"Schottische Wochen" für Österreichs Fußball.
Der SK Rapid Wien fightet am Donnerstag (18:55 Uhr LIVE - Wett-Quoten) gegen die Glasgow Rangers um den Aufstieg in die K.o.-Phase der UEFA Europa League.
Der FC Red Bull Salzburg hat selbige bereits erreicht und möchte bei Celtic Glasgow (21 Uhr LIVE) die Kür folgen lassen.
Und auch in der schottischen Liga ist Rot-Weiß-Rot in Mode. Torhüter Daniel Bachmann ist inzwischen zur Nummer eins von Kilmarnock avanciert und mischt mit dem Underdog munter im in dieser Saison außergewöhnlich spannenden Titelrennen mit.
In seinen ersten vier Pflichtspielen blieb der ÖFB-Goalie ohne Gegentor, ehe am vergangenen Wochenende "Goliath" Celtic den aufmuckenden "David" mit einem 5:1-Kantersieg in die Schranken wies.
Im LAOLA1-Interview spricht Bachmann über die ersten "Leicester-Vergleiche" bezüglich Kilmarnock und erläutert als Schottland-Insider die Chancen von Rapid und Salzburg - so verrät er etwa, welchen Rangers-Star Rapid provozieren sollte.
LAOLA1: Bis zum 1:5 gegen Celtic am vergangenen Wochenende konntest du mit Kilmarnock für Furore sorgen, nachdem du als Nummer eins übernommen hast. Hat sich deine Geduld nach dem Wechsel letztlich bezahlt gemacht?
Daniel Bachmann: Die ersten zwei, drei Monate waren nicht leicht für mich, weil ich den Saison-Auftakt verpasst habe und dann nicht gleich zum Einsatz gekommen bin. Aber es war klar, dass der Tormann-Wechsel irgendwann kommt und vor einigen Wochen ist er Gott sei Dank über die Bühne gegangen. Es hätte nicht besser laufen können, als gleich in meinen ersten vier Partien jeweils zu null zu spielen. Vier Spiele hintereinander ohne Gegentor sind in jeder Liga aufsehenerregend und sicher nicht üblich, in Schottland war es auch ein großes Gesprächsthema. Dass wir letzten Mittwoch auch noch die Tabellenführung übernommen haben, war ein schönes Zuckerl, da es nicht zu erwarten war, dass die beiden großen Glasgower Vereine ausrutschen. Die Stimmung in der Stadt und beim Verein ist jedenfalls super, auch nach der Niederlage gegen Celtic. Wobei klar ist: 1:5 sollte man nie verlieren.
"Fairerweise muss ich sagen, dass dieses Spiel das beste war, das ich von Celtic in den letzten Jahren gesehen habe. Sie haben unglaublichen Fußball gespielt und auch richtig gut verteidigt. Ganz ehrlich: Ich bin mir sicher, wenn sie am Donnerstag auch so spielen, wird Salzburg nicht viel gewinnen."
LAOLA1: Wie erklärst du dir, dass ihr derart bitter unter die Räder gekommen seid?
Bachmann: Fairerweise muss ich sagen, dass dieses Spiel das beste war, das ich von Celtic in den letzten Jahren gesehen habe. Sie haben unglaublichen Fußball gespielt und auch richtig gut verteidigt. Ganz ehrlich: Ich bin mir sicher, wenn sie am Donnerstag auch so spielen, wird Salzburg nicht viel gewinnen. Bei so einem Resultat muss ich ein wenig eigensinnig sein und auf meine eigene Leistung schauen. Und die war wieder sehr gut, ich konnte mich bei einigen schweren Bällen auszeichnen. Es hätte schon nach 20 Minuten 0:4 stehen können, weil sie uns einfach überrumpelt haben und viele Torchancen hatten. Celtic hatte in dieser Partie 20 Torschüsse, elf davon aus Tor – sie haben uns komplett zerstört, das muss man leider so sagen. Ich muss ehrlich zugeben, in der Pause habe ich schon gehofft, dass wir nicht 1:8, 1:9 oder 1:10 verlieren. Wir hatten wirklich einen ganz schlechten Tag und auch unsere Verteidigung war nicht die, die sie in den letzten Wochen war. Dennoch: Das sind nicht die Spiele, die unsere Saison definieren. Die Spiele, die wir gewinnen sollten, kommen jetzt. Die Meisterschaft ist noch lange nicht vorbei. Nur weil sie 5:1 gegen uns gewonnen haben, heißt es nicht, dass Celtic schon Meister ist.
