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Darum ist Palace (nicht) der richtige Schritt für Glasner

Glasner macht seinen nächsten Karriereschritt zu Crystal Palace nach England. Zwei LAOLA1-Redakteure debattieren, ob das der richtige Klub ist.

Darum ist Palace (nicht) der richtige Schritt für Glasner Foto: © getty

Oliver Glasner wagt sich in die Höhle des Löwen.

Mut kann man dem Oberösterreicher mit diesem Schritt - einen strauchelnden Premier-League-Klub zu übernehmen - sicherlich nicht absprechen. In einer Liga, wo gefühlt jeder jedem ein Bein stellen kann, ist konstanter Erfolg ein Begriff, den nur die Top-Riege in ihrem Repertoire aufweisen kann.

Ebenso stellt der Zeitpunkt des neuen Engagements eine Herausforderung dar. Der 49-Jährige hat mit den "Eagles" nur noch 14 Ligaspiele zu absolvieren, in denen vor allem das große Ziel, sich dem Abstiegskampf zu entziehen, ganz oben auf der Agenda steht.

Im Süden Londons tritt Glasner unterdessen in die Fußstapfen von Trainerlegende Roy Hodgson, der sich mit mittlerweile 76 Jahren nun endgültig die Trainer-Pension verdient hat.

Ob das ein kluger nächster Karriereschritt ist, da gehen die Meinungen innerhalb der LAOLA1-Redaktion auseinander.

 

Glasner wird den "Eagles" neue Flughöhen zeigen (Niki Schludermann)

Erfolg ohne Risiko zu nehmen, das existiert nicht. Im Sinne von "ein Schritt zurück und zwei nach vorn" packt Oliver Glasner die Herausforderung Premier League an den "Flügeln", um an seiner nächste Erfolgsgeschichte zu schreiben.

Pro #1: Perfektes Sprungbrett für höhere Aufgaben

Meine klare Antwort auf die Frage, ob es der richtige Schritt ist: Ja!

Crystal Palace braucht dringend frischen Wind, um den Staub der Vergangenheit loszuwerden. Für Glasner ergibt sich die erneute Chance, sich für höhere Aufgaben zu empfehlen, wie einst zu Glanzzeiten bei Eintracht Frankfurt. Sich in der wohl härtesten Liga der Welt beweisen zu können und einen heiß begehrten Trainerstuhl im englischen Oberhaus zu ergattern, spricht eindeutig für Glasner.

Bei entsprechendem Erfolg kann es für den 49-Jährigen definitiv noch weiter nach oben gehen.

Pro #2: Überschaubares Erbe

Pro #2: Überschaubares Erbe
Glasner beerbt den 76-jährigen Roy Hodgson
Foto: © getty

Roy Hodgson in allen Ehren, seine größten Erfolge liegen aber allesamt vor den 2000er-Jahren und geschahen nicht an der Seitenlinie der "Eagles".

Die Voraussetzungen bei der versuchten Wachablöse von Patrick Vieira, der aufgrund der fehlenden Erfahrung zuvor scheiterte, wird sich nicht wiederholen.

Oliver Glasner ist ein taktisch moderner sowie erprobter Trainer und zunächst ein Gewinn für Crystal Palace. Die Engländer bieten im Gegenzug ausreichend Steigerungspotenzial und Nährboden für Glasners Ideale. Eine klassische Win-Win-Situation.

Dass der Oberösterreicher auf seinen Trainerstationen jedes seiner Teams zu konkurrenzfähigen Mannschaften geformt und dabei seinen Blick stets nach oben orientiert hat, ist meiner Meinung nach über jeden Zweifel erhaben. Den VfL Wolfsburg hat er beispielsweise nach sechs Jahren Abstinenz in die Champions League zurückgeführt.

Der überraschende Triumph in der Europa League liegt zwar auch schon zwei Jahre zurück, ist jedoch ein ebenso klares Indiz für die Zielstrebigkeit und Umsetzung einer erfolgreichen Spiel-Philosophie, welche nun Palace zugute kommt.

Pro #3: Glasner hat mehr Kontrolle und England-Kenner im Gepäck

Apropos Spiel-Philosophie: Glasner-Fußball steht bekanntermaßen für aggressives Verhalten gegen den Ball, die Fertigkeit aus schnellen Umschaltsituationen heraus, den Gegner zu überrumpeln und eiskalt zuzuschlagen.

In der Premier League wird er aller Voraussicht nach einen ähnlichen Ansatz wählen, jedoch auch gegen spielerisch starke Gegner andere Lösungen finden können. Dass am Kader der "Eagles" nicht mehr großspurig Hand angelegt werden kann, erschwert die Bedingungen natürlich. Da Hodgson aber aus taktischer Sicht einen Konter-Ansatz spielen hat lassen, wird Glasner nicht bei Null anfangen.

