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"Da muss man sich die Ohren zuhalten"

Marko Kvasina über seine Zeit bei Twente, Fan-Massen, Arnautovic und Fink.

Foto: © GEPA

Es war doch einigermaßen überraschend, als Marko Kvasina im Sommer für vier Jahre bei Twente Enschede unterschrieb.

Denn obwohl der mittlerweile 20-Jährige im Alter von 17 Jahren sein Bundesliga-Debüt für die Wiener Austria gab, war es zuletzt ruhig um ihn geworden. Unter Thorsten Fink als FAK-Coach hatte der Offensivspieler einen schweren Stand – Einsätze waren rar gesät, lediglich vier Mal stand er in zwei Jahren in der Startelf.

„Ich bin Thorsten Fink dankbar, dass er mir diese Lektion erteilt hat“, sagt der Wiener. In den Niederlanden lief es zu Beginn der Saison dann richtig gut – in drei der ersten vier Partien durfte der 1,94-Meter-Hüne von Anfang an ran.

Doch der Saisonstart ging schief, Twente kämpft in der Eredivisie gegen den Abstieg und hat mittlerweile Trainer Rene Hake durch Gertjan Verbeek ersetzt.

Im LAOLA1-Interview spricht der U21-Teamspieler über Sprachprobleme, Fan-Massen, Marko Arnautovic und seine Zeit unter Fink.

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(Interview beginnt unter dem Video)


LAOLA1: Wie hast du dich mittlerweile in den Niederlanden eingelebt?

Marko Kvasina: Inzwischen geht’s. Am Anfang ist es mir relativ schwer gefallen. Nach 20 Jahren in Wien lebe ich ohne Familie in einer neuen Stadt, das ist schon ein großer Unterschied. Zum Glück ist mit Nikola Gjorgjev ein gebürtiger Schweizer, der für Mazedonien spielt, beim Verein. Er kommt auch vom Balkan und hat dieselbe Mentalität wie ich. Wir sind praktisch rund um die Uhr zusammen.

LAOLA1: Wie gefällt dir Enschede?

Kvasina: Es ist mit rund 150.000 Einwohnern relativ klein, das ist mit Wien nicht zu vergleichen. Ich bin ja eher ein Großstadt-Mensch. Aber im Moment ist es vielleicht sogar besser so, ich kann mich mehr auf den Fußball konzentrieren. Die Menschen sind auf jeden Fall sehr, sehr nett. Und es sind unglaublich viele Fahrräder unterwegs. Keine Chance, dass ich mich auf so etwas setze. (lacht)

LAOLA1: Wie geht es deinem Holländisch?

Kvasina: Noch nicht gut. Ich habe noch gar nicht damit begonnen, die Sprache zu lernen. Unser neuer Trainer Gertjan Verbeek hat eine neue Philosophie eingeführt: Niederländische Mannschaft, niederländische Sprache. Also muss ich es jetzt lernen.

"Thorsten Fink hatte bei der Austria zwar auch immer einen Plan, aber immer den gleichen"

LAOLA1: Du verstehst also in der Kabine wenig?

Kvasina: So ist es. Ein bisschen etwas kann ich mir zusammenreimen, aber es ist schwer. Bevor der neue Trainer gekommen ist, wurde Englisch gesprochen. Wir Spieler sprechen immer noch Englisch untereinander, aber das Trainerteam hat den Auftrag bekommen, nur noch niederländisch zu sprechen.

LAOLA1: Wie fällt deine sportliche Bilanz aus?

Kvasina: Sie ist besser als in den letzten Jahren bei der Austria. Ich habe mehr Einsätze bekommen. Aber natürlich wird ein Stürmer an seinen Toren gemessen, die fehlen mir noch. Jeder Stürmer braucht seine Zeit, um sich einzuleben. Es ist eine neue Liga, in der komplett anders gespielt wird als in Österreich. Ich denke, ich habe mich jetzt dran gewöhnt und beginne hoffentlich mit dem Toreschießen.

LAOLA1: Inwiefern ist der Fußball anders?

Kvasina: In Österreich wird viel körperbetonter gespielt, in den Niederlanden viel taktischer. Die Mannschaften halten sich strikt an einen Plan. Thorsten Fink hatte bei der Austria zwar auch immer einen Plan, aber immer den gleichen. Wir ändern momentan fast vor jedem Spiel unsere Taktik.

LAOLA1: Hast du damit gerechnet, am Anfang gleich so viel zu spielen?

Kvasina: Nein, überhaupt nicht. Ich habe damit gerechnet, dass Tom Boere spielen wird, der aus der zweiten Liga vom FC Oss gekommen ist, wo er 33 Tore geschossen hat. Aber ich habe schon den Sinn dahinter erkannt, warum ich gespielt habe. Gegen Feyenoord wollte der Trainer einen großen Stürmer, der die Bälle halten kann. Ich denke, ich habe das gut gemacht. Der Plan ist aufgegangen, aber leider haben wir 1:2 verloren.