LAOLA1: Du hast die gute Stimmung in Kilmarnock angesprochen. Wie groß ist die Euphorie? Für eure Fans ist es ja nicht gerade normal, dass der Verein so weit vorne mit dabei ist.
Bachmann: Dafür sind Fans da, dass sie ein bisschen träumen dürfen – davon, dass wir eventuell das Undenkbare schaffen. Als sie nach dem Sieg gegen Livingston letzten Mittwoch im Stadion durchgesagt haben, dass Celtic nur Unentschieden gespielt hat, die Rangers verloren haben und wir dadurch Tabellenführer waren, war die Stimmung natürlich unglaublich. Die Aufmerksamkeit für den Verein ist sicherlich gestiegen – nicht nur in Schottland, auch in England berichten die Medien. Für einen „kleinen“ Verein wie Kilmarnock ist das natürlich ein Wahnsinn.
LAOLA1: Wie oft ist dir der Begriff „Leicester“ schon untergekommen?
Bachmann: Klar, vor allem in England ist der Vergleich schon öfter zu hören gewesen, also ob Kilmarnock das schaffen kann, was Leicester mit dem Meistertitel in der Premier League geschafft hat. Die Saison geht jedoch noch sehr lange. Wir werden sehen, wo wir im Endeffekt landen. Aber ich glaube, dass wir bis zum Ende relativ weit vorne sein werden, weil wir – abgesehen vom Celtic-Spiel – sehr solide verteidigen. In diesem Match musste Celtic einfach ein Statement abgeben, nachdem sie die Tabellenführung an uns verloren hatten. Deshalb nehme ich diese Niederlage nicht übermäßig ernst. Wir sind weiter nur zwei Punkte hinter ihnen und treffen in den verbleibenden vier Spielen bis zur Winterpause auf die unteren vier Teams in der Tabelle. Diese Spiele sollten wir gewinnen. Wenn wir da zwölf Punkte holen, gehen wir mit über 40 Punkten in die Winterpause. Das wäre sehr gut.
LAOLA1: Inwiefern steigt die Aufmerksamkeit für dich persönlich, wenn man einige Spiele ohne Gegentor bleibt? Wie ist das Feedback von Watford?
Bachmann: Wenn das zweite oder dritte zu Null in Folge gelingt, denkst du dir als Torhüter natürlich: Kann ich auch ein viertes Mal zu null spielen? Klar wird die mediale Aufmerksamkeit größer. Mit dem Tormann-Trainer von Watford habe ich nach jedem Spiel Kontakt, er schaut sich logischerweise alle meine Partien an. Ich denke, momentan ist es sinnvoller, von Spiel zu Spiel zu schauen, aber wenn ich so weiterspiele, gehe ich nächsten Sommer mit dem Anspruch aufs Einser-Leiberl zurück. Dann wäre der Plan mit der Leihe perfekt aufgegangen. Und auch das Nationalteam kommt jetzt, wo ich regelmäßig spiele und gute Leistungen bringe, wieder in den Kopf. Ich hoffe natürlich, dass ich ein Thema sein werde, denn in der EM-Qualifikation stehen sehr spannende Aufgaben an.
LAOLA1: In den letzten Jahren hat Celtic meist ein Solo hingelegt. Von Langeweile kann man derzeit nicht sprechen. Spürt man in der Liga eine gewisse Aufbruchstimmung?
