Tun umso augenscheinlicher wirken. Womit die Diskussion wieder beim Trainer angelangt wäre…  



These #3: Christoph Freund muss den FC Bayern im großen Stil umbauen

Christopher Köller:

Einmal eine Sache vorne weg: Der Kader des FC Bayern hat Qualität – enorm viel Qualität. So viel Qualität, dass man Meister werden sollte. Und dennoch sehe ich einen Kader-Umbruch im kommenden Sommer als unausweichlich.

Ich arbeite hier mit der Annahme, dass sich die Bayern spätestens am Ende der Saison von Thomas Tuchel trennen und mit einem neuen Cheftrainer weiterarbeiten werden. Am besten mit einem Coach, der Fußball in einer gleichen Art und Weise denkt, wie es Christoph Freund tut. Für welchen Fußball der österreichische Sportdirektor steht, haben wir in der vergangenen Dekade in Salzburg miterlebt – aggressiv, schnelles Umschaltspiel, Zug zum Tor und mit viel Vertrauen in die eigene Jugend.

Christoph Freund muss einige wichtige Entscheidungen treffen
Foto: © GEPA

Zumindest was den Teil mit der eigenen Jugend angeht, lassen sich bereits einige positive Entwicklungen erkennen. So ist Aleksandar Pavlovic, ein Spieler, den Freund erst im November mit seinem ersten Profivertrag ausstattete, schon jetzt Fixbestandteil der ersten Mannschaft. Mit Rene Maric und Richard Kitzbichler hat Freund enge Vertraute im Bayern-Jugendbereich platziert, um sicherzustellen, dass die Entwicklung junger Talente nicht bei Pavlovic stehenbleibt.

Wieder mehr Spieler aus der eigenen Jugend in die erste Mannschaft zu integrieren, scheint auch ein Punkt zu sein, den man in München bitter nötig hat. Langsam, aber doch, scheinen den Bayern die Identifikationsfiguren auszugehen. Klub-Legenden wie Thomas Müller und Manuel Neuer haben nicht mehr viel im Tank. Der Fan-Bezug zum aktuellen Kader geht immer mehr verloren. Dass die Bayern in den vergangenen Transfer-Perioden teils gewaltige Summen ausgaben, um ausländische Spieler aus ausländischen Ligen zu holen, half dabei nicht wirklich.

In erster Linie wird es für Freund aber wichtig sein, Spieler in die Mannschaft zu integrieren, die den Spielstil des (neuen) Trainers umsetzen können. Nochmal: Gehen wir der Annahme nach, dass der neue Coach aggressiven Umschaltfußball forcieren wird, wird auch beim Kader nachgebessert werden müssen - also weniger "Holding Six" und mehr "Red-Bull-DNA". Wenn neben schön anzusehendem Fußball auch wieder Erfolge nach München zurückkehren, wird es auch leichter sein, sich wieder mit der Mannschaft zu identifizieren.

 

Christian Frühwald:

Wirft man einen Blick auf den aktuellen Kader des FC Bayern, wird man unweigerlich zurück zu These 1 schwenken müssen: Nein, Thomas Tuchel kann einfach nicht der richtige Trainer für den FC Bayern sein. Denn ansonsten wäre der deutsche Rekordmeister nicht in der aktuellen Situation. Reihenweise tummeln sich bei den Münchnern beinahe ausnahmslos Spitzenleute.

Mit Harry Kane hat man erstmals seit dem Abgang von Vereinslegende Robert Lewandowski auch wieder einen absoluten Weltklasse-Goalgetter unter Vertrag. Thomas Müller und Mathys Tel sorgen in der Offensive für eine gute Mischung aus Alt und Jung.

Glanzstück ist aber weiterhin das Mittelfeld mit glanzvollen Namen wie Musiala, Coman, Sane, Gnabry, Kimmich, Laimer oder Goretzka. Torhüter Manuel Neuer ist nach seiner langen Verletzungspause wieder zurück und weiterhin ein sicherer Rückhalt.
Einzig in der Defensive könnte Christoph Freund vielleicht noch ein bisschen nachbessern. Aber auch hier liegt die Hauptverantwortung wohl eher beim Trainer, der die richtige Aufstellung suchen muss, als beim Sportdirektor, der für das Spielermaterial verantwortlich ist.

Hauptaufgabe von Freund wird es eher werden, für einzelne Routiniers und Identifikationsfiguren wie Thomas Müller oder Manuel Neuer Nachfolger zu finden. Grundsätzlich sind die meisten Bayern-Kicker aber eh im besten Fußballer-Alter – der Salzburger muss sich diesbezüglich also nicht unnötig unter Druck setzen lassen.

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