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Barca: Ein Klub wie jeder andere

Die Katalanen haben auf und neben dem Platz ihren Glanz verspielt:

Barca: Ein Klub wie jeder andere Foto: © getty

"Mes que un club", "mehr als ein Klub", so lautet das Motto des FC Barcelona.

Das mag einmal durchaus seine Berechtigung gehabt haben. Doch in den letzten Jahren hat die Klubführung das Motto, das die Rolle des Vereins in Katalonien hervorstreicht, ad absurdum geführt.

Der FC Barcelona startet nach einer turbulenten Zeit am Sonntag gegen Villarreal in die neue Saison (ab 21 Uhr im LIVE-Ticker).

Die Auswirkungen der 2:8-Abreibung durch die Bayern im Champions-League-Viertelfinale sind bis heute zu spüren. Der Zwist mit Vereinslegende Lionel Messi stellt den traurigen Tiefpunkt einer Talfahrt in allen relevanten Bereichen dar, die wohl auf eine Person zurückzuführen ist.

Bayern demolieren Kartenhaus

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

Am Abend des 14. August wurden Lionel Messi, Marc-Andre ter Stegen und Co. wie elf Häufchen Elend vom gnadenlosen FC Bayern aus dem Estadio da Luz zu Lissabon gefegt. Der stolze FC Barcelona unterlag im Champions-League-Viertelfinale mit 2:8. Der passende Abschluss für eine Saison, die als Katastrophe in die Vereinsgeschichte eingehen wird.

In der Liga verspielten die Katalanen einen Vorsprung von zwei Punkten auf Erzrivale Real Madrid, in der Copa del Rey war gegen Bilbao Schluss. Trainer Quique Setien, der im Jänner von Ernesto Valverde übernommen hatte, musste titellos gehen.

Die Bestellung des 61-Jährigen hatte bereits für Kopfschütteln gesorgt, sie unterstreicht allerdings nur das planlose Vorgehen der sportlichen Führung.

Nun soll Vereins-Legende Ronald Koeman, der dafür seine Tätigkeit als Teamchef der Niederlande aufgegeben hat, die Kohlen mit einer desillusionierten Truppe aus dem Feuer holen.

Kriegskasse leer

Sonderlich viel Hoffnung auf Hilfe durch weitere Neuzugänge darf sich der 57-Jährige aber nicht machen. Die neu geholten Spieler wurden, mit Ausnahme von Miralem Pjanic, der durch ein bilanzschonendes Tauschgeschäft von Juventus kam, vor der Corona-Pause fixiert.

Nun sollen Pjanic, 31-Millionen-Mann Trincao und der bereits ausgemusterte Philippe Coutinho, der nach einer Leihe zum FC Bayern nach Barcelona zurückkehrte, den wankenden Riesen aufrichten.

Im selben Zug verlassen alte Stützen wie Ivan Rakitic und Arturo Vidal sowie junge Spieler ohne Chance wie Arthur, Nelson Semedo, Marc Cucurella den Klub. Angreifer Luis Suarez wurde von Neo-Trainer Ronald Koeman kaltgestellt und suchte das Weite, mittlerweile ist er bei Atletico Madrid gelandet.

Dass ein Umbruch dringend notwendig ist, ist evident, nicht zuletzt durch die Spiele nach der Corona-Pause. Problematisch wird es dann, wenn es bei den Neuzugängen hapert. Die Schwachstelle der Katalanen, die Defensive, wurde bislang sträflich missachtet.

Transfergebaren mit System

Am Transfermarkt hat der FC Barcelona in den letzten Jahren sowieso kein gutes Bild abgegeben. Überteuerte Spieler wurden durch teils unmoralische und teils strafrechtlich relevante Machenschaften von ihren Klubs losgeeist.

Der Transfer von Neymar im Jahr 2013 führte dazu, dass der damalige Vize-Präsident Josep Bartomeu und der FC Barcelona wegen Steuerhinterziehung angeklagt wurden. Ex-Präsident Rosell musste sogar in Haft.

