"Natürlich ist das jetzt blöd mit dem Virus, aber das wird mich nicht stoppen!"
Lange musste Dario Maresic nach seinem Wechsel vom SK Sturm Graz zu Stade Reims auf sein Debüt in der Ligue 1 warten. Im letzten Spiel vor der Corona-Zwangspause war es dann endlich so weit.
Im LAOLA1-Interview verdeutlicht der Innenverteidiger, warum ihn die persönliche Durststrecke davor dennoch stärker gemacht hat und warum er sich trotz seiner 20 Jahre nicht mehr wie ein junger Spieler fühlt.
Außerdem erklärt er, was es in ihm auslöst, in einer Liga mit Kickern angekommen zu sein, mit denen er bisher bei FIFA gespielt hat.
LAOLA1: Wie ist die Situation angesichts der Corona-Krise bei dir und wie gehst du persönlich damit um?
Dario Maresic: Seit Freitag ist der Trainingsbetrieb abgesagt, wir sind alle daheim. Es sind schlimme, schlimme Tage.
LAOLA1: Bist du zurzeit wie viele Österreicher und Franzosen hauptsächlich zu Hause?
Maresic: Ich wäre gerne nach Österreich gefahren, aber das ist zu viel Risiko. Also bin ich daheim, mache ein bisschen etwas im Garten und laufe ums Haus herum. Ich schaue, dass ich mich fit halte. Auf sich aufpassen, gut ernähren, viel Tee trinken – wir sollten alle auf die vielen Kleinigkeiten achten, um gesund zu bleiben. Denn das ist echt nicht ohne.
"Das war sicher Neuland für mich, so ehrlich muss ich sein. Mein davor letztes Vereins-Match von Anfang an war tatsächlich jenes im Playoff um die Europa-League-Teilnahme gegen Rapid."
LAOLA1: Du hast im letzten Match vor der Corona-Zwangspause dein Debüt in der Ligue 1 gefeiert. Freilich gibt es Wichtigeres im Leben, aber zum besten Zeitpunkt kommt der Break für dich nicht, oder?
Maresic: Es ist schon ein bisschen bitter. Ich hätte auswärts gegen Olympique Lyon erneut gespielt und habe mich schon sehr darauf gefreut. Der erste Schock war schon, dass es ein Geisterspiel hätte werden sollen – normal kommen dort rund 50.000 Zuschauer, das wäre etwas Besonderes gewesen. Am Tag davor kam dann die Nachricht der Absage. Es waren gemischte Gefühle. Auf der einen Seite war ich traurig und enttäuscht, dass ich die Partie nicht spielen darf. Andererseits geht die Gesundheit natürlich vor.
LAOLA1: Warum hat es bis in den März gedauert, bis du deine ersten Minuten bekommen hast?
Maresic: Unsere Viererkette hat das in dieser Saison richtig gut gemacht. Wir haben in 28 Spielen bisher nur 21 Gegentore kassiert – die wenigsten der Liga. Es hat keine Sperren durch Gelbe oder Rote Karten gegeben, lange auch keine Verletzungen – Yunis Abdelhamid und Axel Disasi haben in der Innenverteidigung bis zu meinem Debüt keine einzige Minute verpasst. Dann ist es schwierig. Das war mit mir bei Sturm nicht anders – wenn eine Partie hinten gut eigespielt ist, nimmst du selten einen raus. Insofern habe ich unseren Trainer verstanden.
LAOLA1: Was die persönliche Situation nicht einfacher macht.
Maresic: Das war sicher Neuland für mich, so ehrlich muss ich sein. Mein davor letztes Vereins-Match von Anfang an war tatsächlich jenes im Playoff um die Europa-League-Teilnahme gegen Rapid. Zu Beginn der aktuellen Saison hatte ich einen Kurzeinsatz gegen den WAC. Ansonsten habe ich seither ausschließlich im U21-Nationalteam gespielt. Aber auch solch ein Neuland gehört zu einer jungen Karriere dazu. Ich habe halt geschaut, dass ich weiter von Tag zu Tag alles gebe, denn wenn ich mich niedermachen lasse, bringt das im Endeffekt gar nichts. Der Trainer hat das im Training gesehen. Als sich dann doch einmal jemand verletzt hat, hat er mir die Chance gegeben. Ich denke, dass ich sie genutzt habe.
