Am Samstag feiert Sandi Lovric seinen 22. Geburtstag.
Damit ist er freilich immer noch der Gruppe an Fußballern zuzuordnen, die einen großen Teil ihrer Karriere noch vor sich haben. Da er jedoch bereits im Sommer 2014 seine ersten Bundesliga-Minuten für den SK Sturm Graz absolviert hat, ist er doch irgendwie schon ein alter Hase.
Seit vergangenen Sommer kickt der zentrale Mittelfeldspieler in der Schweiz beim FC Lugano. Dort genießt er den Vorteil, ein ganz normaler Legionär zu sein und nicht das hauseigene "Jahrhunderttalent", als das er in Graz auserkoren wurde.
"Im Nachhinein gesehen glaube ich, dass ich vielleicht nicht ganz damit klargekommen bin und eine gewisse Zeit gebraucht habe, bis ich reifer wurde und gewisse Dinge kapiert habe", blickt Lovric im LAOLA1-Interview zurück.
Inzwischen bastelt er im Ausland daran, seine Karriere-Ziele zu erreichen ("Das dauert no a bissl!"). Was natürlich nicht heißt, dass ehemalige schwarz-weiße Weggefährten aus dem Sinn sind - so hat Lovric etwa eine wichtige Botschaft an Dario Maresic in Sachen Tee-Konsum:
LAOLA1: Wie verbringst du die Corona-Zwangspause?
Sandi Lovric: Ich bin in Graz bei meiner Freundin und ihrer Familie, weil ich nicht zu meinen Eltern in Tirol kann, dort sind alle unter Quarantäne. Wir müssen natürlich alle die Regeln befolgen. Ich schaue so gut es geht, dass ich mich fit halte – zu Hause mit Übungen, ab und zu gehe ich zum Laufen an die frische Luft.
LAOLA1: Das heißt, der Verein hat euch nicht gebeten, in Lugano zu bleiben.
Lovric: Da im Tessin vorerst bis 29. März allgemeines Trainingsverbot für Mannschaften gilt, durften alle Spieler, die von auswärts sind, heimfahren. Es hätte auch keinen Sinn gemacht, dort zu bleiben.
LAOLA1: Kommen wir zum Sportlichen. Wie fällt deine Zwischenbilanz des Wechsels nach Lugano aus?
Lovric: Positiv. Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten, was aber vermutlich normal ist, wenn man das erste Mal den Schritt ins Ausland wagt – neues Umfeld, neue Mitspieler, neue Sprache, alles ist anders. Außerdem war ich noch in der Reha-Phase nach meiner Verletzung, weswegen ich ja leider auch die U21-EM verpasst habe. Du brauchst natürlich Zeit, bis du die Verletzung komplett auskurierst und wieder auf die 100 Prozent kommst. Ich bin erst nach dem Meisterschaftsbeginn wieder gesund geworden, konnte also nicht die komplette Vorbereitung mitmachen. Es dauert, das aufzuholen. Wegen der vielen englischen Runden im Herbst konnte ich auch nicht viel extra trainieren, wenn du jeden dritten, vierten Tag spielst. In der Winterpause hatte ich zum Glück die Gelegenheit, drei Wochen lang intensiv zu arbeiten. Seither habe ich jede Partie von Anfang an gespielt. Das ist durch die Zwangspause nun unterbrochen worden.
"Ich wollte mich bei Herrn Maresic noch recht herzlich bedanken, dass er uns allen im LAOLA1-Interview geraten hat, in Zeiten wie diesen viel Tee zu trinken. Das ist ein großartiger Tipp!"
LAOLA1: Wobei auffällt, dass du beginnend mit dem Trainerwechsel auf Maurizio Jacobacci Ende Oktober mehr Einsatzzeit bekommen hast. Hat dir der Trainerwechsel so gesehen geholfen?
Lovric: Ich glaube, dass er mir gut getan hat, wobei man natürlich auch sagen muss, dass ich im Laufe der Herbst-Saison meinen Rückstand zunehmend aufgeholt habe. Als der neue Trainer gekommen ist, war ich einfach auch schon fitter.
LAOLA1: Jacobacci kennt man in Österreich. Beim FC Wacker ist es für ihn im Herbst 2016 nicht so gut gelaufen. Wurde er in Innsbruck unter Wert geschlagen?
