Für Robert Lewandowski hätte der Start bei seinem neuen Arbeitgeber nicht besser laufen können. In den La-Liga-Runden zwei bis sieben verbuchte der 34-jährige Superstar neun Treffer. Zusätzlich schoss er in der ersten Runde der Champions League Viktoria Pilsen mit drei Treffern im Alleingang ab.
Nach seinem Wechsel zu den Katalanen wurde anfangs gemunkelt, ob der Pole in Spanien ebenso einschlagen würde wie bei seinem Ex-Klub FC Bayern München. Noch dazu, wo er mittlerweile die "magische Altersgrenze" von 30 Jahren klar überschritten hat. Frei nach dem Motto "Schuster, bleib bei deinen Leisten", zweifelten Experten ringsum an seiner Entscheidung. Diese Spekulationen hat der 34-Jährige durch seine Leistungen gleich zu Beginn ad acta gelegt.
Am kommenden Wochenende steht für ihn und seine Teamkollegen ein Highlight ins Haus. Am Sonntag (ab 16:15 Uhr im LIVE-Ticker >>>) trifft man im "Clasico" auf Real Madrid. Gespielt wird im ausverkauften Santiago Bernabeu. Im Champions-League-Hinspiel gegen Inter Mailand (0:1) sowie beim jüngsten Ligaspiel gegen Celta Vigo (1:0) blieb der "Bomber" ohne Treffer, weshalb ihm spanische Medien sogleich eine Art "Minikrise" attestierten.
Alaba adelt seinen Ex-Teamkollegen
Torlose Spiele des Superstars seien etwas, "was wir in dieser Gegend nicht gewohnt sind", ätzte etwa das spanische Blatt "AS". Anders sieht das naturgemäß sein Coach: "Er hat ein gutes Spiel gemacht, unabhängig davon, ob er getroffen hat oder nicht. Er hilft dem Team in anderen Aspekten", verteidigte Xavi seinen Torjäger. Generell darf bezweifelt werden, ob man bei zwei Spielen ohne Treffer schon von einer "Krise" sprechen kann.
Doch wie man derlei Diskussionen innert kurzer Zeit beendet, weiß Robert Lewandowski nur zu gut: Dem CL-Rückspiel gegen Inter drückte er einmal mehr seinen Stempel auf (Spielbericht >>>). Nachdem er in Minute 82 zum 2:2 treffen konnte, sicherte er den Katalanen mit einem Last-Minute-Treffer zum 3:3 in der Nachspielzeit noch einen Punkt, nachdem Gosens die Mailänder in Minute 89 nochmals in Führung geschossen hatte.
Doch zurück zum "Clasico": Der Superstar weiß, wie man Tore gegen das "Weiße Ballett" erzielt. In seinen bisherigen acht Spielen gegen die Madrilenen gelangen ihm sechs Volltreffer. Unvergessenen bleibt dem internationalen Fußballvolk sein Auftritt am 24.4.2013 in der Champions League, damals noch im Trikot von Borussia Dortmund. Beim 4:1-Heimsieg des BVB im Halbfinal-Hinspiel erzielte er alle vier Treffer für die Klopp-Elf.
Dass der Pole mehr als nur bereit für das Duell ist, weiß auch Österreichs Real-Export David Alaba. Lewandowski sei einer der besten Stürmer der Welt, das habe er in den letzten Jahren immer gezeigt und "beweist es auch diese Saison", schwärmt sein nunmehriger Gegenspieler bei "realtotal.de" über den Polen. "Das, was er hier in Spanien macht, das durfte ich über Jahre in München hautnah miterleben", so der ÖFB-Kapitän weiter. Von einem "Altersverschleiß" also keine Spur.
Ein Ex-Coach als Wegbereiter
Dass er bei den "Blaugrana" gleich so hervorragend funktioniert, überraschte Lewandowski selbst allerdings nicht. Sehr geholfen habe ihm dabei ein Ex-Trainer des FC Barcelona, mit dem er schon bei den Bayern erfolgreich zusammenarbeitete: Pep Guardiola. Von 2014 bis 2016 spielte "Lewa" zwei Jahre lang unter dem Spanier in München. "Die zwei Jahre mit ihm bei den Bayern haben sich wie zehn angefühlt", schildert Polens Teamkapitän.
"Ich habe viel über Barcelona gelernt und wie seine Zeit hier war", so Lewandowski weiter. Damit spielt er auf die Frühphase in Guardiolas Karriere an.
Von 2008 bis 2012 coachte "Pep" den FC Barcelona und machte ihn zu jener Zeit zum vielleicht besten Klub Europas. Zweimal durfte er in dieser Zeit die Champions-League-Trophäe in die Höhe stemmen. Außerdem gewann der mit den Katalanen drei spanische Meisterschaften und zweimal die Klub-WM.
