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Man City: Wer sind die wahren Garanten des Erfolgs?

Wie lässt sich messen, wer wie großen Anteil am Erfolg eines Teams hat? Pro-Lizenz-Trainer Tilo Morbitzer hat sich eine spannende Methode überlegt.

Man City: Wer sind die wahren Garanten des Erfolgs? Foto: © getty

Tilo Morbitzer (46) ist seit 2014 im Besitz der UEFA-Pro-Lizenz. Der Deutsche hat Sportwissenschaften studiert und lebt seit über einem Jahrzehnt in Österreich. Seit 2018 arbeitet Morbitzer in verschiedenen Funktionen beim FC Flyeralarm Admira, aktuell ist er Cheftrainer der U16. Zuvor war er nicht nur Scout des VfB Stuttgart, sondern unter anderem auch Individual-Trainer der Nachwuchsakademie des SK Rapid und Sportlicher Leiter des Wiener Fußball-Verbands.

Zuletzt hat sich Morbitzer für LAOLA1 mit den Mechanismen des Trainergeschäfts auseinandergesetzt. Hier Nachlesen >>>

Diesmal macht er sich darüber Gedanken, wie sich bemessen lässt, welcher Spieler wie viel zum Erfolg eines Teams beiträgt. Ein Gedankenspiel anhand des Beispiels Manchester City:


Es gibt wahrscheinlich keinen Zweifel, dass der Erfolg im Fußball unterm Strich lediglich an einer einzigen Statistik gemessen wird und das ist die, die jeder Beobachter, egal ob Experte oder Laie, nüchtern oder im Zweifel auch nicht ganz so nüchtern, am Ende eines Spiels lesen und verstehen kann. Und das ist und bleibt das Ergebnis.

Das gilt natürlich in erster Linie für den Erwachsenenfußball, in dem es um viel Geld und damit auch um den Erhalt der Arbeitsplätze geht. Im Nachwuchsfußball sind dagegen weitaus mehr Parameter, als das nackte Ergebnis, zu bewerten, um Erfolg oder Misserfolg zu ermitteln. Hier treffen akzelerierte und ebenso retardierte Spieler bzw. Spielerinnen aufeinander und damit sind die Aktionen individuell, gruppen- oder mannschaftstechnisch-taktisch viel differenzierter zu betrachten.

Doch bleiben wir beim Erwachsenenfußball, wo das Ergebnis die Hauptrolle spielt, um den Erfolg zu bemessen. Wer sind also die Erfolgsgaranten, die am Ende dafür sorgen, dass man mehr Tore erzielt und weniger bekommen hat als der Gegner? Sind es die Torjäger, wie Erling Haaland oder Robert Lewandowski, die die großen Mannschaften zu den begehrtesten Titeln führen oder sind es eher die Defensivkünstler, wie Dias oder Akanji, die am Ende die Meisterschaft oder den Cup-Sieg sichern?

Sind es wirklich die Torjäger?

Es gibt mittlerweile zahlreiche Anbieter und Dienstleister für Statistiken aller Art im Fußball. Es wird jede Aktion bis ins letzte Detail zerlegt und analysiert. Die Anzahl der Sprints bzw. hochintensiven Läufe, Gesamtlaufleistung, Passquote, gewonnene und verlorene Zweikämpfe in Offensive und Defensive, Torschüsse, Eckbälle, Kopfbälle, Ballbesitzquote oder das vor einigen Jahren hinzugekommene Packing, das die Anzahl der überspielten Gegner durch einen Pass erfasst, sind nur einige Beispiele.

Die Spieler werden somit sowohl individuell, als auch in der Mannschaftsleistung athletisch, technisch und taktisch durchleuchtet. Augenscheinlich sind für das Ergebnis die Spieler hauptverantwortlich, die die meisten Tore schießen. Aber sind es wirklich die Torjäger, die die größte Effektivität am Ergebnis aufweisen? Ist der letzte Kontakt in Form des erfolgreichen Abschlusses von Haaland so viel mehr wert, als der eroberte Ball im Zweikampf von Verteidiger Dias? Denn ohne die Balleroberung von Dias und dem ballsichernden Pass von Rodri und der Vorlage von Foden, hätte Haaland kein Tor erzielt.

