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FC Andorra: Ein Zwerg kratzt an La Liga

Der Klub aus dem Staat in den Pyrenäen könnte schon bald für großes Staunen sorgen. Gerard Pique sei Dank.

FC Andorra: Ein Zwerg kratzt an La Liga Foto: © getty

In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.

Den Anfang hat die Story über Nottingham Forest gemacht. Der Klub ist nach 23 Jahren wieder in die Premier League zurückgekehrt. Hier Lesen>>>

Auch über den Aufstieg des AC Monza in die Serie A unter der Führung von Silvio Berlusconi haben wir schon berichtet. Hier Lesen>>> Und der FC Vaduz, der fernab der Liechtensteiner Heimat auf Punktejagd geht, war schon Thema. Hier Lesen>>> Der jüngste Teil handelt vom unfassbaren Schicksal des FC Torino. Hier lesen >>>

Dieser Teil der Serie handelt vom erstaunlichen Aufstieg des "Zwergen-Vereins" FC Andorra, der unter der Führung von Barca-Star Gerard Pique drauf und dran ist, die Primera Divison unsicher zu machen.


Am 16. November trifft das heimische Nationalteam in Malaga auf Andorra. Der lediglich 468 Quadratkilometer kleine Staat in den Pyrenäen gehört neben Ländern wie Liechtenstein, Luxemburg oder San Marino zu den "Fußballzwergen" Europas.

Nichtsdestotrotz läuft in diesen Ländern die Professionalisierung des Sports auf Hochtouren. Erst jüngst bekam dies der SK Rapid gegen den vermeintlichen Underdog FC Vaduz zu spüren. Dass ein Auftrumpfen des Davids gegenüber der vielen Goliaths keine Eintagsfliege sein muss, stellt der FC Andorra unter Beweis.

Der 1942 gegründete Verein aus der Hauptstadt Andorra la Vella schaffte vergangenen Sommer den Sprung in die "Segunda Division", also die zweithöchste spanische Spielklasse. Ähnlich wie beim FC Vaduz hat der FC Andorra eine Ausnahmereglung, die es erlaubt, an den Bewerben in Spanien teilzunehmen. Inspiriert von den Landesfarben, spielt der Klub in blau-gelb-roten Jerseys.

Der rasante Aufstieg des Teams kommt jedoch nicht von ungefähr: Im Jahr 2018 kaufte niemand geringerer als die "Kosmos Global Holding" von Barca-Star Gerard Pique den damaligen Fünftligisten, die unter anderem auch für Austragung des Tennis-Davis-Cups zuständig ist. Die Rechte für den Tennis-Bewerb erstand Piques Firma einst für "schlappe" drei Milliarden Euro.

Wer zahlt, schafft an

Der FC Andorra war zum damaligen Zeitpunkt mit mehreren 100.000 Euro hoch verschuldet, welche Pique beglich. Der Katalane machte sich anschließend auch gleich zum Präsidenten seines neuen "Babys". Dies zeigt bereits: Dem Mann ist es ernst mit seiner Idee.

Doch wie kam es zu diesem, auf den ersten Blick, durchaus kurios anmutenden Investment? Er habe einen Einstieg "für eine interessante Möglichkeit" gehalten, sagte Pique der BBC damals. Über "Freunde von Freunden", habe er von dem Klub gehört. "Der Unterschied zu anderen Klubs in Spanien ist, dass hier ein ganzes Land hinter der Mannschaft steht", erklärte er.

Nachdem die Formalitäten erledigt waren, nutzte der Star-Innenverteidiger seine engen Verbindungen nach Katalonien, um den Kader einer kosmetischen Radikalkur zu unterziehen. Zahlreiche ehemalige Barca-Kicker, die den Sprung in die erste Mannschaft nicht schafften, wurden verpflichtet und mit Gabri stand fortan ein ehemaliger Barca-Star an der Seitenlinie. Der frühere spanische Teamspieler verließ dafür sogar den FC Sion, bei dem sich aktuell Team-Goalie Heinz Lindner verdingt.