Foto: © getty

LAOLA1: Tut es weh, dass du in den vergangenen Wochen weniger gespielt hast?

Kvasina: Mir gibt das die Motivation, noch mehr an mir zu arbeiten, noch mehr zu trainieren. Ich bin mir sicher, dass ich unter Verbeek wieder mehr spielen werde.

LAOLA1: Du hast bei der Austria auf mehreren Positionen gespielt. Wie plant Twente mit dir?

Kvasina: Ich bin als Nummer neun, also als Mittelstürmer eingeplant. Ich finde das gut so.

LAOLA1: Du hast das Spiel gegen Feyenoord angesprochen. Wie war es, vor fast 50.000 Menschen zu spielen?

Kvasina: Unbeschreiblich! Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ein Spieler von uns ist am Boden gelegen und das ganze Stadion hat gepfiffen, da muss man sich die Ohren zuhalten. Die Fans in Holland sind verrückt.

LAOLA1: Twente ist schlecht in die Saison gestartet und hat im Schnitt fast 25.000 Fans pro Spiel im Stadion.

Kvasina: Die Fans in Enschede sind wirklich verrückt. Hut ab vor ihnen! Sie zeigen, was es heißt, eine Mannschaft zu lieben.

LAOLA1: Ihr liegt nur auf Platz 14.

Kvasina: Der Saisonstart ist in die Hose gegangen. Aber eigentlich war das nicht verwunderlich. Wir haben 13 neue Spieler, die sich erst eingewöhnen mussten. Viele von uns kommen aus anderen Ligen, mussten sich hier erst zurechtfinden. Wir mussten als Mannschaft zusammenwachsen. Zuletzt haben wir beim 3:4 gegen PSV Eindhoven schon eine super Leistung gezeigt. Ich glaube, unter dem neuen Trainer wird es bergauf gehen.

"Ich habe schon ein paar Mal gehört, dass Marko Arnautovic ein Verrückter war"

LAOLA1: Wie hast du Michael Liendl bisher als Mitspieler erlebt?

Kvasina: Ein Top-Charakter. Ich habe nicht erwartet, dass man mit ihm so viel Spaß haben kann. Und er ist ein richtig gerader Typ. Wenn ihn etwas stört, sagt er seine Meinung. Das taugt mir an ihm. Er ist ein sehr wichtiger Spieler im Team.

LAOLA1: Österreicher haben bei Twente ja Tradition.

Kvasina: Ich habe schon ein paar Mal gehört, dass Marko Arnautovic ein Verrückter war. Meistens fällt sein Name, wenn es um Österreicher geht. Bei Marc Janko muss ich vielen auf die Sprünge helfen, sie sagen oft: „Da gab es so einen großen Stürmer. Wer war das?“

LAOLA1: Was ist eigentlich für dich unter Thorsten Fink bei der Austria schiefgelaufen?

Kvasina: Ich bin ihm dankbar, dass er mir diese Lektion erteilt hat. Ich weiß jetzt, wie es ist, hart daran zu arbeiten, um seine Chancen zu bekommen. Laut ihm habe ich sie aber leider nicht genützt. Kein Problem, ich bin mental stärker geworden. Am Schluss wollte mich der Klub noch immer halten, aber ich wollte einfach nicht mehr bleiben.

LAOLA1: Es war ein verlorenes Jahr, oder?

Kvasina: Das erste Jahr unter Fink war ein verlorenes Jahr. Ich habe unter Gerald Baumgartner und Andreas Ogris fast jedes Spiel gemacht, dann kam Fink und ich habe wieder bei den Amateuren gespielt. In der letzten Saison hatte ich zwar mehr Minuten, aber auch immer nur Kurzeinsätze – wenn wir hinten gelegen sind, bin ich gekommen und sollte die Kopfbälle verlängern. Wenn ich gewusst hätte, dass es so kommt, hätte ich den Klub früher verlassen.

LAOLA1: Wie war der Sommer dann? Du hast zum ersten Mal in deiner Karriere nicht genau gewusst, wie es weitergeht.

Kvasina: Mich hat das gar nicht so belastet. Ich hatte Vertrauen zu meinen Beratern, mir war klar, dass etwas kommen wird. Ich habe eigentlich auf eine Antwort von Dynamo Dresden gewartet, aber die ist nicht gekommen. Dann kam der Anruf aus Enschede und es hat alles geklappt. Ein paar Vereine aus der österreichischen Bundesliga hatte ich auch in der Hinterhand, aber das war nicht mein Ziel. Ich wollte mich weiterentwickeln, etwas Neues sehen.

LAOLA1: Und als junger Spieler in den Niederlanden stehen einem alle Türen offen.

Kvasina: Genau! Wenn man dort explodiert… Sieh dir Enes Ünal an – er hat letzte Saison 18 Tore für Twente gemacht und wurde für 14 Millionen Euro von Villarreal verpflichtet. Holland ist eine Top-Station um weiterzukommen, wenn man sich dort beweist.

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