Die Idee

Dieser Analyse, wie groß der Anteil eines Spielers am Ergebnis ist, wird nun also folgende Annahme zugrunde gelegt:

Der Anteil an einem erzielten Tor bzw. an einem Gegentor wird lediglich damit erfasst, ob der Spieler zum Zeitpunkt des Tores am Platz war oder nicht. Das heißt, die Tatsache, dass der Spieler zum Zeitpunkt des Tores im Spiel war, wird als Scorerpunkt bzw. Anteil am Gegentor gewertet, egal ob der Spieler das Tor selbst erzielt, vorbereitet oder den Ball erobert hat bzw. den entscheidenden Ballverlust beim Gegentor selbst verursacht hat oder nicht. Die Balleroberung von Dias oder der vorletzte Pass von Gündogan ist somit genauso viel wert, wie der letzte Kontakt von Haaland, der den Ball über die Linie bringt.

Über die Summe aller Spiele wird somit für jeden Spieler ein positiver und ein negativer Wert (Relation erzielte Tore bzw. Gegentore im Verhältnis zur individuellen Spielzeit) ermittelt. Mit diesen Werten lässt sich sowohl eine Aussage treffen, wer die Spieler sind, die bei den erzielten Toren bzw. Gegentoren die meiste Zeit auf dem Feld waren. Zieht man den negativen Wert der Gegentore vom positiven Wert der erzielten Tore ab, bekommt man den Gesamtwert, der die Spieler mit dem größten Anteil am Mannschaftserfolg ermittelt.

Die Chancengleichheit

Um die Chancengleichheit zu gewährleisten, muss diese Statistik in einem geschlossenen System erfasst werden, d.h. es werden die Spiele und Spieler einer Mannschaft in einer Saison bzw. eines Wettbewerbs erfasst.

Interessant ist der Karrierewert eines Spielers, wobei natürlich die Wahrscheinlichkeit, ein positives Ergebnis im Kader von Bayern München aufzuweisen, mit Sicherheit höher ist, als im Kader des VfB Stuttgart. Der Karrierewert für einen Spieler wäre dann so zu ermitteln, dass man den Durchschnitt der jeweiligen Mannschaft einer Saison berechnet, um dann zu sehen, ob der Spieler über oder unter der durchschnittlichen Mannschaftsleistung liegt. Über alle gespielten Saisonen des Spielers, ergibt sich ein aussagekräftiges Bild, ob der Spieler den Durchschnitt einer Mannschaft hebt oder senkt und somit die Mannschaft besser oder schlechter macht.

Selbstverständlich sind auch die statistischen Ausreißer zu kennzeichnen, denn wenn ein Spieler das Glück hatte, in einem Spiel für 30 Minuten eingewechselt zu werden, bei dem es schon 3:0 steht und ein vermeintlich geschlagener Gegner dann noch 3 Gegentore zulässt, ist der Wert nicht mit einem Saisonwert durch mehrere Spiele zu vergleichen. Dasselbe gilt natürlich auch bei einer derartigen Niederlage.

