Im Fußball gibt es Karrieren, die einzigartig sind, weil gewisse Spieler zu den besten aller Zeiten gehören. Es gibt jene Karrieren, die einzigartig sind, weil nur für einen Klub gespielt wurde. Und es gibt jene, die einzigartig sind, weil sie seit über vier Dekaden andauern.
An dieser Stelle möge der ewige Fußball-König Japans in Erscheinung treten: Kazuyoshi Miura.
Geboren am 26. Februar 1967 in Shizuoka, denkt der Mittelstürmer im Alter von 57 Jahren weiterhin nicht an das Karriereende. Im Gegenteil: Sein aktueller Vertrag bei Yokohama FC (dem Lokalrivalen der Nissan-Werksmannschaft Yokohama F. Marinos) ist bis zum 31. Januar 2026 datiert, also einen knappen Monat vor seinem 59. Geburtstag.
Als Weltenbummler hat die japanische Legende alles erlebt, was es im Fußball zu erleben gibt, und Erfolge gefeiert, an die sich heutzutage wohl kaum einer mehr erinnert. Insgesamt hatte der Angreifer das Logo von 16 (!) unterschiedlichen Teams auf der Brust. Mehrmals mit dabei: Sein um zwei Jahre älterer Bruder Yasutoshi.
Die einzigartige Karriere des "King Kazu" ist tatsächlich so lang, dass im Zuge der Recherche klar wurde, dass nur ein einziger Redakteur bei LAOLA1 vor dem ersten Transfer des Japaners auf die Welt gekommen ist.
1982: Aller Anfang in Brasilien
Es ist der 1. Dezember 1982: Miura verlässt im zarten Alter von 15 Jahren in seiner Heimat die Shizuoka Gakuen High School und wechselt in die Jugend des Klubs Clube Atlético Juventus (heute 2. Liga in der Staatsmeisterschaft von São Paulo). Der Gang nach Brasilien zahlt sich auf Anhieb aus.
In der Saison 1982/83 ist er Teil der Elf, die den Campeonato Brasileiro Série B (2. brasilianische Liga) gewinnt. Miura weiß mit seinem Talent zu überzeugen, wechselt zum Jahresanbruch 1986 zum FC Santos und wird Nachfolger seines um zwei Jahre älteren Bruders Yasutoshi, den es zurück in die Heimat zu Yomiuri FC zieht.
"King Kazu" lernt das Leihgeschäft frühzeitig kennen: Kaum dockt er bei Santos an, läuft der damals 19-Jährige zügig für Palmeiras und Matsubara (Gewinn Torneio Brasil Sul 1986) auf. Ein Jahr später erfolgen Leihen zu Clube de Regatas Brasil (Gewinn Campeonato Alagoano 1987) und Esporte Clube XV de Novembro. Bei Coritibia (Gewinn Campeonato Paranaense 1989) und mit dem Comeback bei Santos endet nach 93 Ligaspielen und zehn Toren im Februar 1990 seine Zeit in Brasilien.
Die frühen 1990er: Die "Goldenen Jahre" in der Heimat
Es ist Februar 1990: Miura schließt sich dem Top-Klub Yomiuri FC (Namenswechsel 1992 zu Verdy Kawasaki und 2001 zu Tokyo Verdy 1969) an und spielt bis zum Jahreswechsel 1992 an der Seite seines Bruders Yasutoshi, der zu Shimizu S-Pulse (heute 2. Liga) transferiert.
Die Rückkehr nach Hause geht für den "King" zur Gänze auf, es folgt die Blütezeit des Mittelstürmers: In der Saison 1990/91 sowie 1991/92 gewinnt der Klub im Zuge der "Goldenen Ära" die letzten beiden Auflagen der "Japan Football League", die anschließend mit der Liganeugründung zur Ganzjahresmeisterschaft und 1993 sowie 1994 durch das Gründungsmitglied Verdy Kawasaki gewonnen wird.
Die Erfolge setzten sich auch in den Landespokalen fort: Von 1992 bis 1994 gewinnen die "Grünen" den neuen Ligapokal, 1994 und 1995 den Superpokal und 1996 den Emporer's Cup.
