Der Glanz ist ein wenig verblasst in den vergangenen Jahren.
War Inter im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends mit – teils nachträglich zuerkannten – fünf Meistertiteln noch das Maß der Dinge in der Serie A, mussten die Mailänder zuletzt zusehen wie andere Klubs sie überholten.
In den vergangenen acht Saisonen reichte es nur zu den Endplatzierungen Sechs, Neun, Fünf, Acht, Vier, Sieben, Vier und Vier. Lediglich zwei Mal durften sich die „Nerazzurri“ in der Champions League präsentieren.
Seit dem Abgang von Jose Mourinho 2010, der Inter zum Triumph in der Königsklasse führte, gaben sich die Trainer die Türklinke in die Hand: Rafa Benitez, Leonardo, Gian Piero Gasperini, Claudio Ranieri, Andrea Stramaccioni, Walter Mazzarri, Roberto Mancini, Frank de Boer, Stafano Vecchi, Stefano Pioli und Luciano Spalletti saßen hauptverantwortlich auf der Bank.
Die Abos sind schon ausverkauft
Doch nun ist wieder Euphorie ausgebrochen im schwarz-blauen Teil der Mode-Metropole. Rund zwei Monate vor dem Saisonstart sind die aufgelegten Abos bereits ausverkauft, erstmals in der Klub-Geschichte wurde sogar eine Warteliste für die Dauerkarten für die Saison 2020/21 eingerichtet.
Zwei Namen sind der Grund für die gestiegene Erwartungshaltung der Tifosi: Beppe Marotta und Antonio Conte.
Ersterer ist seit vergangenen November im Amt und hat den Titel „Chief Executive Officer Sport“. Der 62-Jährige ist ein alter Hase im italienischen Fußball, hat sich bei Venezia und Atalanta seine ersten Sporen als Sportchef verdient und bei Sampdoria seine Meisterprüfung abgelegt, indem er den Underdog aus Genua in die Champions League geführt hat.
Ab 2010 arbeitete Marotta dann bei Juventus und formte die „alte Dame“ zum Nonplusultra der Serie A inklusive jährlichen Meisterfeiern und Finaleinzügen in der Königsklasse. Im vergangenen Herbst überwarf sich der Sportchef dann mit der Turiner Klubspitze, wollte einen anderen sportlichen Weg einschlagen als jenen mit Cristiano Ronaldo. Inter schlug zu.
Seit wenigen Wochen unterstützt mit Gabriele Oriali eine Klub-Legende Marotta. „Lele“ war als Spieler und Funktionär bereits 28 Jahre lang für den Verein tätig und wird künftig als Technischer Manager der Profis fungieren.
Ein Trainer mit dem Sieger-Gen
Auf der Trainerbank sitzt ab sofort Antonio Conte. Der 49-Jährige hat sich nach seinem Aus bei Chelsea, das ihm einen Meister- und einen FA-Cup-Titel verdankt, zuletzt ein Jahr Auszeit gegönnt, dabei unter anderem Real Madrid abgesagt.
In Turin hat Conte bereits unter Marotta gearbeitet und Juve zu drei Meisterschaften in Folge geführt, ehe er italienischer Teamchef wurde. In Italien steht Conte für den unbändigen Willen, erfolgreich zu sein. „Der Unterschied zwischen einem Sieg und einer Niederlage ist für mich derselbe wie zwischen Leben und Tod“, hat er einmal gesagt.
Es ist kein Zufall, dass der Coach seine Tochter Vittoria, italienisch für Sieg, getauft hat. „Wenn ich in den Krieg ziehen müsste, würde ich Antonio Conte mitnehmen“, hat Arturo Vidal einst über ihn geschrieben.
Der Mann aus Lecce kann eine Mannschaft emotional mitnehmen, sie zu einer Einheit formen indem er sie auf – gerne auch mal fiktive – Feinde einschwört. Andrea Pirlo schreibt in seiner Autobiografie von vollen Wasserflaschen, die der emotionale Coach bei Halbzeitansprachen gerne mal durch die Kabine geschossen hat. „Er hat sich in ein Tier verwandelt“, so die Beschreibung des Weltmeisters.
Die neue Klasse-Abwehr
In Mailand wird Conte wieder auf sein bewährtes 3-5-2 setzen. Einen neuen Abwehrchef hat er zu diesem Zweck schon bekommen – Diego Godin wurde ablösefrei von Atletico Madrid verpflichtet. Der 33-Jährige ist immer noch einer der besten Verteidiger der Welt und gilt gemeinhin als Mentalitätsmonster.
Gemeinsam mit Milan Skriniar, der durch seine konstant starken Leistungen in den vergangenen Saisonen zahlreiche Top-Klubs auf den Plan gerufen hat, und Stefan de Vrij wird Godin eine hochkarätige Defensive bilden.
"Wenn dich so ein Weltklasse-Trainer haben will, dann musst du nicht zweimal überlegen, das ist ein Segen für mich"
Auf der rechten Außenbahn ist Valentino Lazaro eingeplant. Der ÖFB-Teamspieler passt von seiner Spielweise perfekt ins Contes Konzept. „Wenn dich so ein Weltklasse-Trainer haben will, dann musst du nicht zweimal überlegen, das ist ein Segen für mich“, sagt Lazaro in der „Krone“.
Nun wird noch die Offensive verstärkt. Edin Dzeko und Romelu Lukaku sind die Wunschspieler der Mailänder, die mit Radja Nainggolan, Antonio Candreva und Mauro Icardi weitere Hochkaräter im Kader haben. Auch Frankfurts Ante Rebic wurde zuletzt mit einem Wechsel zu den „Nerazzurri“ in Verbindung gebracht.
Die neuen Bosse
Ein wenig ruhiger geworden ist es zuletzt im Umfeld des 18-fachen Meisters. Nachdem Langzeit-Präsident Massimo Moratti 2013 den Großteil des Klubs an ein indonesisches Konsortium rund um Erick Thohir verkauft hatte, bekam Inter rasch Probleme mit dem Financial Fair Play der UEFA. Seit Sommer 2016 ist der Verein in chinesischer Hand.
Die Suning Holdings Group hat Zhang Kangyang als Präsident eingesetzt und schon etliche Millionen in den Verein gesteckt. Der Wille, den Klub zurück an die Spitze der Serie A zu führen, ist ungebrochen groß.
Um Juventus dauerhaft Paroli bieten zu können, soll auch ein neues Stadion her. Ein solches Unterfangen gestaltet sich in Italien aber immer als äußerst schwierig. Mittlerweile haben sich Inter und Stadtrivale AC Milan dazu entschlossen, weiterhin gemeinsame Sache zu machen.
Unweit des Giuseppe Meazza bzw. San Siro soll eine neue, moderne Arena entstehen. 700 Millionen Euro wollen die Klubs investieren. Der Plan besagt, dass bereits 2022 eröffnet werden soll. Doch die Stadt Mailand sieht das ein wenig anders. Erst nach den Olympischen Winterspielen 2026 soll das San Siro abgerissen werden, verkündete Bürgermeister Beppe Sala unlängst.