Klar abgesteckt ist das vielzitierte "beste Fußballeralter" nicht.
Rund um den 28. Geburtstag sagt man einem Kicker normalerweise nach, würde er seinen Leistungszenit erreichen. Und zumindest wenn man das Beispiel Albert Vallci herbeizieht, lässt sich sagen, dass diese Einschätzung nicht komplett daneben liegt.
Der mittlerweile 28-jährige Steirer steckt mit dem FC St. Gallen aktuell mitten im Schweizer Titelkampf, gilt in der Ostschweiz als absoluter Publikumsliebling und befindet sich momentan in absoluter Topform.
LAOLA1 hat Vallci kurz vor dem Schweizer Frühjahrsauftakt erwischt und hat mit ihm über seinen bisherigen Karriereweg, den aktuellen St. Galler Lauf und seine EM-Hoffnungen gesprochen.
Fußball- statt Lehrerkarriere
Dass Vallci einmal in der Schweizer Super League sein Geld verdienen würde, war bei seinem Profidebüt vor rund einem Jahrzehnt nicht unbedingt abzusehen.
Der Absolvent der Akademie Kapfenberg startete über die Stationen Kapfenberger SV, SV Lafnitz und SV Horn in seine Karriere; als zweites Standbein schrieb er sich parallel als Lehramtsstudent an der Universität Graz ein.
Erst 2017, als mit Wacker Innsbruck ein Zweitligist mit Aufstiegsambitionen anklopfte, ging die Tür Richtung langfristige Profikarriere so richtig auf: "Als ich nach Innsbruck gegangen bin, ist so eine gewisse Leichtigkeit dazugekommen", sagt der Voitsberger retrospektiv.
Mit Wacker gelang auf Anhieb der Meistertitel und der damit verbundene Aufstieg in die Bundesliga: "Von dem Moment weg habe ich mein großes Ziel erreicht, weil ich gewusst habe: Jetzt bin ich in der Bundesliga."
"Salzburg-Abschied ist mir schwer gefallen"
Mit dem, was danach passierte, konnte Vallci aber nicht rechnen. In seinem ersten Bundesliga-Halbjahr konnte er so sehr überzeugen, dass plötzlich Serienmeister Red Bull Salzburg auf ihn aufmerksam wurde und ihn im Jänner 2019 in die Mozartstadt lotste. Der Innenverteidiger eroberte sich auf Anhieb einen Stammplatz beim Liga-Krösus und gab noch im selben Jahr sein Champions-League-Debüt. Ein fast märchenhafter Aufstieg.
"Im Fußball ist es immer wieder so, dass man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sein muss", blickt Vallci zurück. Er weiß: "Ich habe in manchen Phasen auch das nötige Glück gehabt, was als Fußballer auch wichtig ist, um jetzt hier zu sein, wo ich bin, und das erreicht zu haben, was ich erreicht habe."
Doch immer war ihm das Glück nicht hold. Im Frühjahr 2021 zog sich Vallci im Rahmen eines Testspiels der "Bullen" eine der schlimmsten Verletzungen zu, die man sich als Fußballer zuziehen kann: Einen Achillessehnenriss. Die Folge: Eineinhalb Jahre ohne Pflichtspiel und nach seiner Genesung das Aus in Salzburg.
"Am Ende ist es mir schon ein bisschen schwer gefallen, weil ich nicht wirklich den Plan gehabt hatte, Salzburg zu verlassen. Aber wir wissen alle, dass es in Salzburg einfach schnell geht, und es kommen andere Spieler. Das ist einfach Teil des Geschäfts, wenn man so lange ausfällt", spricht Vallci offen über seine Aussortierung in der Mozartstadt.
Er sei aber überhaupt nicht nachtragend, sondern blickt auf eine "absolut positive Zeit" an der Salzach zurück: "Ich habe dort coole Erfahrungen machen können, habe mit wahnsinnig guten Spielern spielen dürfen, die am Anfang ihrer Karriere standen und jetzt teilweise Weltkarrieren machen. Ich bin einfach sehr froh über die Chance und die Erfahrung, die ich machen habe dürfen, weil die Zeit mir sehr, sehr viel gebracht hat."