Bachmann: Definitiv! Es ist für den schottischen Fußball allgemein und für die Liga im speziellen sehr gut, dass Celtic nicht alleine vorne weg zieht, sondern dass es sehr, sehr eng ist. Celtic hat 33 Punkte, die Rangers und Kilmarnock 31, Hearts 30, St. Johnstone ist mit 28 Punkten auch noch dabei. Das ist für den schottischen Fußball natürlich überragend, weil es einfach den Stellenwert hebt. Es ist nicht mehr alles so Celtic-lastig, sodass du nach 15 Runden aufgrund von zwölf Punkten Vorsprung schon weißt, dass Celtic Meister wird. Die Liga bekommt dadurch auch in den englischen Medien viel mehr Aufmerksamkeit. Davor war die schottische Liga dort nicht so angesehen, weil es viel zu einseitig war.
"Ich bin mir aber sicher, dass Steven Gerrard einen super Job macht. Man sieht ja, dass die Rangers jetzt das erste Mal wieder so eng an Celtic herangekommen sind. Aber bis sein Spielstil komplett in den Köpfen der Spieler verankert ist, dauert es schon noch ein bisschen."
LAOLA1: Du lebst in Glasgow. Wird speziell die Rivalität zwischen Celtic und Rangers in der Stadt wieder spürbar brisanter, weil die Rangers wieder konkurrenzfähig sind?
Bachmann: Was den Fußball betrifft, ist es in Schottland ähnlich wie in England: Sie leben für den Fußball, es ist ein Nationalsport. Was die zwei Großen in Glasgow betrifft, ist es gut, dass die Rangers wieder so knapp vorne mit dabei sein. Inzwischen ist es ja fast schon ewig her, dass sich die Rangers mit Celtic messen konnten. Dabei ist gerade das Old Firm riesig. Das Niveau in der schottischen Liga ist im Moment allgemein ganz okay. Und auch international in der Europa League sind beide gut mit dabei, Celtic reicht gegen Salzburg ja ein Punkt für den Aufstieg. Die Stimmung im Stadion war bei unserem Spiel am Samstag richtig geil, und auch für Salzburg wird das eine großartige Sache. In Österreich ist es ja nicht üblich, dass man vor so vielen Leuten spielt.
LAOLA1: Sind die Duelle mit Salzburg oder Rapid eigentlich große Themen oder steht angesichts der Spannung die Liga im Mittelpunkt?
Bachmann: Im Moment steht schon die Liga im Mittelpunkt. Das ist das Thema, um das sich derzeit alles dreht. Aber ich bin mir sicher, dass auch Salzburg und Rapid am Donnerstag in aller Munde sein werden, weil es einfach um den Aufstieg in die K.o.-Phase des Europacups geht. Es ist jetzt aber nicht so, dass man sagt, für die Rangers wird es ganz schwer gegen Rapid oder für Celtic gegen Salzburg. Der Respekt ist natürlich da. Man hat ja gesehen, dass gerade Celtic in Salzburg nicht wirklich eine Chance gehabt hat. Nur: Sie sind relativ selbstbewusst. Ich denke einmal, sie sind davon überzeugt, dass Celtic das Spiel gewinnt. Und ich glaube auch, dass die Rangers mit einem positiven Gefühl nach Wien fliegen.
LAOLA1: Vor dem ersten Duell mit Rapid hast du gemeint, dass es ein wenig dauert, bis sich die Rangers auf die Spielphilosophie von Neo-Trainer Steven Gerrard umstellen. Sind seine Ideen inzwischen voll angekommen?
Bachmann: Den Rangers fehlt es extrem an Konstanz, zuletzt hatten sie zwei Rückschläge. Gegen Aberdeen haben sie zu Hause verloren und bei Dundee nur Unentschieden gespielt. Ich bin mir sicher, dass sie von sechs Punkten ausgegangen sind, im Endeffekt wurde es nur einer. Ich glaube, dass es noch ein bisschen dauert, bis der Umschwung unter Steven Gerrard komplett fruchtet und man wieder sagen kann: Die Rangers spielen immer konstant top. Aber wenn du einen Steven Gerrard als Trainer hast, hat natürlich nicht nur er selbst Druck: Du bist bei einem Riesen-Verein, hast einen großen Namen – da erwartet sich jeder, dass es sofort läuft, und das ist natürlich nicht so leicht. Ich bin mir aber sicher, dass er einen super Job macht. Man sieht ja, dass die Rangers jetzt das erste Mal wieder so eng an Celtic herangekommen sind. Aber bis sein Spielstil komplett in den Köpfen der Spieler verankert ist, dauert es schon noch ein bisschen. So alt ist die Saison auch noch nicht. Die Ansätze, wie er spielen will, sieht man aber definitiv.