Auf individueller Ebene wird Miura 1992 Asiens "Fußballer des Jahres" und im Nationaldress "MVP" (dt. "wertvollster Spieler") des AFC Asian Cups. In der japanischen Liga erhält er "erst" 1993 diese Ehrung.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Die 15 größten Stadien Asiens
Im selben Jahr sowie 1995 und 1996 gibt es den Einzug in die "beste Elf" der Liga, wobei er 1996 zum dritten Mal zum Liga-Torschützenkönig avanciert. In den Jahren 1992 und 1993 erfolgt die Wahl zum "Fußballer des Jahres" in Japan.
Die Erfolge für die "Samurai Blue"
Im Nationalteam ist der beidfüßige Angreifer brillant. Mit 23 Jahren und sieben Monaten beruft ihn Cheftrainer Kenzo Yokoyama bereits 1990 ins Nationalteam ein, das erste Spiel erfolgt am 26. September im Zuge der "Asian Games" beim 3:0-Sieg gegen Bangladesch.
Bis zum Ende in Diensten der Nationalmannschaft im Jahr 2000 läuft Miura für die "Samurai Blue" 89-mal auf und erzielt 55 Tore. Mehr Treffer erzielte nur der mittlerweile 80-jährige Kunishige Kamamoto (Klublegende von Yanmar Diesel/Cerezo Osaka), der in 76 Länderspielen 75 Tore anschreibt.
1993 erfolgt schließlich der private Höhepunkt: Miura und das ehemalige Model Risako Shitara geben sich das "Ja"-Wort und werden im Laufe ihrer Ehe durch die Geburt des Schauspielers Ryota und des MMA-Kämpfers Kota zweifache Eltern.
1994: Zwischenstation in Europa
Miura spielt sich mit seinen Leistungen auf das Radar des Serie-A-Klubs Genua CFC. Das Leihgeschäft geht im Juli 1994 über die Bühne und hält für eine Saison an. Der damals 27-Jährige wird zum ersten Ostasiaten überhaupt, der im italienischen Oberhaus aufläuft.
Nach 21 Ligaeinsätzen und einem Treffer gegen Erzrivale Sampdoria ist in der Mittelmeernation Schluss: Miura kehrt zu seinem Stammverein, Verdy Kawasaki, zurück und verbleibt dort bis Ende des Jahrtausends.
Ende 90er-Jahre: Die zweite Verdy-Ära
Von 1995 bis 1998 streift sich Miura erneut das Trikot von Verdy Kawasaki über und steht ab 1996 zusammen mit Bruder Yasutoshi, der im defensiven Mittelfeld zu Hause ist, auf dem Spielfeld.
Doch der Lauf beim erfolgreichsten Klub der japanischen Fußball-Geschichte (mit 25 Titeln ist der Verein des nunmehrigen Cheftrainers Hiroshi Jofuku nationaler Rekordhalter) geht nur temporär weiter.
Weil der Boom der Liga stagniert und auch die Wirtschaft Japans abschwächt, stehen streng genommen bereits ab der Saison 1996 düstere Zeiten ins Haus. Der Verein hat Schwierigkeiten, seine Starspieler zu halten, weshalb der Erfolg ausbleibt. Der Klub erlebt im Bestreben, "Japans Team" zu werden, schließlich einen Tiefpunkt und wechselt 2001 die Stadt (von Kawasaki nach Chofu). Es folgt die Umbenennung zu Tokyo Verdy 1969 und der Beginn einer neuen Zeitrechnung, allerdings ohne die Miura-Brüder.
Während Yasuthoshi vor dem Millenniumswechsel zu Avispa Fukuoka übersiedelt und 2002 schließlich seine Karriere bei Vissel Kobe (beide heute 1. Liga) beendet, verlässt Kazuyoshi im Januar 1999 Japan erneut.
Vissel Kobe: Ein letzter Spieler-Tanz mit Yasutoshi
Es ist die zweite Station im Mittelmeer-Raum, dieses Mal aber beim kroatischen Top-Klub Dinamo Zagreb. Zwar reicht es nur für zwölf Einsätze, dafür aber zur Meisterschaft. Miura packt mitsamt seinem einzigen Europa-Titel nach sechs Monaten seine Koffer und unterschreibt in der Heimat bei Kyoto Sanga (heute 1. Liga).
Zum Jahreswechsel 2002 sind die Miura-Brüder ein letztes Mal als Spieler vereint: Während Kazuyoshi seit Januar 2001 bei Vissel Kobe spielt, folgt Yasutoshi nach und beendet als dreifacher Nationalspieler am 1. Dezember 2002 offiziell die Karriere. Im Februar 2004 kehrt der mittlerweile 59-Jährige zum Verein zurück, um für 14 Monate als Sportdirektor zu fungieren und 2005 für zwei Monate als Co-Trainer an der Seitenlinie zu stehen.