"Für mich spielt das Alter keine Rolle, weil ich schon über 80 Pflichtspiele für Sturm absolviert habe. In diesem Sinn fühle ich mich nicht mehr wie ein junger Spieler. Ich bin keiner, der aus der zweiten Mannschaft hochgezogen wurde, sondern ich hatte schon Profispiele vor meinem Wechsel."
LAOLA1: Unterschreibst du folgenden Gedanken? Man vergisst leicht, dass du erst 20 Jahre alt bist, weil du schon viele Profispiele absolviert hast. Debütiert ein anderer Legionär mit 20, wird es oft als normal betrachtet, dass er bis zu diesem Alter braucht, um sich nach oben zu arbeiten.
Maresic: Sicher bin ich noch jung, das brauchen wir nicht zu diskutieren, aber ich will immer spielen! Für mich spielt das Alter keine Rolle, weil ich schon über 80 Pflichtspiele für Sturm absolviert habe. In diesem Sinn fühle ich mich nicht mehr wie ein junger Spieler. Ich bin keiner, der aus der zweiten Mannschaft hochgezogen wurde, sondern ich hatte schon Profispiele vor meinem Wechsel. Ich habe bei Sturm fast zwei Jahre durchgespielt. Deshalb bin ich vielleicht auch ein bisschen ungeduldiger als ein anderer in meinem Alter. Dennoch: Fast ein ganzes Jahr nicht zu spielen, war auch eine lehrreiche Erfahrung – einerseits mental, andererseits körperlich. Körperlich musste ich noch mehr machen, als wenn ich gespielt habe. Wenn du spielst, bist du in deinem Rhythmus drinnen. So musste ich 120 Prozent geben, um wirklich immer auf dem Toplevel zu sein. Sicher hätte ich mir gewünscht, dass ich früher mein Debüt gegeben hätte, aber wichtig ist, dass ich es gegeben habe (grinst). Natürlich ist das jetzt blöd mit dem Virus, aber das wird mich nicht stoppen! Wichtig war, dass ich dem Trainer gezeigt habe, dass ich mithalten kann. Jetzt geht es nur mehr bergauf!
LAOLA1: Ist dir von den Verantwortlichen von Stade Reims beim Wechsel schnellere und vor allem mehr Spielzeit in Aussicht gestellt worden?
Maresic: Nein, so etwas ist generell schwierig. Es geht nicht wirklich, dass der Sportdirektor oder der Trainer zu mir sagen: „Du machst so oder so viele Spiele.“ Sicher haben sie gesagt, dass ich meine Spiele in dieser Saison machen werde, aber dass es von August bis März auf meiner Position gar keine Verletzung und gar keine Sperre gibt, haben sie vermutlich auch nicht gedacht. Und die beiden anderen Innenverteidiger haben es eben wirklich super gemacht, und das freut mich auch für sie.
LAOLA1: Abseits vom Fußball: Du lebst erstmals im Ausland. Wie bringt einen das weiter?
Maresic: Am Anfang war es schon schwierig. Meine Familie und meine Freundin haben mich zwar oft besucht, aber größtenteils war ich trotzdem allein. Von zu Hause auszuziehen war etwas Neues für mich. Es war ungewohnt, dass ich niemanden persönlich zum Reden hatte. Vor allem in der Phase, in der ich eigentlich fast gar keine Rolle gespielt habe, hat es mir schon gefehlt, dass ich heimkomme und mit jemanden rede, damit ich auf andere Gedanken komme - es muss also gar nicht über Fußball sein. Aber: Auch das bringt einen irgendwann weiter. Mental hat es mir enorm geholfen, weil du einfach selber damit klarkommen musst! Du musst dir eben selbst sagen: Wurscht, das ist jetzt so passiert, morgen ist ein neuer Tag, da geht es weiter. Ich denke, das bringt mich nicht nur im Fußball, sondern für mein ganzes Leben weiter. Was das tägliche Leben angeht, ist es ziemlich ähnlich wie in Österreich. Die Sprache ist nicht einfach zu lernen, aber ich habe jede Woche meine Stunden. Und Fußballerisch ist es von der Qualität her sicher eine andere Kategorie, keine Frage.