"Überragender Spieler des Herbsts" in St. Gallen
Schlussendlich hat ihm die Station Salzburg auch die Tür zu seinem aktuellen Verein geöffnet. Der FC St. Gallen verfolgt eine ähnliche Spielphilosophie wie die "Bullen" und bedient sich immer wieder gerne an Spielern der Mozartstädter. Im Sommer 2022 war der gerade wieder genesene Vallci dran.
Es war eine Zeit der vielen Fragezeichen für den großgewachsenen Abwehrspieler: "Habe ich nun Probleme? Muss ich auf irgendwas extrem achten? Wie komme ich zurück?", so Vallci über seine erste Saison in St. Gallen, in der er nie unumstritten im Stamm spielte.
"Das erste Jahr in St. Gallen war, und das habe ich ehrlicherweise unterschätzt, ein Anlaufjahr nach der Verletzung. Wenn man so lange nicht spielt, ist es wirklich schwer, in den Rhythmus zu kommen. Ich habe das Jahr aber unbedingt gebraucht, um fit zu werden. Jetzt fühle ich mich ganz anders am Platz, viele Situationen sind selbstverständlich, ich habe wieder eine ganz andere Präsenz", spricht er seine momentane Topform an.
In dieser Spielzeit absolvierte Vallci mit Ausnahme einer Gelbsperre jeder Partie über die volle Distanz und konnte dabei - unter anderem mit drei Toren - so sehr überzeugen, dass er vom "St. Galler Tagblatt" zum überragenden Akteur des St. Galler Herbsts gekürt wurde.
Vallci dazu: "Die aktuelle Phase rund um den Verein ist schon cool und es freut mich extrem, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, weiß aber auch, dass erst Halbzeit ist und wir noch viele Spiele vor uns haben."
Kann St. Gallen um den Schweizer Meistertitel mitspielen?
Konkret sind es noch 20 Spiele in der Schweizer Super League, die Vallci und seine Espen Zeit haben, um den aktuell fünf Punkte voranliegenden Liga-Dominator BSC Young Boys noch abzufangen und nach Jahren der Mittelmäßigkeit wieder einen großen Coup zu landen.
Seit mittlerweile fast 24 Jahren warten die fußballverrückten St. Galler Anhänger nämlich auf einen Titel ihrer Mannschaft. Das hindert sie allerdings nicht daran, bei fast jedem Heimspiel ihr Stadion, den knapp 20.000 Menschen fassenden, wunderschönen Kybunpark, komplett zu füllen und eine in dieser Saison bisher uneinnehmbare Festung daraus zu machen: Jedes einzelne ihrer neun Heimspiele konnten die St. Galler in dieser Saison für sich entscheiden.
Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass es auswärts für die Espen nicht unbedingt nach Wunsch lief. Genauer gesagt liest sich die Auswärtsbilanz der Ostschweizer mit nur einem Sieg aus neun Meisterschaftsspielen in der Fremde so schlecht, dass der "Blick" ihnen kürzlich empfahl, künftig aus Umweltschutzgründen auf Auswärtsfahrten generell zu verzichten.
"Das ist typisch 'Blick'", lacht Vallci. "Aber schon auch eine Frage, der wir uns stellen müssen. Vor allem, weil unsere ersten Spiele auswärts richtig gut waren, wir allerdings zu wenig rausgeholt haben. Unser Spiel hat sich seither eigentlich auswärts nicht verändert. Das dürfte eine mentale Sache sein."
Schlussendlich sei es auch eine Sache "des selbstbewussten Auftretens. Wir sind eine gute Mannschaft, man sieht, was wir zuhause auf den Platz bringen können. Das ist auch auswärts möglich".