Mit Glück, Geld und Geschick

Seither ging es steil bergauf: Innerhalb von nur sechs Monaten nach dem Kauf schaffte man den Aufstieg von der fünften in die dritte Liga. Doch der Reihe nach: Im Sommer 2019 gelang der nun hochkarätig besetzten Mannschaft der Sprung in die "Primera Division RFEF", also die vierte Leistungsstufe.

Kurz darauf musste Drittligist Reus aus finanziellen Gründen w.o. geben. Um den freien Platz bewarben sich insgesamt fünf Klubs. Der spanische Fußballverband vergab diesen letztlich an den FC Andorra, da man als einziges Team alle Auflagen erfüllte. Angelehnt an die Covid19-Vorschriften, galt also auch beim FC Andorra die "3-G-Regel": Mit Glück, Geld und Geschick gelang ein rasantes Emporkommen.

Valverdes Co macht Andorra froh

Die folgende, von der Pandemie gezeichnete Spielzeit, beendete man auf einem beachtlichen neunten Rang. Nachdem die Saison unterbrochen worden war, verließ auch Gabri den Klub, Nacho Castro übernahm interimistisch für ein Jahr. Im folgenden Winter 2021 übergab er das Team an den bis heute amtierenden Übungsleiter Eder Sarabia.

Auch hier kamen den "Los Tricolores", wie die Fans den Klub nennen, die Beziehungen von Boss Pique zugute. Der Superstar lotste mit Sarabia jenen Mann in die Pyrenäen, der noch wenige Monate zuvor Co-Trainer von Ernesto Valverde bei, natürlich, dem FC Barcelona war. Mit dem 41-Jährigen kam auch weiterer sportlicher Erfolg nach Andorra la Vella.

Im Aufstiegsplayoff der zweiten "Corona-Saison" 2020/21 landete der Klub auf dem dritten Rang und verpasste so knapp den Aufstieg. Ein Jahr später sollte es aber soweit sein: Mit 71 Punkten durfte man den Meisterteller in Empfang nehmen, am Ende hatte die Elf von Sarabia vier Punkte Vorsprung auf die zweite Mannschaft des FC Villarreal.

Doch auch dies soll nur eine Zwischenstation sein. Schon bei der Aufstiegsfeier 2019 posaunte Pique bereits vielsagend: "Eines Tages wird die Champions-League-Hymne in Andorra erklingen." Das Projekt habe "keine Grenzen". Apropos Grenzen: Das kleine Stadion "Estadi Prada de Moles" mit seinen nur 500 Sitzplätzen wurde daraufhin zu klein, erfüllte auch nicht die Anforderungen für die zweite Liga.

Neue Arena übertrumpft Nationalstadion

So zog man ins andorranische Nationalstadion im Stadtzentrum um, welches eine Kapazität von 3.300 Plätzen aufweist. Dort hat man mit der Stadtverwaltung eine Übereinkunft getroffen, die es dem Verein ermöglicht, die kommenden beiden Jahre dort zu spielen.

Pique und die Klubverantwortlichen überlassen jedoch nichts dem Zufall: In der Zwischenzeit laufen bereits die Planungen für eine neue, eigene Arena auf Hochtouren. Diese soll über 6.000 Menschen Platz bieten und damit beinahe doppelt so groß sein, wie das "Estadi Nacional d'Andorra". Die Baugenehmigung wurde im Juli bereits erteilt, in der Saison 2024/25 soll das erste Spiel im neuen Fußballtempel steigen.

Die Kosten belaufen sich auf rund 26 Millionen Euro, was jedoch dem Stand vor der aktuellen Inflationswelle entspricht. Eine Kostensteigerung ist, ähnlich wie beim ÖFB-Projekt in Apsern, wahrscheinlich.

Aufstieg in La Liga "so bald wie möglich"

Bisher läuft es für den ambitionierten Aufsteiger in Liga zwei wie am Schnürchen. Nach sechs Spielen steht man dank vier Siegen, zwei Remis bei zwei Niederlagen auf Rang drei, der zum Aufstiegsplayoff berechtigen würde - wenngleich es noch ein weiter Weg bis zu einem etwaigen Durchmarsch ist.

