"Er hat eine neue Taktik erfunden – die Chloroform-Taktik. Es ist unmöglich, sich ihre Spiele anzusehen. Die Fans sterben vor Langeweile", lamentierte Pierre Menes, der Experte von Canal+ noch im Februar.
Leonardo Jardim kann heute über die Worte nur lachen.
Sein AS Monaco ist in diesem Herbst das spektakulärste Team Europas. Unglaubliche 53 Treffer haben die Monegassen in 17 Meisterschaftsspielen erzielt. Das ergibt im Durchschnitt 3,1 Tore pro Spiel in Frankreichs Ligue 1.
Es ist die dritte Saison, die der siebenfache französische Meister unter dem Portugiesen bestreitet. Als der 42-Jährige im Sommer 2014 Claudio Ranieri ersetzte, war es eine Zeit des Umbruchs für den Klub aus dem Fürstentum.
Am Anfang war der Sparkurs
Der russische Geldgeber Dimitri Rybolovlev, der nach seiner Ankunft im Dezember 2011 noch viel lieber geklotzt als gekleckert hatte, hielt plötzlich die Hand auf seine Geldbörse und wollte fortan finanziell wesentlich kleiner Brötchen gebacken wissen. James Rodriguez wurde nach einer recht anständigen WM in Brasilien an Real Madrid verkauft, Falcao an Manchester United verliehen.
Jardim setzte auf Zweckfußball. In erster Linie musste die Null stehen, wenn dann auch noch der eine oder andere Konter erfolgreich abgeschlossen wurde, war alles gut. Im Sommer darauf wurde eine weitere Riege an Leistungsträgern abgegeben - die Verkäufe Anthony Martial (ManUtd), Geoffrey Kondogbia (Inter), Lavin Kurzawa (PSG), Yannick Carrasco (Atletico) und Aymen Abdennour (Valencia) spülten zwar über 100 Millionen Euro in die Kassa, bedeuteten aber gleichzeitig einen sportlichen Aderlass sondergleichen.
Doch Monaco hatte Jardim bewusst geholt. Der Portugiese hatte schon bei Braga, Olympiakos und Sporting bewiesen, dass er mit einem begrenzten Budget gut arbeiten kann. Wie auch schon in seiner Premieren-Saison führte der 42-Jährige Monaco auf den dritten Platz. Doch die Kritiker konnten sich mit dem vorsichtigen Spielstil, den der Trainer praktizieren ließ, einfach nicht anfreunden.
Plötzlich explodiert
Nach 51 geschossenen Toren 2014/15 und 57 Treffern 2015/16 war nicht abzusehen, was in diesem Herbst passiert ist. ASM ist explodiert, liefert ein Tor-Festival nach dem anderen ab und versetzt Fußball-Freunde am ganzen Kontinent in Verzückung.
Doch wie machen sie das, die Monegassen?
Eines der Erfolgsgeheimnisse ist, dass sie keinen Goalgetter haben, der die Ligue 1 im Alleingang zerschießt, sondern jede Menge Kicker, die immer für einen Treffer gut sind. 13 verschiedene Spieler haben sich in den ersten 17 Runden schon in die Torschützenliste eingetragen, nicht weniger als 18 Kicker konnten Scorerpunkte sammeln.
Spieler | Tore |
---|---|
Falcao | 10 |
Guido Carrillo | 7 |
Thomas Lemar | 6 |
Valere Germain | 5 |
Fabinho | 5 |
Gabriel Boschilia | 4 |
Kamil Glik | 3 |
Kylian Mbappe | 3 |
Bernardo Silva | 2 |
Djibril Sidibe | 2 |
Adama Traore | 2 |
Jemerson | 1 |
Joao Moutinho | 1 |
Wobei ein echter Goalgetter eigentlich im Kader steht - Radamel Falcao. Der Kolumbianer hat zwei Jahre zum Vergessen in der Premier League hinter sich. Lediglich fünf Tore hat er in den insgesamt 41 Pflichtspielen für Manchester United und Chelsea erzielt. Der einstige Porto- und Atletico-Star war nur noch ein Schatten seiner selbst.
"Dass er nicht spielte, lag nicht an seiner Qualität, weil er immer noch einer der besten Stürmer ist", sagt Jardim und spielt auf die Kreuzbandverletzung Falcaos Anfang 2014 an, von der sich "El Tigre" nie so richtig erholt hat. Mittlerweile hat Falcao seinen Torriecher wiedergefunden, wie fünf Tore in den vergangenen beiden Liga-Spielen eindrucksvoll beweisen.
Falcaos Gala beim 4:0 gegen Bordeaux:
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Für Monaco läuft es übrigens nicht nur in der Liga, wo der Klub Zweiter ist (Tabelle), auch in der Champions League hat der Klub als Gruppensieger vor Leverkusen, Tottenham und CSKA Moskau souverän den Aufstieg geschafft. Jardim setzt auf das Rotationsprinzip, hat in der Meisterschaft schon 24 verschiedene Kicker eingesetzt - ein weiterer Schlüssel zum Erfolg.
Und dann wäre da noch der Hunger, den diese junge Mannschaft hat. Mit dem Linksaußen Thomas Lemar (21 Jahre), Flügelspieler Gabriel Boschilia (20), Kylian Mbappe (17), den sie in Frankreich schon als neuen Thierry Henry handeln, dem überaus kreativen Bernardo Silva (22), Defensiv-Talent Tiemoue Bakayoko (22), Linksverteidiger Bejamin Mendy (22) und Schaltzentrale Fabinho (23) sind jede Menge Jungspunde am Werk, die ihre beste Zeit noch vor sich haben.
Routinierte Kräfte
Hinzu kommen eine Handvoll routinierter Kräfte, die die jungen Wilden hervorragend führen können. Neben Falcao seien Goalie Danijel Subasic (32) und der polnische Innenverteidiger Kamil Glik (28) ebenso erwähnt wie Stürmer Valere Germain, der seine Leihe in Nizza in der Vorsaison genutzt hat, um den späten Durchbruch in Frankreich zu schaffen.
Jardim weiß seine Gegner zudem immer wieder zu überraschen. Meistens lässt er Monaco im 4-2-2-2 mit sehr offensiven Außenverteidigern, tiefstehenden Sechsern und inversen Flügeln spielen, doch wenn es sein muss, packt er dann auch mal ein 4-3-3 oder ein 4-4-1-1 aus.
Dass seine Truppe dann auch noch aus Standards brandgefährlich ist und zwölf Mal nach ruhenden Bällen getroffen hat, erschwert die Arbeit der gegnerischen Defensiven zusätzlich.
Aus dem Chloroform-Fußball ist ein Koffein-Kick geworden. Die Torfabrik AS Monaco produziert auf Hochtouren.
Die Highlights der spektakulärsten Monaco-Auftritte in dieser Saison:
Metz-Monaco 0:7
Monaco-Nancy 6:0
Monaco-Montpellier 6:2
Monaco-Bastia 5:0