Seit Sommer 2018 steht Martin Fraisl beim FC Botosani in Rumänien unter Vertrag.
Es ist das erste Ausland-Engagement für den Tormann, dessen Karriere bisher untypisch verlief.
„Ich war nicht mit sieben oder acht Jahren in irgendeiner Akademie, sondern war eigentlich für den Skisport prädestiniert. Ich habe dort mein Glück versucht, doch der Fußball war meine große Leidenschaft. Ich habe dann mit dem Skifahren aufgehört und alles in den Fußball investiert. Stückweise habe ich mich über die Amateur-Ligen nach oben gekämpft. Es waren harte Zeiten, weil mir nichts in die Wiege gelegt wurde“, berichtet der 25-Jährige.
"In Rumänien wird der Fußball leidenschaftlich gelebt"
Nach Stationen beim Wiener Sport-Club, Wiener Neustadt und FAC will er nun in Rumänien durchstarten.
„Die Zeit war bisher sehr lehrreich und in einigen Bereichen sehr intensiv. Das betrifft die Fußball-Kultur, die Mentalität und das Leben in Rumänien“, gesteht Fraisl.
Doch wie wurde der rumänische Erstligist überhaupt auf den Keeper aufmerksam? „Indem man als Tormann beim FAC als Torschütze in Erscheinung tritt“, erklärt er und führt fort:
„In Rumänien wird der Fußball irrsinnig leidenschaftlich gelebt. Das heißt, wenn irgendetwas sehr kurioses passiert – sei es in Europa oder in Übersee - dann wird sehr intensiv darüber berichtet. Nach meinem Treffer zum 3:3 gegen Kapfenberg ist diese Geschichte durch die Medien gegeistert. Danach hat der Tormann-Trainer von Botosani mich gescoutet, da ich ihm bereits davor in einem Testspiel gegen Levski Sofia aufgefallen bin. Der Verein hat dann einen rumänischen Manager mit österreichischen Wurzeln beauftragt, mich zu kontaktieren.“
Trainer kannte Spieler nicht
Gleich in seiner ersten Woche hat der Niederösterreicher miterlebt, dass in Rumänien die Uhren anders ticken.
„Ich hab am Montag vor der ersten Meisterschaftsrunde unterschrieben und war für den Auftakt am Freitag auswärts gegen Meister Cluj als Nummer eins eingeplant. Ich habe die ganze Woche auch im taktischen Bereich als Nummer eins gearbeitet, am Donnerstag hatten wir Abschluss-Training, am Nachmittag war der Flug vorgesehen. Doch beim Training ist der Trainer zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass wir ein Problem haben und ich nicht mitfliegen könne, da der österreichische Verband die Freigabe nicht geschafft hat. So war es dann auch, ich blieb da. Doch das beste: 40 Minuten vor Anpfiff wäre die Spielgenehmigung da gewesen.“
Dies sollte nicht die einzige kuriose Anekdote seines bisherigen Aufenthalts bleiben. „Ich habe mich im Training zurückgekämpft und bin schlussendlich tatsächlich die Nummer eins geworden. Doch nach meinem Debüt in der 15. Runde beim 1:1 gegen Hermannstadt ist der Trainer entlassen worden. Der neue Coach hat keinen einzigen Spieler gekannt und hat deswegen jene Leute spielen lassen, die bisher die meisten Einsätze hatten.“
Mittlerweile hat der ehemalige Wiener-Neustadt-Tormann aber den Nummer-eins-Spot inne und auch sein rumänisch wird von Tag zu Tag besser:
„Ich höre immer wieder Komplimente. Ich habe mich extrem reingetigert und viel gelernt. Ich wollte ein Zeichen setzen und mich für die Kultur interessieren. Ich verstehe recht viel und kann mir im Kino schon Filme ansehen.“
Spieler aus elf Nationen
In der Kabine wird neben rumänisch aber auch englisch gesprochen. Kein Wunder, stehen doch gleich Spieler aus elf verschiedenen Nationen im Kader.
„Alle Legionäre können grundsätzlich recht souverän englisch. Von den Rumänen kann rund ein Drittel gutes Englisch. Der Trainer ist Rumäne, hält die Ansprache auf Rumänisch. Dies wird synchron von einem Co-Trainer übersetzt“, skizziert Fraisl, der nach wie vor in einem Hotel nicht unweit vom Stadion wohnt.
„Sieben, acht Spieler vom Verein sind dort untergebracht. Essen gibt’s im Restaurant, das übernimmt auch der Verein. Die Stadt ist okay. Sie ist sauber und man kann sich in der Innenstadt gemütlich bewegen. Auf’s Land fahre ich jedoch nicht, denn dort ist es wirklich schiach.“
Auch wenn der rumänische Fußball für viele neutrale Beobachter keinen hohen Stellenwert genießt, scheut der Torhüter den Vergleich mit der österreichischen Bundesliga nicht.
„Der Spielstill in Rumänien ist anders. Es wird ein bisschen englischer gespielt. Es ist rauer, intensiver und laufintensiver. Dafür ist das technische Niveau etwas darunter. Der große Unterschied liegt in den Trainern. In Österreicher haben wir wirklich gute Leute. Das ist in Rumänien nicht der Fall. Hier wird eher „Old-School-mäßig“ gearbeitet. Doch da in Rumänien wesentlich bessere Gehälter bezahlt werden, sind viele Ausländer da, die auch besser sind, als jene in Österreich. Und da es keine Ausländer-Regelung gibt, spielen teilweise 14, 15 Ausländer in einem Verein. Sie heben das Niveau deutlich.“
Von Kellner "abserviert"
Botosani hinkt den Erwartungen jedoch bisher hinterher. „Der Verein ist mit großen Ambitionen gestartet. Das Ziel war ins obere Playoff zu kommen und um die Europacupplätze zu kämpfen. Da fehlen uns fünf Punkte.“
Sind die Ziele angesichts des Umbruchs im Sommer mit 17 Abgängen zu hoch und unrealistisch angesiedelt?
„Ob realistisch oder nicht, fragt in Rumänien niemand. In Rumänien ist nichts realistisch. Da wird Fußball Tag für Tag gelebt. Da fragt niemand, was gestern oder vorgestern war. Die Ansprüche sind da. Der Verein hat viel investiert, viel Geld ausgegeben. Den Verantwortlichen ist egal, wieviele Spieler ausgetauscht wurden. Du hast zu funktionieren. Gelingt das nicht, wird es ungemütlich. Doch umgekehrt, ist es hier sehr gemütlich.“
Fraisl hat das am eigenen Leib erfahren: „Nach einem 1:0 gegen Sepsi ist viel über mich berichtet worden, weil ich zum Spieler des Spiels gewählt wurde. Zwei Tage später bin ich Essen gegangen, als ich bezahlen wollte, ist mir gesagt worden, dass ich nichts zahlen muss. Doch es gibt auch die umgekehrte Version: Ein paar Wochen zuvor haben wir daheim mit 0:2 gegen einen kleinen Gegner verloren. Nach dem Match sind wir ins Restaurant gegangen. Jeder hat sich etwas bestellt, doch der Kellner hat uns nur Reis mit Hühnerfleisch serviert, mit der Begründung, dass wir nach unserer Leistung nicht mehr verdient hätten.“