Kazuyoshi wechselt im Juli 2005 zu Yokohama FC, seinem heutigen Stammverein, und wird von Oktober bis Dezember für eine Kurzleihe nach Sydney transferiert. Die "Skyblues" avancieren zum Meister und "King Kazu" gewinnt auch auf seinem vierten Kontinent (Südamerika, Asien, Europa und Australien) einen Titel.
16 Jahre: Die Yokohama-Ära
Mit der Rückkehr zu Yokohama FC am 31. Dezember 2005 bleibt Miura bis zum Leihtransfer zu seinem heutigen Klub Atletico Suzuka (damals noch Suzuka Point Getters) am 01. Februar 2022 insgesamt 5876 Tage (16 Jahre und einen Monat) am Stück in der Stadt der Fahrzeughersteller Nissan und Isuzu zu Hause.
Den größten Teil der Zeit verbringt Yokohama FC allerdings in der zweiten Liga. Zwar steigt man 2006 als J2-Meister auf, steigt aber vor Rekordkulisse nach nur einer Saison ebenso schnell wieder ab. Bis Ende 2019 spielt der Verein in der Zweitklassigkeit, wobei man als Vizemeister erneut aufsteigt und Ende 2021 als 20. der J1-Liga wieder absteigt.
Trotz des Engagements in der zweiten Liga gehen die Ehrungen für Miura weiter. Anlässlich der FIFA Klub-WM 2011 wird er für seine Verdienste zum Turnier-Markenbotschafter ernannt. Im Jahr 2013 wird dem Mittelstürmer die vorletzte Ehrung als Spieler zuteil: Miura wird in das "20th Anniversary Team" der japanischen Liga gewählt. Zehn Jahre später erfolgt die bis dato letzte Auszeichnung, die Einberufung in das "30th Anniversary Team."
Insgesamt läuft er 298-mal für Yokohama FC, und damit so oft wie für keinen anderen Verein, auf und erzielt 30 Scorer-Punkte. Miura avancierte im Dress der "Fullie" am 12. März 2017 im Alter von 50 Jahren und 14 Tagen zum "ältesten Spieler der Welt", der ein Tor in einem professionellen Fußballspiel erzielt hat.
Atletico Suzuka: Das letzte Kapitel?
Für "King Kazu" ist das Ende weiterhin nicht in Sicht: Im spätesten Spätherbst seiner Karriere wechselt der Mittelstürmer kurz vor seinem 55. Geburtstag im Februar 2022 zu den Suzuka Point Getters und verbleibt dort ein Jahr. Am letzten Januartag 2023 geht es zum dritten und letzten Mal nach Europa, es steht bis zum Juni 2024 das Engagement beim portugiesischen Zweitligisten UD Oliveirense (heute 2. Liga) auf dem Programm.
Seit dem Juli diesen Jahres ist er für den Atletico Suzuka Club (am 10. Januar 2024 erfolgte das Rebranding nach der Übernahme durch den Gummi- und Kunststoffproduzenten Kyodo Rubber Co., Ltd.) in der 4. japanischen Liga aktiv und zeigt sich trotz seines Alters in Bestform. Bislang war er in elf von 14 Spielen aktiv und brachte es auf insgesamt 336 Minuten. Bruder Yasutoshi trainierte das Team vom Juli 2021 bis zum Februar 2024.
Das Leihgeschäft in Suzuka ist bis zum 31. Januar 2026 datiert, das Karriereende könnte dann im Alter von 58 Jahren erfolgen. Allerdings stellte Kazuyoshi bei der vergangenen Präsentation im Dress der "Racers" (der Spitzname ist eine Anlehnung an den zehn Autominuten entfernten Suzuka International Racing Course) klar, dass das vorzeitige Ende "keine Option" für ihn sei, er wolle "so viele Minuten wie möglich spielen."
Immerhin: Die Statistik hält bei 1050+ Pflichtspielen, was aktuell Rang 29 in der ewigen Bestenlisten der Rekordeinsätze bringt. Rang eins hält der legendäre englische Torhüter Peter Shilton mit 1396.
Am Ende einer bislang unvergleichbaren Karriere bleibt nur mehr eines zu sagen: Lang lebe der König!