Im Jahr 2014 wurde der Verein von der FIFA mit einer Geldstrafe und einer Transfersperre belegt. Der Klub brach Regeln, die Wechsel von Spielern unter 18 Jahren einschränkten.

2017 streikten sich sowohl Philippe Coutinho als auch Ousmane Dembele von ihren jeweiligen Vereinen in die katalanische Hauptstadt. Beide Spieler wurden um Summen weit jenseits der 100-Millionen-Marke verpflichtet, sportlich hielt sich der Mehrwert in Grenzen.

Coutinho und Dembele stehen auf der Streichliste, wegen der finanziellen Einschränkungen aufgrund der Coronakrise wird sich für beide Kicker wohl kein fester Abnehmer finden.

Im selben Jahr tätigten die Katalanen den eigenartigen Transfer von Paulinho, der für 40 Millionen Euro vom chinesischen Spitzenklub Guangzhou Evergrande kam. Zwar ist der Brasilianer ein absoluter Top-Spieler im Reich der Mitte, das Preisschild ließ Beobachter schon damals nicht schlecht staunen.

Ein Jahr später wurde der heute 56-fache Nationalspieler wieder nach Guangzhou verliehen, Kaufpflicht inklusive, die im Jänner 2019 ausgelöst wurde.

Die Einnahmen in Höhe von 42 Millionen Euro sorgten dafür, dass die „Blaugrana“ ein kleines Plus in der Transferbilanz am Ende der Saison 2018/19 verzeichnen konnten, das gelang zuletzt in der Spielzeit 2005/06.

Flops am laufenden Band

2018 schnappte Barcelona der AS Roma Malcolm unter der Nase weg, nachdem dieser sich mit den Italienern bereits geeinigt hatte.

Dies ist nach Intervention des Beraters des Brasilianers passiert, der sich darüber mokierte, dass die Römer vorher über einen anderen Berater den Neuzugang von Torhüter Fuzato finalisierten.

Die Katalanen spielten das Spielchen mit und holten sich den Offensivspieler um 41 Millionen Euro. So konnte sich Barcelona für das spektakuläre Aus im Champions-League-Viertelfinale desselben Jahres immerhin abseits des Platzes rächen.

Nach nur einer Saison wechselte Malcom, der nur 24 Spiele für die Katalanen bestritt, zu Zenit St. Petersburg.

Vor der vergangenen Spielzeit nahm die Wechselposse um Antoine Griezmann ihren Lauf. Der Franzose verkündete bereits im Mai 2019 seinen Abgang von Atletico Madrid, ließ das Ziel allerdings offen. Der Wechsel nach Barcelona galt aber als offenes Geheimnis.

Das war problematisch für die Katalanen, da in Griezmanns Vertrag bis 1. Juli eine Klausel von 200 Millionen Euro festgeschrieben war. Am 12. Juli verkündete Barcelona den Wechsel von Griezmann und überwies 120 Millionen Euro in die spanische Hauptstadt, auf diesen Wert sank die im Vertrag festgeschriebene Ablösesumme nach dem Monatsersten.

Atleticos Beschwerde bei der Liga war vergeblich, der Transfer trotz beträchtlichen Beigeschmacks offiziell.

Ähnlich skrupellos gingen die Katalanen beim Transfer von Stürmer-Flop Martin Braithwaite vor. Barcelona verpflichtete den Dänen am 20. Februar 2020 mit sofortiger Wirkung um 18 Millionen Euro. Kenner wissen, dass dies außerhalb der Transferzeit ist. Barcelona hat nach der Langzeit-Verletzung von Ousmane Dembele um eine Ausnahme-Genehmigung angesucht und diese erhalten.

Leidtragender der Situation war Braithwaites Ex-Klub Leganes. Die "Pepineros" verpflichteten den Angreifer im Sommer zuvor fest von Middlesbrough. Am Saisonende mussten das Team aus einem Vorort von Madrid den Gang in Zweitklassigkeit antreten.

Sackgasse La Masia

Einige Spieler aus Barcelonas berühmter "La Masia"-Akademie sehen keine Möglichkeit mehr, bei Barcelona einen Stammplatz zu erobern. Nur wenige, wie Supertalent Ansu Fati, haben es geschafft, das starre Konstrukt der Mannschaft zu durchbrechen.