Für die erfolgreichste Mannschaft der letzten Saison, Manchester City, die nicht nur die Premier League, sondern auch die Champions League gewinnen konnte, lässt sich für die abgelaufene Premier League Saison folgende Bilanz erstellen:

Name (Einsatzminuten) OFF-Wert (Tore) DEF-Wert (Tore) Ergebnis-Wert
1. Dias (1996) 32,57 (65) 8,02 (16) 24,55
2. Grealish (2062) 30,55 (63) 8,24 (17) 22,31
3. Gündogan (2359) 30,1 (71) 8,48 (20) 21,62
4. Haaland (2777) 30,25 (84) 9,36 (26) 20,89
5. Foden (1842) 27,69 (51) 8,14 (15) 19,55
6. de Bruyne (2425) 28,45 (69) 9,07 (22) 19,38
7. Rodri (2920) 28,08 (82) 8,9 (26) 19,18
8. Stones (1848) 28,14 (52) 9,2 (17) 18,94
9. Ake (1876) 26,12 (49) 7,46 (17) 18,66
10. Ederson (3150) 28,25 (89) 10,16 (32) 18,09
11. Walker (1956) 27,61 (54) 10,22 (20) 17,39
12. Cancelo (1278) 28,95 (37) 11,74 (15) 17,21
13. Akanji (2283) 25,84 (59) 9,2 (21) 16,64
14. Silva (2202) 25,89 (57) 10,9 (24) 14,99
15. Ortega (270) 18,52 (5) 3,7 (1) 14,82
16. Alvarez (1452) 25,48 (37) 11,02 (16) 14,46
17. Mahrez (1924) 24,95 (48) 11,43 (22) 13,52
18. Lewis (902) 19,96 (18) 7,76 (7) 12,2
19. Laporte (993) 21,15 (21) 10,07 (10) 11,08
20. Palmer (358) 8,38 (3) 11,17 (4) -2,79
21. Gomez (340) 14,71 (5) 17,65 (6) -2,94
22. Philipps (290) 3,45 (1) 10,34 (3) -6,89
23. Charles (27) 0 37,04 (1) -37,04
24. Perrone (18) 0 55,55 (1) -55,55

Der Durchschnittswert der Mannschaft liegt bei 9,59, allerdings mit den beiden Spielern Charles und Perrone, die lediglich ein paar Minuten am Platz standen und das Pech hatten, dass in dieser Zeit ein Gegentor zustande kam. Deshalb ist der Durchschnitt ohne diese beiden aussagekräftiger und liegt bei 13,45.

Auffällig bei der Betrachtung der Ergebnisse ist, dass mit Ruben Dias ein Innenverteidiger nicht nur den besten Gesamtwert, sondern auch den besten Offensivwert hat. Er ist somit nicht nur ein Garant für wenig Gegentore, sondern auch ein Garant für erzielte Tore, wenn er auf dem Platz ist. Der Spieler, dem zweifelsohne die größte mediale Aufmerksamkeit zukam, Torjäger Erling Haaland, landet in dieser Statistik nur auf dem 4. Platz und Bernardo Silva, das Genie im offensiven Mittelfeld, sogar nur auf Platz 14 und das nur knapp über dem Durchschnittswert. Die beiden Stürmer Alvarez und Mahrez landen sogar nur auf den Plätzen 16 und 17.

Die beste Relation zwischen erzielten Toren und erhaltenen Toren im Verhältnis zur Spielzeit, ist demnach positionsunabhängig und es sind nicht unbedingt die Spieler, die die meiste mediale Wertschätzung aufgrund der erzielten Tore erhalten, die am Ende die größten Garanten des Erfolges sind.

Bei dieser Analyse der Premier League Saison von Manchester City ist zudem das Trainerverhalten von Pep Guardiola auffällig. Es ist klar zu erkennen, dass Guardiola sehr großes Vertrauen in seinen erarbeiteten Match Plan und die dafür gewählte Start-Elf hat. Es finden daher grundsätzlich eher wenig Auswechslungen statt und wenn, dann tendenziell spät. Im Falle einer Führung finden die Wechsel dann statt, wenn das Spiel vermeintlich zugunsten von Man City entschieden ist und auch bei Rückständen, egal ob mit einem oder mehr Toren Unterschied, bleibt Guardiola seiner Start-Elf treu und wechselt sehr selten frühzeitig einen oder mehrere Spieler aus. Und der Erfolg gibt ihm Recht!

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