"Ganz ehrlich: Die lassen sich so leicht provozieren, vor allem Alfredo Morelos. Wenn man ihn nur ein bisschen provoziert, würde es mich nicht wundern, wenn er mit einer glatten Roten Karte vom Feld geht, weil er sich einfach überhaupt nicht unter Kontrolle hat."
LAOLA1: Der Spieler, der am meisten heraussticht, ist weiterhin Alfredo Morelos, oder?
Bachmann: Absolut. Alfredo Morelos ist ein Topstürmer, da braucht man nicht zu diskutieren. Er macht die Tore, an seiner Qualität gibt es nichts zu zweifeln – er ist derjenige, den du ausschalten musst, damit du eine Chance hast. Wobei er in dieser Saison schon drei Mal ausgeschlossen wurde. Insgesamt haben die Rangers in dieser Saison schon acht Rote Karten. Disziplinär ist das nicht so, wie man sich verhalten sollte. Keine Ahnung, woran das liegt, aber acht Rote Karten Mitte Dezember sind schon sehr komisch (lacht).
LAOLA1: Muss Rapid also provozieren?
Bachmann: Ganz ehrlich: Die lassen sich so leicht provozieren, vor allem Morelos. Wenn man ihn nur ein bisschen provoziert, würde es mich nicht wundern, wenn er mit einer glatten Roten Karte vom Feld geht, weil er sich einfach überhaupt nicht unter Kontrolle hat.
LAOLA1: Welche Spieler gefallen dir bei Celtic am besten?
Bachmann: Alle elf, wenn ich von unserer Niederlage am Samstag ausgehe (lacht). Aber wenn ich einige herauspicken muss: Ryan Christie ist im Moment ganz stark. Callum McGregor und Scott Sinclair sind sehr gefährlich. Stürmer Odsonne Edouard ist ein richtiger Knipser. Ihr Linksverteidiger Kieran Tierney ist ebenfalls sehr stark, hat gegen uns aber gar nicht gespielt. Sein Ersatz Emilio Izaguirre hat davor in dieser Saison kaum gespielt, war gegen uns aber einer der Besten. Es ist schwer zu sagen, wer gegen Salzburg spielen wird, weil sie einen relativ großen und starken Kader haben.
LAOLA1: Mit einem Torhüter muss man natürlich auch über die beiden Goalies sprechen. Es fällt auf: Sowohl Celtic als auch die Rangers setzen auf Routine.
Bachmann: Es ist im britischen Fußball, also auch in England, allgemein so, dass das Alter über einen Torhüter überhaupt nichts aussagt. Man muss sich ja nur die Nummer eins und die Nummer zwei bei Watford anschauen – Ben Foster ist 35, Heurelho Gomes 37. Das ist durchaus üblich. Craig Gordon von Celtic ist 35, Allan McGregor von den Rangers 36. McGregor ist die Nummer eins im schottischen Nationalteam, Gordon die Nummer zwei. Beide verfügen über große Erfahrung und sind sehr gute Tormänner. So wie sie spielen, glaube ich, dass sie auf jeden Fall noch ein, zwei Jahre anhängen.
LAOLA1: Wie tippst du die beiden Partien?
Bachmann: Ich glaube, dass Celtic gegen Salzburg gewinnt. Salzburg ist ohnehin schon Gruppensieger, also ist es im Prinzip egal, ob sie gewinnen oder nicht. Bei Rapid denke ich, dass sie mit den Fans im Rücken gegen die Rangers einen Punkt holen und sich für die K.o.-Phase qualifizieren werden.