Es war sein bisher letzter, großer Clou. Vor fünf Jahren, in der Saison 2011/12, versetzte Zdenek Zeman Fußball-Italien noch einmal in Erstaunen.
Der für sein Offensiv-Harakiri berühmte Trainer bewies noch einmal, dass er es immer noch draufhat. Mit Pescara eroberte er die Herzen der Tifosi und stürmte in die Serie A. 90 Tore geschossen, 55 kassiert, im Schnitt 3,5 Tore pro Partie, das hatte die Serie B noch nicht erlebt.
Es war ein ganz junges Trio, dem der Spielstil Zemans wie auf den Leib geschneidert war: Marco Verratti, Lorenzo Insigne und Ciro Immobile.
Taktgeber, Flügelflitzer, Goalgetter
Verratti als Taktgeber im Mittelfeld-Zentrum des 4-3-3-Systems, Insigne als unwiderstehlicher Flügelflitzer und Immobile als Fokuspunkt an vorderster Front – gegen diese drei Talente war für die Konkurrenz kein Kraut gewachsen.
Am Ende der Saison wurde Immobile Torschützenkönig (28 Tore) und bester Scorer (34 Punkte), Insignes 16 Tore und 14 Assists reichten zu Platz sechs in der Schützen- und Platz zwei in der Scorerliste.
Inzwischen ist das Trio erwachsen geworden, hat insgesamt 52 Länderspiele für Italien bestritten, gleichzeitig aber auch turbulente Zeiten erlebt.
"Wir verdanken Zeman fast alles"
Nur ein einziges Mal sind sie seit der legendären Pescara-Saison 2011/12 gemeinsam in einem Pflichtspiel auf dem Feld gestanden – bei Italiens 4:0 in der EM-Quali in Liechtenstein Mitte November 2016.
An die gemeinsame Zeit unter Zeman denken sie aber immer noch gerne zurück. „Er hat uns so viel beigebracht, wir werden nie vergessen, was er für uns getan hat. Ciro, Marco und ich verdanken ihm fast alles“, sagte Insigne einmal über den Trainer.
Zeman selbst nannte seine drei Schützlinge immer „Ló (Insigne), Marcolino (Verratti) und Ciruzzo (Immobile)“. „Das sind nicht nur gute Fußballer, sondern auch gute Jungs“, sagte er einmal über sie.
„Insigne ist einer der besten Spieler, die ich jemals hatte, wenn es um Eins-gegen-Eins-Situationen und darum, Platz zum Schießen zu finden, geht. Immobile ist selbstlos, er gibt auf dem Feld alles und kämpft ohne Angst. Über Verratti muss man gar nicht viel sagen: Er kann Fußball spielen, so einfach ist das“, beschreibt Zeman das Trio.
Getrennte Wege
Im Sommer 2012 trennten sich die Wege der Protagonisten dieser Geschichte.
Zeman konnte der Versuchung nicht widerstehen, seinen Ex-Klub AS Roma nach dem missglückten Experiment mit Luis Enrique zurück zu alter Stärke zu führen. Er sollte scheitern und nach acht Monaten schon wieder auf Jobsuche sein.
Immobile war von Pescara nur ausgeliehen, Juventus und Genoa hielten jeweils die Hälfte der Transferrechte an ihm, er wurde nach Genua beordert und spielte dort eine recht ordentlich, aber alles andere als außergewöhnliche Saison.
Insigne war ebenfalls nur eine Leihgabe, nämlich von Napoli. Zurück in seiner Heimat sollte der Offensivspieler niemand geringeren als den an PSG verkauften Ezequiel Lavezzi ersetzen, was ihm mit fünf Toren und sieben Assists zumindest zum Teil gelang.
Verratti kehrte indes Italien den Rücken, ohne jemals ein Serie-A-Spiel bestritten zu haben – daran hat sich bisher auch nichts geändert. Der Teenager wurde von Pescara für zwölf Millionen Euro an Paris St. Germain verkauft.
