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Liverpools PL-Krise: Erste Anzeichen für das Ende einer Ära?

Trotz des 7:1 über die Rangers in der Champions League: In der Premier League kämpft Liverpool mit dem schwierigen Saisonstart. Das sind die möglichen Ursachen.

Liverpools PL-Krise: Erste Anzeichen für das Ende einer Ära? Foto: © getty

Das Finale jedes einzelnen Bewerbs erreicht. In der Premier League bis zum letzten Spieltag mitten im Titelkampf. Letzten Endes die absolvierte Maximalzahl von 63 Pflichtspielen.

Mit einem Hauch mehr Durchhaltevermögen hätte die Saison 2021/22 zum riesigen Triumphzug des FC Liverpool werden können. Am Ende blieben "nur" FA Cup und League Cup.

Damit wurde die Spielzeit zum Sinnbild einer Ära des wiedererstarkten Kultklubs, die weniger Output lieferte, als definitiv möglich gewesen wäre. Eine Ära, die 2022/23 eine Verschnaufpause einlegen könnte. Über den schwierigen Saisonstart kann das furiose 7:1 über die Rangers in der Champions League nicht hinwegtäuschen.

Tabellenplatz 10 lässt die Augenbrauen nach oben schnellen. Vor dem Schlager gegen Manchester City (So., ab 17:30 Uhr im LIVE-Ticker>>>), der in der Momentaufnahme kein echter Schlager mehr ist, scheint die Partie für die Meisterfrage kaum mehr Relevanz mehr zu besitzen.

Liverpool sucht nach mehr als dem "Funken" - eine Formulierung von Didi Hamann, die Jürgen Klopp zuletzt zu einem Frontalangriff auf den Landsmann motivierte.

Aber wo liegt der Knackpunkt in Liverpools momentanem Abstieg? LAOLA1 hat mehrere Ansatzpunkte gefunden, über die es zu diskutieren gilt:

Hat sich Klopp "abgenützt"?

Das verflixte siebte Jahr: Jürgen Klopp hat es schon überstanden. 2022/23 markiert seine bereits achte Saison an der Anfield Road.

Damit ist der LFC auch jener Klub, bei dem der Deutsche bislang am längsten werkte. Sowohl in Mainz, als auch in Dortmund war nach diesen sieben Saisonen Schluss.

Eine statistische Auffälligkeit, die der 55-Jährige nicht nur aufgrund völlig anderer Umstände bei den anderen beiden Vereinen wegwischt. Mainz habe eine Veränderung gebraucht, in Dortmund wurde der permanente Umbau zuviel für Klopp.

In Liverpool habe er nach wie vor genug Motivation, auch wenn er nie dachte, mehr als sieben Jahre zu bleiben.

"Ich war einfach nur glücklich, die erste Pressekonferenz zu überleben, weil mein Englisch wirklich nicht gut war! Aber mit fehlender Energie hätte ich kein Problem", bekräftigte der Deutsche zuletzt.

Das Problem: Irgendwann nützt sich auch der beste Trainer ab. Klopp ist der längstdienende Coach der Premier League - und seit er das 4-3-3 bei Liverpool etabliert hat, sind die großen Systemrevolutionen ausgeblieben. Stärken und Schwächen sind den Gegnern wohlbekannt, unabhängig vom beteiligten Personal.

Das gab auch Real-Madrid-Trainer Carlo Ancelotti nach dem gewonnenen Champions-League-Finale im Frühjahr zu bedenken. Liverpool sei leichter zu durchschauen gewesen als andere Gegner. "Sie haben eine klare Identität. Wir wussten, welche Strategie es gebraucht hat: Ihnen einfach keinen Raum hinter der Defensive zu geben."

Das dichte Programm des Vorjahres tat sein übriges. Spiel folgte auf Spiel, auch die Sommerpause war ungewöhnlich kurz. Klopp fehlte also die Zeit, Alternativen überhaupt auszuprobieren.

Jede Phase der Dominanz endet, sobald ihr Erfolgsrezept entschlüsselt ist. Der Lieblingstrainer der Massen muss in näherer Zukunft wohl andere Herangehensweisen suchen.

Tief der Leistungsträger

Tief der Leistungsträger
Foto: © getty

Mohamed Salah, der größte Star der Premier League? Das war einmal. Und das ist nicht nur die Schuld von Erling Haaland.

Der Ägypter verpasst es genau wie große Teile der restlichen Mannschaft, an früher Gezeigtes anzuknüpfen. Scorerzahlen wie die acht Tore und vier Assists aus 13 Pflichtspielen sind dabei nur ein bedingtes Indiz, auch weil sie im Angesicht des Hattricks in Glasgow insgesamt ausbaufähig sind. Bei diesem Spiel war der Superstar zuerst gar nicht mehr erste Wahl, wurde vor seiner Sternstunde erst eingewechselt.

Salahs Rolle in der Spitze hat sich nach dem Weggang von Sturmpartner Sadio Mané auch leicht gewandelt, so ganz kommt er damit noch nicht zurecht.

Aber bei Salah fängt es nur an. Virgil van Dijk ist als defensive Galionsfigur nicht wiederzuerkennen, da hängen sich Trent Alexander-Arnold und Andy Robertson mit überschaubaren Leistungen gleich an.

Nachdem auch Alisson Becker noch kaum mit Unhaltbaren auffallen konnte, zieht sich ein klar erkennbares Formtief durch alle Mannschaftsteile.