Man sei sehr zufrieden mit dem bisherigen Saisonverlauf, heißt es seitens des FC Andorra im Gespräch mit LAOLA1.at. "Wir haben (zum Start, Anm.) gegen die größten Mannschaften der Liga gespielt, wie Real Ovideo, Granada und Eibar", heißt es. Besagte drei Teams, allesamt Meisterschaftsanwärter, zogen im Duell mit der Pyrenäen-Elf prompt den Kürzeren. Der Auftakt gegen Ovideo wurde mit 1:0 gewonnen, das gleiche Resultat gelang gegen La-Liga-Absteiger Granada. Eibar wurde mit 2:0 besiegt. Auch gegen Andreas Ivanschitz' früheren Arbeitgeber Levante blieb man mit 3:1 siegreich.

"Wir dachten, der Start könnte ein bisschen schwierig werden, aber jetzt haben wir 14 Punkte aus acht Spielen. Die Mannschaft hat sich sehr gut geschlagen", so der Klub.

Vom Aufstieg möchte man jedoch nicht, jedenfalls nicht direkt, sprechen, wie man betont. Das erste Ziel sei, in der neuen Liga anzukommen, "dann werden wir sehen, was passiert". Doch freilich sei man ehrgeizig, wolle den Aufstieg "so bald als möglich" realisieren.

Sehr wenig Andorra in Andorra

Den Gang in die Primera Division wird man wohl, wie bereits jene zuvor, ohne einheimischen Kicker in Angriff nehmen. Lediglich ein Andorraner stand zu Saisonbeginn im Kader der "Los Tricolores" und hört auf den Namen Alberto Rosas. Der 19-Jährige wurde jedoch im August an Viertligist Utebo verliehen. 

Andorra gilt, ähnlich wie Monaco, als "Steueroase" und zählt aktuell rund 77.000 Einwohner. Doch nur etwa 30.000 davon besitzen auch die Staatsbürgerschaft. Mit Torhüter Nico Ratti verfügt der FC Andorra immerhin über einen "gefühlten Andorraner", wie der Klub betont.

Der 29-Jährige wanderte im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern ein, besitzt jedoch keinen andorranischen Pass. Das Staatsbürgerschaftsrecht ist in Andorra streng geregelt. Wer nicht im Land geboren ist, muss mindestens 20 Jahre seinen Hauptwohnsitz dort haben und bei Annahme der andorranischen Staatsbürgerschaft alle anderen abgeben. Im Falle von Ratti wären dies jene von Argentinien und Italien.

Der Mangel an einheimischen Kickern könnte sich in Zukunft jedoch reduzieren. "Der Fußball hier hat sich sehr verbessert, vor allem in den letzten 10 Jahren. Wir freuen uns, dass wir den Menschen in Andorra einen Club bieten können, zu dem sie gehen können", wie uns der Klub im Gespräch wissen lässt. Dies spiegelt sich auch in der aktuellen Nations-League-Tabelle wider. Dort hält die andorranische Nationalelf in Gruppe D1 derzeit bei acht Punkten, besiegte Liechtenstein zweimal und trotze Moldawien sowie Lettland ein Remis ab. 

Pique bald im Andorra-Trikot?

Für Gerard Pique spielt dies jedoch nur eine untergeordnete Rolle, für ihn steht der Erfolg an erster Stelle. Entsprechend eng ist er an seinem "Hobby", wenn man es überhaupt noch so bezeichnen kann, dran. "Er verfolgt uns jeden Tag", erklärt der Klub gegenüber LAOLA1. "Er hat Leute hier, mit denen er im Austausch steht. Er weiß also alles, was hier vor sich geht", erzklärt man uns.

Pique sei der Kopf des Vereins, konzentriere sich aber auf seine Hauptaufgabe als Spieler beim FC Barcelona. Apropos Spieler Pique: Wie lange der 35-Jährige dies noch sein wird, ist derzeit fraglicher denn je. Jüngst machten Gerüchte die Runde, der Routinier könnte seine Karriere beenden. Pique kam in der laufenden Saison bisher kaum zum Einsatz. Er werde entweder für die "Blaugrana" spielen oder aufhören, betonte Pique stets. Doch läge es natürlich nahe, noch das eine oder andere Jahr als Spieler bei seinem Projekt in der Pyrenäen dranzuhängen. 