Lovric: Das kann ich unmöglich beurteilen, weil ich nicht weiß, was in Innsbruck damals war. Aber er ist ein Trainer, der sehr auf die Motivation der Spieler setzt und zuerst einmal eine kompakte Defensive haben möchte. Aus dieser guten Organisation heraus gilt es nach vorne zu attackieren.
LAOLA1: Du hast angesprochen, dass die Eingewöhnung im Ausland ein wenig Zeit braucht. Ähnliches hat dein langjähriger Mitspieler Dario Maresic unlängst im LAOLA1-Interview berichtet. Unterschätzt man von außen ein wenig, was es bedeutet, mit Anfang 20 in ein neues Land zu übersiedeln?
Lovric: Das wird auf jeden Fall unterschätzt. Sicher: Es wird Fälle geben, bei denen sofort von Anfang an alles passt. Aber ich denke, das ist eher selten. Man braucht einfach eine Eingewöhnungsphase – vor allem in Ländern, in denen eine andere Sprache gesprochen wird. So geht es vielen Spielern.
LAOLA1: Wie ist dein Italienisch?
Lovric (grinst): Noch nicht ganz perfekt. Aber ich spreche es schon mit Trainern und Spielern, kann mich also verständigen. Außerdem hatte ich in der Schule vier Jahre Italienisch, kannte also die Basis. Da habe ich es leichter als etwa Dario Maresic, der gerade Französisch lernt. Apropos Dario: Darf ich ihm noch etwas ausrichten?
LAOLA1: Nur zu!
Lovric: Ich wollte mich bei Herrn Maresic noch recht herzlich bedanken, dass er uns allen im LAOLA1-Interview geraten hat, in Zeiten wie diesen viel Tee zu trinken. Das ist ein großartiger Tipp (lacht)!
LAOLA1: Zwei Eigenbauspieler aus dem Hause Sturm Graz unter sich. Ist es für dich in Lugano ein spürbarer Unterschied, dass du nicht mehr wie bei Sturm das hauseigene Talent bist, auf das alle schauen, sondern ein Legionär wie andere auch im Kader?
Lovric: Auf jeden Fall. Es gibt ja das Sprichwort vom Propheten, der im eigenen Land nicht anerkannt wird. Im Fußball ist es oft so, dass dich Leute anders schätzen, wenn du irgendwo hingehst. Das war schon bei sehr vielen Spielern so. Deshalb merkt man natürlich auch diesen Unterschied. Der FC Lugano hat mich ja bewusst geholt und schaut mich daher natürlich auch anders an.
"Ich wurde sehr jung zum Jahrhunderttalent ausgerufen, da war ich gerade einmal 16 Jahre alt. Ich glaube einfach, dass ich damals viel mehr Zeit benötigt hätte, um mich zu entwickeln. Wenn man dann aber als 16-Jähriger so einen Stempel kriegt, muss man erst einmal mit diesem Druck umgehen."
LAOLA1: Warum hat in deinem Fall bei Sturm der Prophet im eigenen Land nichts gegolten? Dein großes Talent war früh bekannt, trotzdem bist du nicht so zur Geltung gekommen, wie du das vermutlich auch selbst erwartet hast.
Lovric: Gute Frage. Am Ende waren es wohl mehrere Faktoren. Ich wurde sehr jung zum "Jahrhunderttalent" ausgerufen, da war ich gerade einmal 16 Jahre alt. Ich glaube einfach, dass ich damals viel mehr Zeit benötigt hätte, um mich zu entwickeln. Wenn man dann aber als 16-Jähriger so einen Stempel kriegt, muss man erst einmal mit diesem Druck umgehen. Dann musst du quasi in jedem Spiel zeigen, dass du das Jahrhunderttalent bist. Es ist ja logisch, dass jeder mehr von dir erwartet und das auch sehen will. Keine Frage: Es gibt 16-Jährige, die das auf Anhieb schaffen. Ich glaube jedoch, dass das eher wenige sind. Man muss erst einmal damit klar kommen. Im Nachhinein gesehen glaube ich, dass ich vielleicht nicht ganz damit klargekommen bin und eine gewisse Zeit gebraucht habe, bis ich reifer wurde und gewisse Dinge kapiert habe. Mit der Zeit bemerkt man, woran man arbeiten muss. Dann wird es auch besser.
LAOLA1: Dieser Stempel Jahrhunderttalent hat womöglich den Vorteil mit sich gebracht, dass du medial gepusht und immer wieder gefordert wurdest. Aber im Nachhinein hatte der Hype durch den riesigen Druck mehr Nachteile?
