Markus Pink hat einige turbulente Monate hinter sich.
Bei Austria Klagenfurt entwickelte sich der Kärntner zu einem der erfolgreichsten Torjäger Österreichs. Nach 12 Treffern aus den ersten 16 Ligaspielen im Herbst war das nächste Ziel klar definiert: Eine neue Herausforderung sollte her, einmal noch den Sprung ins Ausland wagen lautete die Devise.
Doch das Winter-Transferfenster verlief für Pink nicht nach Wunsch. Einem kolportierten Wechsel nach Italien zu Serie-B-Klub Reggina schob Klagenfurt den Riegel vor, der Goalgetter sollte doch noch bis zu seinem Vertragsende im Sommer am Wörthersee bleiben.
Ende März flatterte schließlich ein Angebot aus China ins Büro des damaligen Austria-Geschäftsführers Matthias Imhof. Plötzlich ging alles sehr schnell, der Bundesligist einigte sich mit Spitzenklub Shanghai Port auf eine Ablösesumme und erteilte dem Spieler die Wechselfreigabe.
Etwas verspätet ging Pinks Traum vom Auslandswechsel also doch in Erfüllung. Er unterschrieb einen Einjahres-Vertrag mit Option auf ein weiteres und übersiedelte auf den Spuren von Marko Arnautovic in das "Reich der Mitte". Seither geht es für den 32-Jährigen primär darum, sich an sein neues Umfeld zu gewöhnen.
Bei LAOLA1 erzählt er von seinen ersten Eindrücken in der chinesischen Metropole und den glücklichen Zufällen des Lebens.
Ein Kärntner in der Millionenstadt
Mit über 25 Millionen Einwohnern zählt die Metropolregion Shanghai zu den größten Ballungszentren der Welt. Für einen Kärntner aus der 100.000-Einwohner-Stadt Klagenfurt mag diese Umstellung fürs Erste etwas überfordernd wirken.
"Die ersten zwei Monate waren schon schwierig, weil einfach alles komplett anders ist. Shanghai ist riesig, es ist ein völlig anderes Leben", gibt Pink zu. Nicht nur die Stadt, sondern auch der Umgang mit dem Fußballsport unterscheidet sich in vielen Bereichen von den in Europa gepflegten Prinzipien. So wird zumeist erst abends trainiert, was auch auf das subtropische Klima zurückzuführen ist:
"Ich musste mich an die neuen Abläufe gewöhnen, das Training und auch das Programm und die Vorbereitung am Spieltag selbst. Aber ich fühle mich sehr wohl, auch wenn alles seine Zeit braucht", erklärt der Stürmer.
Das Wetter bezeichnet er als "sehr heiß und trocken", womit man vor allem beim Ausüben eines Ausdauersports vor eine zusätzliche Herausforderung gestellt wird. "Dabei soll es in den nächsten Wochen erst so richtig heiß werden", blickt Pink etwas besorgt auf die kommenden Spiele. Die Ligasaison wird im Unterschied zu Europa im Jahreszyklus gespielt, wodurch es im Sommer keine wirklichen Pausen gibt.
Auch deshalb durften sich die Spieler vor der buchstäblich "heißen" Saisonphase eine Woche Urlaub nehmen, den Pink für einen Heimflug nach Österreich nutzte. In der Heimat konnte der Familienvater neue Kraft tanken, die Zeit mit seinen Kindern genießen und sich nun wieder auf die bevorstehenden Aufgaben fokussieren.
Kulturelle Hürde wurde schnell überwunden
Nicht nur aufgrund des Klimas, sondern vielmehr auch der kulturellen und sozialen Unterschiede, taucht Pink in China in eine völlig andere Welt ein. So musste er sich beim Kennenlernen mit der Mannschaft den kritischen Blicken seiner neuen Teamkollegen stellen.
"Es ist völlig anders, als ich es in Österreich gekannt hatte. Die Chinesen warten schon sehr lange, checken dich quasi ab, bis sie ein Urteil über dich fällen", erzählt Pink. Relativ schnell konnte der sympathische Kärntner aber bei seinen Mitspielern punkten. "Alle sind sehr entspannt und höflich und ich habe schon das Gefühl, dass ich bald akzeptiert worden bin und mittlerweile gut aufgenommen wurde."
Den Schlüssel dazu fasst der Kärntner gut zusammen: "Man muss einfach offen sein. Dann ergibt sich der Rest."
Mit dem österreichisch-iranischen Doppelstaatsbürger Jan Mohebbi fand Pink zudem schnell eine Bezugsperson, mit der er sich in seiner Muttersprache verständigen kann. Der 31-Jährige ist schon länger Teil des Trainerstabs von Chefcoach Javier Pereira und arbeitet sowohl als Videoanalyst als auch als Co-Trainer eng mit der Mannschaft zusammen.