Dani Olmo, Alejandro Grimaldo, Adama Traore und andere schafften nach Ausbildung bei den Katalanen andernorts den Durchbruch.

Nicht nur sportlich, auch wirtschaftlich lassen die Transfers des FC Barcelona viel zu wünschen übrig. Nur zweimal in den letzten 15 Jahren war die Transferbilanz der Katalanen positiv. 2017 wechselte Neymar um 222 Millionen Euro nach Paris, am Saisonende stand trotzdem ein Defizit von 155 Millionen Euro zu Buche.

Ein Abgang, der im nächsten Jahr keinen Cent in die Kassen der Katalanen spülen wird, ist der von Lionel Messi. Die Vereinslegende wollte den FC Barcelona bereits nach der abgelaufenen Spielzeit ablösefrei verlassen, muss nach einem unwürdigen Theater aber seinen noch ein Jahr gültigen Vertrag erfüllen.

Der 33-Jährige hatte nach der Blamage gegen die Bayern die Ausstiegsklausel in seinem Vertrag ziehen wollen, die aber nach Meinung der Klub-Bosse im Juli verstrichen sei.

Da der Argentinier nicht gerichtlich gegen den Verein vorgehen wollte, muss er ein weiteres Jahr in Katalonien dranhängen, trotz Verständigung mit Präsident Josep Bartomeu über einen ablösefreien Abgang nach der Saison.

Präsident im Zentrum der Kritik

Womit nun endlich der in den Augen von Messi, der Fans und vieler Beobachter Hauptschuldige für die aktuelle Situation im Verein erreicht wäre.

Josep Maria Bartomeu beerbte 2014 Sandro Rosell, der nach der Causa Neymar zurückgetreten ist, als Präsidenten.

Die Fans des FC Barcelona liefen in den Tagen nach Messis Ankündigung Sturm gegen den 57-Jährigen. Der Geschäftsmann versuchte die Massen mit einer Rücktritts-Ankündigung zu besänftigen, für den Fall, dass Messi seinen sofortigen Wechselwunsch zurückzieht und Bartomeu als Schuldigen der Saga tituliert.

Auf einen Rückzug des Barcelona-Präsidenten warten die Fans allerdings noch bis heute, scheinen aber das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. 20.000 Mitglieder unterschrieben eine Petition, wonach sich das Präsidium einem Referendum stellen muss. Stimmen mehr als zwei Drittel für dieses, muss Bartomeu noch vor den für März 2021 anberaumten Wahlen gehen.

Auch Lionel Messi gehört mittlerweile öffentlich dem Lager der Bartomeu-Kritiker an. Bereits nach seinem erzwungenen Verbleib äußerte sich der Rekord-Weltfußballer negativ über den Barca-Boss.

"Du hast es nicht verdient, so rausgeworfen zu werden, wie sie es getan haben. Aber die Wahrheit ist, dass mich an diesem Punkt gar nichts mehr überrascht", schreibt Messi in Richtung Luis Suarez nach dessen Transfer zu Atletico Madrid auf Instagram. Der Abgang des Uruguayers dürfte also nicht zur Stimmungsaufhellung Messis beitragen.

Ganz naiv sollte man als Beobachter nicht an die Sache herangehen. Lionel Messi hat in der Vergangenheit immer wieder hinter den Kulissen Machtkämpfe ausgetragen und gewonnen, die WM 2018 sei hier kurz erwähnt. Der Argentinier hat bei den Katalanen große Macht, wird diese auch versuchen, zu seinem Optimum einzusetzen, um den Verein nach seinen Vorstellungen zu formen. Nicht auszuschließen, dass der 33-Jährige doch in Barcelona bleibt, wenn Personen an den Hebeln der Macht sind, denen er wohl gesonnen ist.

Ob der Verein den Glanz vergangener Tage, auf und abseits des Platzes, zurückerlagen kann, werden die kommenden Monate und die aktuelle Saison zeigen - langweilig wird es rund um den FC Barcelona in dieser Saison auf keinen Fall.

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