Ein Schnäppchen für die Franzosen, die im selben Sommer auch Thiago Silva (42 Mio./Milan), Zlatan Ibrahimovic (21 Mio./Milan) und Lavezzi (29 Mio./Napoli) aus Italien holten. Obwohl er vergleichsweise ein Nobody war, hatte der Mittelfeldspieler über weite Strecken der Saison ein Stammleiberl unter Coach Carlo Ancelotti.
Unter diversen anderen PSG-Trainern hat sich daran nichts geändert. Verratti ist zum umsichtigen, ballsicheren Mittelfeld-Taktgeber gereift, hat fast 200 Pflichtspiele für die Franzosen bestritten und mit ihnen 13 nationale Titel geholt. Einzig eine Verletzungsmisere in der Vorsaison hat den mittlerweile 24-Jährige ein wenig zurückgeworfen und die Teilnahme an der EURO 2016 gekostet.
Nichtsdestoweniger ist der in Pescara geborene Kicker auf dem besten Weg das zu werden, was ihm bereits vor fünf Jahren nachgesagt wurde – der neue Pirlo. Kein Wunder, dass in jeder Transferzeit Gerüchte die Runde machen, Juventus wolle ihn unbedingt verpflichten. Auch der FC Bayern wurde zuletzt mit ihm in Verbindung gebracht.
Von einer solchen Stabilität ist Immobile meilenweit entfernt. Im Sommer 2013 verpflichtete ihn der FC Torino und der Angreifer explodierte. Gemeinsam mit seinem Sturmpartner Alessio Cerci führte er den Abstiegskandidaten unter der Anleitung des nunmehrigen Teamchefs Giampiero Ventura in den Europacup. Mit 22 Treffern setzte sich Immobile die Torjägerkrone auf.
Grund genug für Borussia Dortmund, um 18,5 Millionen Euro in die Dienste des Goalgetters zu investieren. Im Nachhinein schlecht angelegtes Geld, der Italiener kam in Deutschland nie so richtig an und suchte nach zehn Toren in 34 Pflichtspielen ein Jahr später wieder das Weite. Sevilla nahm sich seiner leihweise an, hatte nach einem halben Jahr aber auch schon wieder genug.
Nach seiner Rückkehr zu Torino kam der nun 26-Jährige langsam wieder in Fahrt. Lazio sicherte sich die Rechte am Blondschopf, der in Rom zu neuem Leben erwacht ist und plötzlich wieder regelmäßig trifft.
Insigne unterdessen hatte in Napoli lange Zeit nie ganz den Stellenwert, den er sich in seinen Kindheitstagen als Fan seines Klubs erträumt hat. Immer wieder raunzte der Linksaußen, von den Tifosi nicht genug geliebt zu werden.
2014/15 war dann eine Saison zum Vergessen, ein Kreuzbandriss kostete dem Süditaliener einige Monate. Mit der Ankunft von Maurizio Sarri, der in seiner Offensiv-Idee Zeman ähnlich ist, wenngleich er diese nicht so radikal umsetzen lässt, hat sich für Insigne viel geändert.
Vor allem im Herbst blühte der heute 25-Jährige richtig auf, am Ende der Saison standen zwölf Tore und zehn Assists zu Buche. Als Belohnung durfte er sein Comeback im Nationalteam feiern und bekam bei der EURO 2016 auch einige Einsatzminuten. In der laufenden Saison ist er abermals unumstrittener Leistungsträger.
Mittlerweile ist das Trio also wieder geschlossen in der Spur und hat noch viele gute Jahre im Profi-Fußball vor sich.
Und Zeman? Der 69-Jährige ist wieder zurück bei Pescara. Der Klub liegt mit nur neun Punkten am Tabellenende der Serie A und ist praktisch schon fix abgestiegen. In der kommenden Saison soll der gebürtige Tscheche dann in der Serie B erneut für Furore sorgen. Und vielleicht rückt er ja auch die nächsten Verrattis, Immobiles und Insignes ins Rampenlicht.