Er ist es auch gewesen, der Pereira bei der Stürmersuche auf den zu diesem Zeitpunkt besten Torschützen der österreichischen Bundesliga aufmerksam machte, wie Pink verrät. Neben dem Österreicher hatte sich die Scoutingabteilung noch mit einigen anderen Spielern aus diversen europäischen Ligen beschäftigt. "Dann gab es ein Auswahlverfahren und sie haben sich schließlich für mich entschieden."
"Bin jetzt nicht als Tourist unterwegs"
Dank dieser Entscheidung lebt Pink nun also in der chinesischen Großstadt. Wie die meisten seiner Teamkollegen wohnt er in einem Viertel in der Nähe des Trainingszentrums, etwa 15 Minuten Autofahrt vom Vereinsgelände entfernt.
Selber fahren darf der Österreicher allerdings nicht, da der österreichische Führerschein in China nicht anerkannt wird. Pink ist dadurch auf fremde Hilfe angewiesen: "Jeder der Legionäre bekommt einen eigenen Fahrer, der einem zum Training und zu den Spielen abholt und den ich auch privat kontaktieren kann. Das passt mir aber ganz gut bei dem Verkehr", scherzt Pink.
In seiner Freizeit ist er daher gerne zu Fuß in der Umgebung unterwegs, gibt aber auch zu: "Generell mach ich jetzt nicht so viel. Also ich bin jetzt nicht wirklich als Tourist unterwegs. Und dadurch, dass ich vormittags meistens keine Verpflichtungen habe, schlafe ich eben öfters etwas aus."
Wie bei seinen Mitspielern wurde Pink auch von den Fans herzlich empfangen. Die Menschen in China nimmt er sehr positiv wahr:
"Alle sind sehr bodenständig und hilfsbereit, auch weil sie merken, dass ich aus einem anderen Land komme. Doch wenn man das Gefühl vermittelt, sich hier langfristig durchsetzen zu wollen, wird einem schon sehr geholfen."
Der neue "chinesische Weg"
Aus sportlicher Sicht ist Pink vom chinesischen Fußball und dem allgemeinen Interesse am Sport sehr angetan:
"Ich bin positiv überrascht. Man bekommt das in Österreich ja nicht so mit. Es wird ein wenig wie eine Show aufgezogen, aber die Fans sind wirklich sehr laut und machen gute Stimmung. Zu den Heimspielen kommen meistens 15.000 bis 20.000 Zuschauer ins Stadion. Bei meinem ersten Auswärtsspiel waren es sogar 40.000."
Zu diesen geht es im Normalfall nur mit dem Flugzeug, was für Pink auch eine neue Erfahrung ist. Während des Interviews befindet er sich gerade auf dem Weg zum Flughafen - ein wichtiges Cupspiel im 1.500 Kilometer entfernten Guangzhou steht an. Für Pink sollte es ein erfolgreiches Wochenende werden, er erzielt beim 3:1-Sieg sein zweites Pflichtspieltor für seinen neuen Klub.
Dabei arbeitet der 32-Jährige weiterhin hart daran, sich an den Fußball in China zu gewöhnen. Die Spielweise unterscheidet sich nämlich enorm von den gewohnten Ausprägungen in der heimischen Bundesliga:
"Das kann man eigentlich gar nicht vergleichen. Es gibt zwei oder drei Topmannschaften, der Rest stellt sich eigentlich hinten hinein und spielt auf Konter. Die Gegner spielen zumeist einen sehr intensiven und robusten Fußball, auch weil die Schiedsrichter viel durchgehen lassen. Also es ist ein ganz anderer Fußball, der nicht leicht zu spielen ist und das Niveau ist schon sehr gut", schildert der Stürmer.
Unterstützung erhält Pink in seiner Mannschaft vom vermutlich besten Spieler der Liga, dem Brasilianer Oscar. Seit 2017 verzaubert der mittlerweile 31-Jährige bereits die chinesischen Fans mit seinen Toren, Dribblings und Assists. Bis heute ist es vielen Menschen ein Rätsel, wieso der damalige Chelsea-Star seine Karriere in Asien fortsetzen wollte. Das Fußballspielen hat er laut Pink aber noch immer nicht verlernt:
"Man merkt schon, dass er ein herausragender Fußballer ist. Er verliert keine Bälle, bringt fast jeden Pass an, die Standards kommen unglaublich - es ist schon etwas Geiles, mit so einem Spieler zusammenspielen", schwärmt er.
Pink ist neben Oscar, einem zweiten Brasilianer names Paulinho, dem Argentinier Matias Vargas und Issa Kallon aus Sierra Leone einer von fünf Legionären bei Shanghai Port. Die Sonderregelung der Chinese Super League, wonach nur drei Ausländer gleichzeitig pro Team am Platz stehen dürfen, wurde mittlerweile abgeschafft, weswegen grundsätzlich jeder Kaderspieler zu jedem Zeitpunkt einsatzberechtigt wäre.