"Wenn Neymar an dir vorbeiläuft, kneifst du dich halt schon zwei, drei Mal und denkst dir: Ist der jetzt wirklich da? Ist das real? Das sind Spieler, mit denen ich bisher bei FIFA gespielt habe. Inzwischen denke ich mir: Da wollte ich hin und da muss ich hin! Das ist das Ziel!"
LAOLA1: Woran merkt man das am meisten?
Maresic: Eigentlich an den Kleinigkeiten. Das Tempo ist viel höher, die Physis ist enorm – darauf wird in der französischen Liga viel Wert gelegt. Es geht 90 Minuten hin und her. Wenn du kurz einmal nicht aufpasst, passiert in Österreich beim einen oder anderen Spiel vielleicht nichts. Hier steht der Gegner dann zu 99 Prozent alleine vor dem Tor oder spielt den entscheidenden Pass. Das sind Details, die im Fußball ganz, ganz viel ausmachen.
LAOLA1: Aktuell ist Stade Reims Fünfter. Darf man von Euphorie sprechen?
Maresic: Es ist zwar ein Traditionsverein, der jedoch erst vor zwei Jahren wieder in die Ligue 1 aufgestiegen ist. Der achte Platz letzte Saison war auch schon gut, aber diese Saison läuft es richtig super für uns. Gegen einige größere Mannschaften haben wir uns richtig gut verkauft. Die Euphorie ist sehr groß, es ist generell ein sehr familiärer Verein. Es ist richtig geil und fühlt sich echt gut an in der Mannschaft.
LAOLA1: Im Herbst habt ihr beispielsweise auswärts bei PSG gewonnen. Sind solche Matches, in denen ein Superstar wie Neymar auf dem Platz steht, auch von außen etwas Spezielles?
Maresic: Wenn Neymar an dir vorbeiläuft, kneifst du dich halt schon zwei, drei Mal und denkst dir: Ist der jetzt wirklich da? Ist das real? Das sind Spieler, mit denen ich bisher bei FIFA gespielt habe. Inzwischen denke ich mir: Da wollte ich hin und da muss ich hin! Das ist das Ziel! Ich war in Paris leider nur auf der Bank und war sogar ein bisschen angefressen, als ich Neymar am Platz gesehen habe. Ich habe mir nur gedacht: Ich will gegen DEN spielen, ich will gegen den Zweikämpfe führen! Der Reiz ist unglaublich, wenn du solche Spieler siehst. Das gilt aber auch für andere Spieler, wo du dir denkst: Bist deppert, jetzt bin ich wirklich in dieser Liga angekommen. Aber: Der nächste Step ist jetzt wirklich, dass ich gegen diese Spieler spiele, mithalte und gegen sie ankämpfe, und nicht von der Bank aus zuschaue.
LAOLA1: Das sollte gelingen, schließlich läuft dein Vertrag bis 2024 – es ist also ein längerfristig angelegtes Projekt, oder?
Maresic: Mein absolutes Ziel ist es, bis zum Sommer noch Spiele zu bekommen – zumindest sofern gespielt werden kann, und dann ab Sommer zu versuchen, mich wirklich in die Startelf zu spielen.
LAOLA1: Wie intensiv ist eigentlich noch der Kontakt zum SK Sturm?
Maresic: Es gibt noch sehr viel Kontakt – zum Spendi, zum Hussi, zu Ljubic, zu Schützenauer. Ach, wenn ich jetzt alle aufzähle, werde ich nicht fertig (lacht). Wir hören uns bestimmt jeden zweiten Tag. Diese Spieler haben mich quasi als Kind aufgenommen und mich in den ersten Schritten meiner Profikarriere begleitet, das werde ich nie vergessen. Sie waren für mich da, haben mir geholfen – ohne sie wäre es nicht gegangen. Die Saison mit Cupsieg und Vizemeistertitel war etwas Besonderes. Das geht nur, wenn alle gut miteinander sind – und das waren wir damals.
LAOLA1: Du hast nach dem Cupsieg mehr oder weniger überraschend noch einmal bei Sturm verlängert und bist erst ein Jahr später gewechselt. Freut es dich auch, dass Sturm eine Ablöse für dich kassiert hat?
Maresic: Definitiv. Das war auch ein Mitgrund dafür, dass Sturm eine Ablöse für mich bekommt. Außerdem glaube ich, dass es damals der richtige Schritt war, noch einmal ein Jahr zu bleiben.