Der Oberösterreicher verfügt des weiteren über ausreichend taktisches Know-how, um in der Premier League zu bestehen und den Klub vorrangig vor dem Fall zu bewahren. Crystal Palace hat sich in den Jahren zuvor als abstiegsresistent gezeigt und wird unter Glasners Führung für die ein oder andere Überraschung sorgen können.

In der Verfolgerrolle mit Wolfsburg und Frankfurt konnte Glasner oftmals auch gegen die ganz großen Teams seine Klasse auf der Trainerbank unter Beweis stellen. Zusätzlich wird ihm wohl mit Emanuel Pogatetz ein ehemaliger England-Legionär als Co-Trainer zur Seite stehen, der mit der Erfahrung von 116 Premier-League-Spielen den Einstieg erleichtern wird.

Man kann davon ausgehen, dass der österreichische Sympathieträger zukünftig einige Positionen neu besetzen, dafür aber auch die notwendige Rückendeckung erhalten wird. Andernfalls hätte sich Glasner sicherlich nicht auf das schwierige Projekt eingelassen.

Auch mit schmerzenden Abgängen wird er zurechtkommen. Der Kontostand von Palace weist zwar nicht die Zahlen eines Top-6-Klubs vor, Glasners Vision eines neuen Spielers kann jedoch dank der hohen TV-Geldeinnahmen leichter realisiert werden als etwa zuvor in Frankfurt.

Glasner über die Arbeit bei einem neuen Klub im Video

Pro #4: Glasner wird Englands kritische Medien überzeugen

Mit seiner ruhigen, zumeist besonnenen Art hat Glasner bisher viele Pluspunkte in der Branche gesammelt. Auch wenn es in der Vergangenheit zu der ein oder anderen Entgleisung gegenüber deutschen Medien kam, so hat er doch nach wie vor ein gutes Standing in der Medienlandschaft.

Auf der Insel wird dem Austro-Trainer jedoch schnell mal ein anderer Wind entgegenwehen, so viel ist sicher. Bei schlechten Auftritten urteilen die Boulevardblätter zumeist mit Schnellschüssen und deutlicher Kritik.

An diesen Umstand wird sich Glasner aber mit der Zeit sicherlich gewöhnen, da er Profi genug ist und auch auf dieser Ebene genügend Erfahrung mitbringt. Seine empathische Haltung gepaart mit der Underdog-Rolle seines neuen Vereins, ergibt bei entsprechenden Erfolgen zudem ein Narrativ, das in England gut und gern aufgegriffen wird.

Pro #5: Glasner kann Spieler auf Top-Niveau formen

Pro #5: Glasner kann Spieler auf Top-Niveau formen
Kolo Muani entwickelte sich unter Glasner zum Top-Spieler
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Glasners einfühlsamer Zugang wird bei seinen neuen Spielern ohne Zweifel positiv aufgenommen werden – im Kampf gegen den Abstieg ist schließlich vor allem Zusammenhalt und Teamgeist unentbehrlich.

Gerade bei seinem Ex-Klub Eintracht Frankfurt hat Glasner stets Zuspruch erhalten. So wünschte zum Beispiel Kapitän Kevin Trapp seinem ehemaligen Übungsleiter den verdienten "maximalen Erfolg" nach dessen Abgang.

Insbesondere streute Ex-Profi Martin Hinteregger seinem damaligen Trainer nach dessen Aus in Frankfurt Rosen. "Es wäre cool gewesen zu sehen, wie er den nächsten Schritt mit zwei, drei Spielern mehr hätte probieren dürfen. Die Schnelllebigkeit des Fußballs ist aber so. Normalerweise wäre man nach so einem Erfolg ja Trainer auf Lebenszeit", meinte "Hinti" vergangenes Jahr gegenüber der "Welt".

Darüber hinaus wird es spannend zu beobachten, ob es Glasner gelingt, Schlüsselspieler wie Michael Olise, Eberechi Eze oder Cheick Doucoure im Verein zu halten. Jene Spieler könnten unter Glasner definitiv einen Niveausprung erleben. Beispiele wie Randal Kolo Muani, Daichi Kamada oder auch Evan Ndicka wurden für vergleichsweise geringes Geld geholt und unter Glasner zu Top-Spielern geformt.

Pro #6: Kaum Erfolgsdruck bei Palace

Hat Glasner Palace einmal aus dem Abstiegskampf befreit, wird er mit noch mehr Ruhe arbeiten können. Für die kommende Saison kann aufs Neue evaluiert und geplant werden. Ab diesem Zeitpunkt wird der Oberösterreicher das Potenzial der "Eagles" zur Entfaltung bringen.