Verletzungs-Misere verhindert Kontinuität

27 Spieler umfasst der Kader Liverpools. Gut die Hälfte davon war bzw. ist aktuell schon verletzt.

Bereits in der wichtigen Anfangsphase der Saison glich Anfield einem Lazarett. Ganze zehn Spieler fehlten, als es beim 1:2 bei Manchester United den ersten richtigen Nackenschlag der Saison gab.

Bereits zum Saisonstart war Klopp damit öfter zur Reaktion gezwungen, eine Stammelf kristallisierte sich nur langsam heraus. 

Aktuell sind die langzeitverletzten Alex Oxlaide-Chamberlain und Naby Keita wieder einmal zum Zuschauen verdammt. Beide konnten in ihrer bisherigen Liverpool-Zeit in keiner Saison mehr als die Hälfte der Premier-League-Partien bestreiten. Mit Curtis Jones fehlt auch noch ein dritter Mittelfeldspieler.

Damit nicht genug, fällt mit Luis Diaz jetzt auch noch ein Stürmer längerfristig aus. Joel Matip und Trent Alexander-Arnold sind ebenfalls angeschlagen, sollen innerhalb der nächsten zwei Wochen aber zurückkehren.

Mané konnte nicht ersetzt werden

Mané konnte nicht ersetzt werden
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Liverpool verstand es in den letzten Jahren, abhanden gekommene Qualität adäquat zu ersetzen. In der Regel wurden gar kontinuierliche Schritte vorwärts gemacht.

Die Sommer-Transferperiode 2022 markierte einen klaren Schnitt mit dieser Regel. Dreh- und Angelpunkt der Kritik ist dabei vor allem der Abgang von Sadio Mané Richtung Bayern München.

Während die Transferposse mit der Überzeugung des Senegalesen, eine neue Herausforderung annehmen zu wollen, für Liverpool kein gutes Ende nehmen konnte, blieb der designierte Nachfolger bis dato fast alles schuldig.

Darwin Nunez wurde für 75 Millionen Euro - mehr als das Doppelte der Einnahmen für Mané - von Benfica geholt. Die traurige Bilanz des Uruguayers nach drei Monaten: Knappe 470 Einsatzminuten in Premier League und Champions League mit schlappen drei Toren.

Überhaupt standen elf Abgängen nur sechs Neuzugänge gegenüber, ein auffällig niedriger Wert im Vergleich der letzten Jahre.

Die Fenway Sports Group bzw. Haupteigentümer John Henry scheinen langsam nicht mehr die gleiche Investment-Bereitschaft an den Tag zu legen, die beim Aufbau der erfolgreichen Liverpool-Ära da war. Eine Herangehensweise, die an der Spitze des Weltfußballs bald einen rasanten Abstieg einleiten kann.

Im Nachhinein könnte Henrys Erinnerung an die Fans im Zuge des Premier-League-Titels 2020, die Momentaufnahme des Erfolgs auszukosten, solange er anhält, auch als Warnung verstanden werden.

Der Kader wird alt

Der Kader wird alt
Milner ist satte 36 Jahre alt
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Eine logische Konsequenz der mangelnden Investitionsbereitschaft kündigt sich bereits schleichend an: Die Überalterung der Truppe.

In der Aufzählung der ältesten Startformationen, die in der laufenden Premier-League-Saison den Platz betraten, finden sich vier Aufstellungen Liverpools unter den ersten 15. Nur West Ham ist noch öfter vorzufinden.

Mit einem Durchschnitt von 29,4 Jahren war die Liverpool-Mannschaft, die am ersten Spieltag beim 2:2 gegen Fulham antrat, auch die mit Abstand älteste unter allen Teams der laufenden Saison.

Im Community Shield gegen Manchester City lag der Durchschnitt gar bei 29,8 - so alt war seit 1953 kein Liverpool-Team in einem Pflichtspiel mehr.

Das Mittelfeld: Üppig, aber fragil besetzt

Das Musterbeispiel dafür, dass eine fällige Verjüngungskur mit Maß und Ziel erfolgen muss, präsentiert sich im Mittelfeld, das mittelfristig zur größten Baustelle des FC Liverpool zu werden droht - und das, obwohl dieser Mannschaftsteil mit zehn Spielern kadertechnisch dicht besetzt ist.

Auf den ersten Blick wirkt die Altersaufteilung auch gut austariert. Das Problem: Bei Alex Oxlaide-Chamberlain (29) und Naby Keita (27) laufen Ende des Jahres die Verträge aus. Übrig blieben mit Ausnahme von Fabinho (28) nur mehr Spieler über 30 - und unter 22. Der Mittelbau dieser Altersstruktur bricht auf einmal weg.

Das ist auch akut durch die Verletzungen dieses Duos wieder bemerkbar. Nicht umsonst wurden im Sommer die Rufe nach Verstärkung mit einem Mittelfeld-Mann, der sofort helfen kann und noch ein paar Jahre im Köcher hat, laut. Und verhallten bei John Henry natürlich im Nichts.

Schon in der letzten Saison war Klopp öfter zu Adaptionen gezwungen, nirgends in der Liverpool-Mannschaft wird so oft umgebaut wie im Mittelfeld. Nicht jede Lösung funktioniert wie gewünscht - und übrig bleibt ein FC Liverpool, der die Gegner nicht mehr unbedingt ins Zittern bringt. Ob es sich dabei um eine Momentaufnahme handelt, wird sich in den nächsten Wochen weisen.

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