Ein Blick auf die Saisonstatistiken der Shanghai-Port-Spieler zeigt jedoch, dass der Legionärsstatus keineswegs eine Garantie für einen Stammplatz ist. In China wird in den letzten Jahren intensiv auf die eigene Jugend gesetzt, von dem aggressiven Transfermarktverhalten, mit dem noch vor nicht allzu langer Zeit unzählige Talente aus Europa und Südamerika abgeworben wurden, ist mittlerweile nicht mehr viel zu sehen.
Zudem kehrte mit Lei Wu der aktuell wohl beste chinesische Fußballer letztes Jahr in seine Heimat zurück und beansprucht einen Platz in der Startformation für sich. Auch Pink ist von diesem Trend betroffen und muss sich in seinen ersten Monaten durchbeißen.
Spieler | Nationalität | Alter | Liga-Spiele | Scorerpunkte | Startelfquote |
---|---|---|---|---|---|
Markus Pink | Österreich | 32 | 10 | 2 | 50% |
Oscar | Brasilien | 31 | 12 | 10 | 100% |
Paulinho | Brasilien | 28 | 12 | 4 | 67% |
Matias Vargas | Argentinien | 26 | 10 | 1 | 40% |
Issa Kallon | Sierra Leone | 27 | 10 | 2 | 70% |
Pink will sich keinen Stress machen
Shanghai Port ist mit großen Ambitionen in die Saison gestartet. Nach 12 Spielen lachen die "Roten Adler" von der Tabellenspitze, der erste Titel seit 2018 soll her. Auf persönlicher Ebene läuft es für Pink bislang noch nicht so rund. Seit seinem Premierentreffer im zweiten Spiel tut er sich schwer, sich in der Startelf festzusetzen. Zehn Mal lief der 32-Jährige bisher für Shanghai auf, nur fünfmal davon von Beginn an.
Den Platz auf der Bank kennt Pink praktisch gar nicht mehr: "Natürlich hätte ich es mir etwas anders vorgestellt. Ich habe in den letzten Jahren eigentlich immer 90 Minuten durchgespielt, das ist jetzt schon etwas anderes. Aber die Trainer sprechen mir Mut zu, ich bekomme auch trotzdem immer meine Minuten. Das braucht einfach seine Zeit."
Der 32-Jährige hat in seiner Karriere schon viel erlebt, ist durch viele Höhen und Tiefen gegangen und kann die Situation daher gut einschätzen: "Ich werde mir deswegen keinen Stress machen. Es hilft nichts, jetzt schon den Kopf hängen zu lassen. Außerdem möchte ich auch das ganze Rundherum positiv mitnehmen."
Und genau das ist ein gutes Stichwort. Das China-Abenteuer ist für Pink genau jenes - ein Abenteuer. Es sind Erfahrungen, die ihm niemand mehr nehmen kann und für das restliche Leben prägen werden, wie er erkärt: "Ich glaube, diese Eindrücke sind wichtig für alles Weitere, was noch kommt. Ich will die Zeit einfach so positiv wie möglich gestalten."
Ein österreichisches Wirtshaus in Shanghai
Und so ganz alleine wird Pink dann auch wieder nicht gelassen. Denn zu den vielen internationalen Einwanderern, die sich in der Großstadt niedergelassen haben, zählen auch einige Österreicher.
So traf Pink auf einen Gastwirt, der vor über 20 Jahren nach China auswanderte und ein typisch österreichisches Lokal mit traditioneller Hausmannskost in der Metropole eröffnete. Für den Klagenfurter diente diese Bekanntschaft als große Erleichterung, sich zu Beginn an das neue Leben zu gewöhnen.
Doch wie erfuhr er überhaupt von dem Restaurant?
"Über Umwege und einen glücklichen Zufall. Ich flog damals mit den Austrian Airlines nach China und kam irgendwie mit den Piloten ins Gespräch. Die übernachten normalerweise eine Nacht in Shanghai und gehen dann dorthin essen."
Wie sich herausstellte, liegt das Lokal sogar in Gehnähe zu Pinks Wohnung. So kann er ohne Probleme - und ohne seinen Chauffeur - regelmäßig typisch österreichisch essen gehen. "Und dann ist der Wirt auch noch ein Kärntner", lacht der gebürtige Klagenfurter.
Sich mit Österreichern und anderen deutschsprachigen Personen unterhalten zu können, bedeutet ihm viel. Denn so aufregend und schön die Zeit in China auch ist - an Österreich kommt das neue Zuhause nicht heran:
"Ich bin als Mensch immer offen für alles, aber zwischendurch einmal etwas Heimat tut schon gut", legt sich Pink abschließend fest.