In der mittlerweile elften Saison im englischen Oberhaus stellt der Verein aus dem Süden Londons aktuell einen Mittelklasse-Klub dar, der gerade ein einziges Mal – als Zehntplatzierter in der zweiten Saison nach dem Aufstieg (2014/15) – den ominösen mittigen Tabellenstrich überquert hat.

Mit Glasner an Bord könnte diesen mauen Zeiten nun ein Ende bereitet werden.

Angesichts eines Vertrags bis 2026 mit der Option auf eine weiteres Jahr wird Glasner im Selhurst Park dafür die notwendige Zeit gegeben, sein Konzept zu implementieren. Glasner wird den Vertrauensvorschuss mit Erfolgen zurückzahlen.

Key Players: Glasners Spielermaterial bei Crystal Palace

Bei Crystal Palace kann Glasner eigentlich nur verlieren! (Markus Meisl)

Oliver Glasner pokert hoch mit der Wahl seines neuen Vereins. Das Risiko zu scheitern ist nicht gering, und es gibt wenig bis gar nichts zu gewinnen.

Contra #1: Das Erbe ist viel zu groß!

Mit Roy Hodgson ist sein Vorgänger eine absolute Koryphäe. Der Engländer kehrte im März 2023 zu seinem Herzensklub zurück und rettete ihn frühzeitig aus dem Abstiegskampf.

Er brachte Disziplin und Glauben in die Mannschaft, was von seinen Spielern honoriert wurde. "Roy ist gekommen und hat einen wirklich guten Job gemacht. Er hat Erfahrung, Ruhe und wir kannten ihn bereits. Er hat uns die Überzeugung gegeben, an unsere Qualitäten zu glauben", meinte Jordan Ayew im Sommer gegenüber "BT Sport".

Wer nach negativen Aussagen von Spielern sucht, wird in den Weiten des Netzes kaum fündig.

Im Sommer hätte er nach seinem Interims-Engagement gehen sollen. "Ich erwartete, dass Parish (Palace-Vorstandsvorsitzender, Anm.) nach einer langfristigen Lösung suchen würde, die in eine völlig andere Richtung zielt. Das sagte ich ihm auch. Aber er erwiderte bald, dass er mich und meinen Staff für ein weiteres Jahr möchte. Auch die Spieler sprachen sich dafür aus. Das überzeugte mich am meisten", verriet Hodgson im Sommer der "NZZ".

Bei seinen Schützlingen gilt der 76-Jährige nach wie vor als beliebt. Einem Menschenfänger nachzufolgen, ist alles andere als einfach.

Contra #2: Glasner darf sich bei der englischen Presse keinen Ausrutscher leisten!

Der Oberösterreicher gilt zwar als umgänglich mit den Medien, leistete sich in seiner letzten Saison bei Frankfurt einen verbalen Ausrutscher. Er sorgte in Deutschland mit öffentlichen Äußerungen für Unruhe, sprach seinem Kader in Frankfurt Qualität ab und bezeichnete das taktische Verhalten mancher als "unterirdisch". Eine solche Umgangsweise kommt in England alles andere als gut an. Hodgson vermittelte hingegen Selbstvertrauen.

Glasner gilt als medial umgänglich. Ein Aussetzer, wie in Frankfrt einmal, könnte ihm auf der Insel Probleme bereiten
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Selbst wenn dies bei Glasner eine Ausnahme ist, ist klar: Ein derartiges Auftreten gegenüber der Presse macht kein gutes Bild. Sätze wie "Ich weiß nicht, wie man Qualität trainiert" sind gefundenes Fressen für die englische Boulevardpresse. Zudem attackierte er in jenem konkreten Fall die Presse ("Hört auf mit dem Müll").

Dafür erntete er Kritik aus den eigenen Reihen. "Was ich aber auf keinen Fall verstehen kann, ist, dass man quasi diese Enttäuschung an einem Journalisten auslässt, der dort seine Arbeit macht und seine Frage auf eine sehr ruhige Art und Weise stellt, ohne einen zynischen Unterton", rügte Frankfurts Vorstandssprecher Hellmann gegenüber der "Bild" den damaligen Trainer.

Mit dieser Art würde er drohen, schnell von der britischen Presse zerfressen zu werden - Kollege Erik Ten Hag lässt grüßen. Ein einzelner Aussetzer könnte ihm lange nachhängen.

Contra #3: Glasner passt nicht zum Spielstil!