Ob es dazu kommt, ist derzeit noch offen. "Die einzige Person, die das weiß, ist Gerard Pique selbst. Wir würden uns sehr freuen, wenn er sich entscheidet, hier zu spielen", teilt der FC Andorra mit. 

"Wir sind ein kleiner Verein mit vielen jungen Spielern. Sie sind sehr jung und würden sich freuen, die Umkleidekabine mit Gerard Pique zu teilen", heißt es. Es braucht nicht viel Phantasie, um hier zwischen den Zeilen herauszulesen, dass ein Karriereabend Piques in der Pyrenäen keine Unmöglichkeit zu sein scheint.

Ex-Admiraner "zangelt" in den Pyrenäen 

Ex-Admiraner Bakis kickt jetzt in den Pyrenäen

Zieht es den Weltmeister und Champions-League-Sieger tatsächlich nach Andorra, dürfte er sich auf einen Teamkollegen mit Österreich-Bezug freuen: Sinan Bakis. Wobei die Freude in diesem Fall wohl eher ganz auf Bakis’ Seite wäre.

Der Deutsch-Türke wirbelte von 2018 bis 2020 im Angriff der Admira. In der Saison 2019/20 gelang ihm mit zwölf Treffern in 25 Spielen der Durchbruch, woraufhin Heralces Almelo zuschlug. Mit den Niederländern stieg Bakis jedoch Ende der vergangenen Saison ab und wagte danach den Sprung nach Andorra. Der 28-Jährige wurde erst unmittelbar vor Ende der Transferzeit verpflichtet.

Bisher sei man sehr zufrieden mit ihm, so der Klub zu LAOLA1.at. Kein Wunder: Bakis hat zwar noch etwas Rückstand, muss erst ins Team hineinwachsen, auch spricht er (noch) kein spanisch. Dennoch gelangen ihm in seinen ersten vier Spielen bereits drei Tore und zwei Vorlagen - der Ex-Admiraner schlägt bisher voll ein.

Im Spiel der 7. Runde gegen Albacete wurde Bakis gar zum Man of the Match. In der dritten Minute der Nachspielzeit erzielte der 28-Jährige den viel umjubelten 1:1-Ausgleich für sein Team, welches zu diesem Zeitpunkt aufgrund einer Roten Karte nur noch zu zehnt war. Auch der darauffolgenden Partie gegen Levante drückte er seinen Stempel auf: In Minute 62 brachte er sein Team 2:1 in Führung, in der Nachspielzeit assistierte er Teamkollege Valera beim entscheidenden Treffer zum 3:1. Geigen seine Teamkollegen ähnlich auf, ist schon dieser Saison großes möglich.

Sehen wir den Ex-Admiraner also bald im Duell mit Real, Barca und Co? Beim FC Andorra läuft derzeit jedenfalls vieles in diese Richtung. 

Pique mit Barca gegen Andorra?

Gelingt den Andorranern tatsächlich schon heuer der Sprung ins Oberhaus, könnte das für Gerard Pique zu einem Interessenskonflikt führen: Setzt der 35-Jährige seine Laufbahn fort, würde er im Zuge der Meisterschaft als Spieler auf jenen Klub treffen, bei dem er selbst Präsident ist. Ein entsprechendes Medienecho wäre vorprogrammiert. Auch ist ungewiss, ob die Ligaverantwortlichen sowie des FC Barcelona hier tatenlos zusehen würden.

In den Liga-Statuten findet sich kein Passus, der eine derartige Konstellation konkret untersagt. Es dürfe lediglich zu keinen "Absprachen und Wettbewerbsverzerrungen" kommen, jedoch könnte die Liga in jenem Fall Pique die Spielerlizenz verweigern, da ein Interessenskonflikt offensichtlich wäre. Doch wie man Pique kennt, hat er wohl auch dafür einen Plan.

Wie die Geschichte uns lehrt, ist das Duell des David gegen den Goliath also keine klare Sache, sondern eher vielschichtig, verworren und turbulent. Geht der Aufstieg des FC Andorra weiter wie bisher, würde er wohl zum imposantesten "Dorfklub" der spanischen Ligageschichte. Denn unter der andorranischen Sonne werfen auch Zwerge große Schatten.

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