Einer seiner zentralen Bausteine in der Barca-Elf von damals: Xavi. Guardiolas Idee vom Fußball hat den heutigen Coach der "Blaugrana” und seine Spielanlage maßgeblich geprägt. So sieht es auch Lewandowski: "Es ist nicht so, als wäre ich von heute auf morgen hier. Dank Pep war es einfacher, sich an Barça anzupassen", dankt er dem nunmehrigen Coach von Manchester City.
Xavi auf einer Stufe mit Klopp und Pep
All das habe es ihm leichter gemacht, sich auf die Barca-Taktik und die dortige Vorstellung von Fußball einzustellen. "Deshalb habe ich mich jetzt auch bereit gefühlt, diesen Schritt zu gehen", hält er fest.
Guardiola sei es zu verdanken, dass er gelernt habe, "diesen Sport nicht nur als Fußballer, sondern auch taktisch zu beobachten", so Lewandowski weiter. Forcierte er in seiner Zeit bei Borussia Dortmund oftmals noch Alleingänge, habe sich dies unter Guardiola grundlegend geändert: "Ich habe von innen und außen verstanden, welche Bewegungen gemacht werden müssen, die besser für das Team sind, nicht nur für mich", so der Pole über jene Gründe, die ihn noch mehr zu einem Teamplayer machten.
Auch seinem Neo-Coach Xavi streut er Rosen. So vergleicht "Lewa" ihn mit den Größen der Trainerzunft. Er habe mit "sehr guten Trainern gearbeitet", wie Klopp, Guardiola oder Ancelotti. So sei auch Xavi. "Wir verstehen uns gut und werden gemeinsam viele Erfolge verzeichnen können", meint der Pole.
Erfrischter "Lewa" ortet bei Barca "Projekt für die Zukunft"
Für ihn selbst sei immer klar gewesen, dass er nach Spanien wechseln wolle, sagte Lewandowski dem Vereinsmagazin der Katalanen. "Es hat mich sehr gefreut zu wissen, dass sich ein Klub wie Barça für mich interessiert. Ich wollte den nächsten Schritt in meiner Karriere machen, ein neues Kapitel aufschlagen", so der 34-Jährige.
Diese Aussage zeigt: Der Mann ist noch lange nicht am Ende seiner Laufbahn oder gar seiner Leistungsfähigkeit angelangt. Der Wechsel sei die richtige Entscheidung gewesen, betont er: "Ich fühle mich erfrischt."
Für fragende Gesichter sorgte der Pole bei vielen Fußballfans dagegen mit der Aussage, dass ein weiterer Grund für seinen Wechsel nach Barcelona sei, dass es sich dabei um "ein Projekt für die Zukunft" handle.
Wie diese angesichts des milliardenschweren Schuldenberges aussehen soll, ist vielen Anhängern des runden Leders ein Rätsel. Dies steht jedoch ohnehin auf einem anderen Blatt Papier. Ob er sich damit täuscht, wird ohnedies die Zeit zeigen.
Einen anderen Irrtum gab Lewandowski bereits offen zu. Als er nach Spanien wechselte, sei er von einer geringeren Intensität als bei den gemeinhin für ihre strammen Trainingsmethoden bekannten Bayern ausgegangen.
"Ich habe es schwächer erwartet", gesteht er gegenüber dem polnischen Online-Kanal "Kanal Sportowy". "Als die Vorbereitung begann, bin ich nicht davon ausgegangen, dass es so großartig sein würde und so positiv intensiv", schwärmt er über Xavis Trainingsmethodik.
Kahn brauchte einst Eier, "Lewa" hat sie
Außerdem erklärt er ganz offen, dass sich sein Umgang mit sich selbst über die Jahre enorm verbessert habe. Als Kind sei er sehr zurückhaltend und von Komplexen begleitet gewesen. Dies habe ihn lange davon abgehalten "Eier zu zeigen, wie man so sagt."
Das hätte er ablegen müssen, um "die Brust rauszustrecken und Selbstbewusstsein zu zeigen". Eine Aussage, mit der vor einiger Zeit wohl auch bei Bayern-Boss Oliver Kahn offene Türen eingerannt wäre.
Diesertags sei dies grundlegend anders. "Mein Selbstbewusstsein ist gewachsen und ich weiß, welchen Platz ich einnehme", erklärt er. Die nächste Möglichkeit, dies zu zeigen, bietet sich bereits am kommenden Sonntag ab 16:15 Uhr im Hexenkessel von Madrid. Bereit für eine Glanzvorstellung ist er allemal. Die Anhänger der "Blaugrana" würden es ihm ausufernd danken.
Dass auch mit 34 noch viel in ihm steckt, steht außer Zweifel. Zieht man einen kulinarischen Vergleich, könnte dieser etwa so lauten: Lewandowski ist wie guter Wein - je älter, desto besser.