Lovric: Völlig richtig, es gibt natürlich Vor- und Nachteile. Das mit den Medien war sicherlich ein Vorteil, viele Leute haben von mir gehört. So viel gespielt habe ich bei Sturm mit 16 oder 17 trotzdem nicht. Was unterm Strich zählt: Ich bin sehr dankbar für die Zeit bei Sturm. Dort bin ich Profi geworden. Ich hatte vier unterschiedliche Trainer und habe von jedem etwas gelernt. Egal was ist, Graz wird immer meine Heimat bleiben.
LAOLA1: Romano Schmid und Dario Maresic sind auch nicht mehr bei Sturm, du bist weg – denkst du dir manchmal, dass sich Sturm eine interessante Generation relativ früh durch die Lappen gehen hat lassen?
Lovric: Das kann man von mehreren Seiten sehen…(grinst) Ich sehe es so: Das Positive ist doch, dass wir alle den Sprung ins Ausland geschafft haben – Dario spielt in Frankreich, Romano hat einen Vertrag bei Werder, und ich finde, wir sollten auch Peter Zulj erwähnen, der bei Anderlecht spielt. Das ist etwas, worauf Sturm stolz sein kann. Da geht es weniger darum, dass man sich etwas durch die Lappen gehen lassen hat.
"Unabhängig davon ob ich gegangen oder geblieben wäre: Ich hätte bis zum letzten Tag alles für diesen Verein gegeben."
LAOLA1: Mancherorts wurde es als relativ unnötig empfunden, dass Sturm dich in der vergangenen Saison am Ende nicht mehr spielen hat lassen, weil dein auslaufender Vertrag nicht verlängert war. Mit einem knappen Jahr Abstand: Hätte es sich anders lösen lassen?
Lovric: Ich war natürlich sehr traurig, dass ich für die letzten Spiele aus dem Kader gestrichen wurde – vor allem weil es da um sehr viel gegangen ist. Der dritte Platz hätte die direkte Qualifikation für die Europa League bedeutet. Ich denke, dass ich der Mannschaft in der damaligen Phase hätte helfen können. Für mich war es unverständlich. Warum ist leicht erklärt: So lange ein Spieler 100 Prozent für den Verein gibt, ist es in meinen Augen egal, wie lange er noch Vertrag hat. Unabhängig davon ob ich gegangen oder geblieben wäre: Ich hätte bis zum letzten Tag alles für diesen Verein gegeben und hätte der Mannschaft gerne geholfen. Leider ist es so passiert. Ich finde es schade, habe es aber akzeptiert und mich mit der Entscheidung abgefunden.
LAOLA1: Danach hast du dich für den FC Lugano entschieden. Als ablösefreier Spieler wirst du sicher einige Angebote gehabt haben. Spieler wollen manchmal zu schnell zu viel und unterschreiben des Namens wegen bei einem Verein. Inwiefern ist Lugano so gesehen ein guter Zwischenschritt?
Lovric: Das ist nicht so leicht zu beantworten. Das werde ich erst in ein paar Jahren wissen, ob es wirklich der richtige Schritt war. Aber ich glaube schon, dass man manchmal vielleicht eher einen kleinen Schritt und danach einen großen machen sollte. Von dem her war es richtig. Was auf jeden Fall positiv ist: Das ich Europa League gespielt habe. Diese Erfahrung ist für meine persönliche Entwicklung sehr gut, weil es doch nach der Champions League der zweithöchste Wettbewerb ist, den du auf Vereinsebene spielen kannst. Ich habe gesehen, wie es international zugeht und dabei viel gelernt.
LAOLA1: Im Sommer 2017 haben wir beide ein Interview geführt, in dem du folgendes gesagt hast: „Mein Ziel ist es, Champions League zu spielen. Ich möchte mit 35 Jahren zurückschauen und mir denken: 'Wow, ich habe eine richtig geile Karriere gehabt.'" Wie weit fühlst du dich auf diesem Weg?
Lovric (lacht): Dauert no a bissl! Nein, ernsthaft: Das ist immer noch mein Ziel. Ich will mit 35 zurückschauen und mir das denken. Erstens ist im Fußball alles möglich, zweitens ist es sehr schnell möglich – in beide Richtungen. Was ich dich bitten will: Wenn ich 35 bin, machen wir unbedingt ein Interview. Dann schauen wir, was war und wo ich bin!