Roy Hodgson agierte taktisch meist in einem defensiven Spielstil und lauerte auf Umschaltmomente. Für den Oberösterreicher bleiben zwei Möglichkeiten: Entweder versucht er, seinen offensiven Pressingansatz zu implementieren, was jedoch Zeit erfordert - und ob er das passende Spielermaterial vorfindet, ist zu hinterfragen.

Die Premier League steht für Zweikampfstärke, ein Glasner-Fußball ist auf der Insel nichts Besonderes und kann schnell durch höhere Qualität entzaubert werden. Zudem gilt er als taktisch im offensiven Bereich flexibel, im Abstiegskampf ist eher Stabilität gefragt. Die Topteams wie Manchester City und Arsenal agieren sehr spielstark, und dort gibt es Punkte oft nur mit einem parkenden Bus.

Als wahrscheinlicher gilt es, dass Glasner seinen Spielstil adaptiert und defensiver denkt. Das ist risikoreich. Zuletzt funktionierte die Hodgson-Defensive auch kaum mehr (15 Gegentore in den letzten vier Partien). Glasner ist kaum als Defensiv-Stabilisator bekannt. Das englische Oberhaus ist für ihn Neuland, und es braucht neue Ideen.

Klar ist: Die Anlaufzeit ist kurz. Glasner bekommt dieses Mal entgegen der Zeiten bei seinen vorigen Teams keine Vorbereitung, in der er taktische Inhalte vorbereiten könnte.

Contra #4: Glasner funktionierte nicht immer im Ligaalltag

Als wesentlichen Punkt möchte ich anführen, dass im Süden Londons die Liga täglich Brot ist. Aber: Hat Glasner dort immer konstant gute Leistungen gebracht? Herauszuheben ist der vierte Platz in seiner zweiten Wolfsburg-Saison.

In den anderen drei Jahren in der deutschen Bundesliga waren die Ergebnisse nicht immer berauschend, zwei Mal Platz sieben (2019/20 Wolfsburg; 2022/23 Eintracht Frankfurt) können als "okay" bezeichnet werden.

Wobei zu bedenken ist, dass er in seiner Wolfsburg-Premierensaison sechs Punkte weniger holte als in der Vorsaison (49:55). Gleiches gilt für die erste Frankfurt-Saison (42:60), wo er nur Elfter wurde. Es war die schlechteste Bundesliga-Saison der Eintracht in den vergangenen sechs Jahren. Allerdings legte er den Fokus auf die Europa League, die er am Ende gewann.

Im Süden Londons muss er in der Liga gleich funktionieren, es gibt keine Zeit. Verschlechtert sich die Punkteausbeute, geht es in Richtung Abstiegskampf. Es muss sofort funktionieren.

Contra #5: Für Glasner hätte ein größerer Klub herausschauen können!

Oliver Glasner qualifizierte sich mit Wolfsburg für die Champions League. Mit Frankfurt holte er die Europa League und kam bis ins Achtelfinale der "Königsklasse".

Glasner wurde mit Tottenham in Verbindung gebracht
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Das klingt nach einem Trainer, der zumindest bei einem Aspiranten für den Europacup anheuern könnte. Er wurde auch mit entsprechenden Größen in Verbindung gebracht. Der Oberösterreicher soll unter anderem bei Tottenham und Chelsea am Zettel gestanden sein.

Dagegen ist Crystal Palace ein kleiner Fisch. Der Mittelständler hat kaum Ambitionen in Richtung europäisches Geschäft, spielt eher gegen den Abstieg.

Vielleicht hat Glasner auch zu lange gezögert, um einen neuen Job zu übernehmen.

Contra #6: Glasner kann eigentlich nur enttäuschen!

Crystal Palace ist seit 2013 eine stabile Mittelfeld-Mannschaft. Auf die Europacup-Plätze fehlt Glasner im Kader deutlich die Qualität.

Eine stabile Platzierung wäre kein großer Ausreißer nach oben und würde nicht gewürdigt werden. Gerät er hingegen in den Abstiegskampf, würde er gleich als Versager abgestempelt werden. Ob die Geduld dann lange hält, ist zu hinterfragen, zumal Glasner eigentlich keine Erfahrung im Abstiegskampf mitbringt. Hodgson strich auch fünf Punkte über der Abstiegszone die Segel.

Glasner muss zudem ohne den Topstürmer der vergangenen Jahre, Wilfried Zaha, auskommen (wechselte im Sommer zu Galatasaray). Das Fehlen des Angreifers ist aktuell deutlich bemerkbar.

Dass er deutlich erfolgreicher als Hodgson wird, der den Klub zwischen 2017 und 2021 bereits erfolgreich betreute, ist unwahrscheinlich. Mit Crystal Palace könnte Glasner seinen guten Ruf ruinieren.

Co-Trainer bis EL-Sieger: Oliver Glasners Trainerstationen

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