Ähnliche Spielphilosophie wie Salzburg
Zu dieser "guten Mannschaft" geformt wurde St. Gallen von einem Mann, der auch hierzulande bestens bekannt ist: Peter Zeidler. Der ehemalige Coach des FC Red Bull Salzburg wurde 2018 im Rahmen eines Führungs- und eines damit verbundenen Philosophie-Wechsels nach St. Gallen geholt und lässt die Espen seither Pressingfußball der Marke Red Bull spielen.
"Wir wollen Pressing spielen, wollen den Gegner früh attackieren, wollen hohe Ballgewinne – für das alles steht die Spielphilosophie des Klubs mit Trainer Peter Zeidler", so Vallci.
Generell sei bei seinem Verein in den letzten Jahren ein überaus positiver Trend zu erkennen: Neue Infrastruktur wurde geschaffen, neue Trainingsplätze wurden errichtet und die Spieler-Betreuung wird immer professioneller.
Bleibt Vallci in St. Gallen? "Mein Ziel ist, international zu spielen"
Bis Sommer 2025 ist Vallci noch vertraglich an die Espen gebunden. Es wäre allerdings kein Wunder, wenn er angesichts seiner aktuellen Top-Leistungen das Interesse anderer Vereine wecken würde, oder?
"Aktuell ist der volle Fokus nur auf der Rückrunde. Ich habe mit meinem Beraterteam auch kommuniziert, dass ich im Winter überhaupt nichts hören will", winkt Vallci ab. Nachsatz: "Ich weiß aber auch, wie schnell es im Fußball geht. Was dann im Sommer oder wann auch immer passiert, ist schwer zu planen."
Grundsätzlich könne er sich aber durchaus vorstellen, auch über 2025 hinaus in St. Gallen zu bleiben: "Ich sehe einfach, was sich in St. Gallen tut, was hier alles möglich ist und, dass wir es schaffen können, international zu spielen. Mein großes Ziel ist, wieder international zu spielen."
Denn: "Was ich im internationalen Bewerb erlebt habe, war wirklich was Spezielles und jeder, der das selbst mitgemacht hat, stimmt mir da zu. International zu spielen, sich mit anderen Mannschaften aus anderen Ländern zu messen, ist so ein großer Reiz, der dir so viel gibt, dass für mich ganz klar das Ziel ist, dort wieder hinzukommen. Das sehe ich mit St. Gallen absolut als möglich an."
15 Tore und eine Schweizer Meisterschaft als Ticket zur EURO?
"Wenn ich eines gelernt habe im Fußball, dann, dass es so schnell gehen kann. Wie oft habe ich schon gedacht: Das und das wird schwierig. Und dann ist es doch passiert."
Vallci meint mit "international spielen" den Europacup der UEFA. Per Definition würden aber auch EURO-Einsätze dazu zählen. Rechnet sich der in der Steiermark geborene Sohn eines Kosovaren und einer Rumänin noch Chancen auf, auf den EM-Zug von Ralf Rangnick aufzuspringen?
"Hoffnung muss man als Spieler immer haben, weil, wenn ich keine Hoffnung hätte, würde es keinen Sinn machen, überhaupt noch zu spielen. Es gibt nichts Größeres, als für ein Nationalteam aufzulaufen. Aber ich bin da absolut realistisch, kann mich selbst gut einschätzen und denke nicht wirklich daran", erklärt Vallci, der es bereits einmal auf die ÖFB-Abrufliste schaffte.
Eine EURO-Teilnahme wäre zwar "ein riesengroßer Traum, aber es ist überhaupt nicht so, dass ich permanent denke: Wenn ich Meister werde und 15 Tore schieße, fahre ich mit (lacht)".
Eine Nominierung Vallcis für Deutschland 2024 wäre nach aktuellem Stand tatsächlich eine Überraschung. Doch davon gab es in der Karriere des Steirers schon einige.
Diesem Umstand ist sich auch der 28-Jährige selbst bewusst: "Wenn ich eines gelernt habe im Fußball, dann, dass es so schnell gehen kann. Wie oft habe ich schon gedacht: Das und das wird schwierig. Und dann ist es doch passiert."