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Lamine Yamal: Barcas Posterboy in großen Fußstapfen

Rekordbrecher, Wunderkind, der neue Messi? Youngster Lamine Yamal (16) wird eine glorreiche Zukunft vorausgesagt. Wie kam es dazu? Ein LAOLA1-Porträt:

Lamine Yamal: Barcas Posterboy in großen Fußstapfen Foto: © getty

Wir schreiben den 29. April 2023.

Der FC Barcelona ist auf dem Weg, einen 4:0-Heimerfolg gegen Real Betis Sevilla zu verbuchen. In der 83. Minute herrscht plötzlich Bewegung an der Seitenlinie.

Trainer Xavi steht nah an einem noch völlig unbekannten jungen Mann mit wuscheliger Lockenmähne und gibt ihm letzte taktische Anweisungen mit. Eine Einwechslung steht bevor – es sollte eine historische werden.

Lamine Yamal Nasraoui Ebana betritt an Stelle von Gavi den Rasen des altehrwürdigen Camp Nou und schreibt Geschichte: Mit seinen 15 Jahren, 9 Monaten und 16 Tagen stellte der Teenager Barcelonas bisherige Altersrekordmarke von Ansu Fati (16 Jahren, 9 Monaten und 25 Tage) in den Schatten.

Der krönende Kitsch blieb aus

Der erinnerungswürdige Kurzauftritt des jüngsten Barca- und La-Liga-Debütanten aller Zeiten hätte sogar noch an Dimension gewinnen können. Yamal vergab im Sechzehner freistehend eine Torchance aus spitzem Winkel, ein möglicher Assist scheiterte an der Ballverarbeitung von Ousmane Dembele.

Zwar blieb der krönende katalanische Kitsch letztendlich aus, was bleibt, ist nichtsdestotrotz ein bedeutsamer Meilenstein für den spanischen Top-Klub. Einmal mehr zeigte Barca seine herausragende Jugendarbeit – der nächste Rohdiamant liegt bereit. Yamal kam, um zu bleiben.

Am Mittwoch (ab 21 Uhr im LIVE-Ticker>>>) trifft der quirlige Jungstar nun mit Barca im Viertelfinale der Champions auf Paris Saint-Germain. Yamal kann dabei weiter an seinem märchenhaften Aufstieg feilen und eine Talentprobe auf höchstem Niveau zum Besten geben.

Doch woher stammt der wieselflinke Linksfuß eigentlich? Wo liegen Yamals fußballerische Wurzeln? Und was zeichnet ihn aus? Fragen die in diesem LAOLA1-Porträt beantwortet werden sollen.

 

Von den Straßen Rocafondas in Barcas Eliteschule

Von den Straßen Rocafondas in Barcas Eliteschule
Lamine Yamal trägt die Vereinsfarben der "Blaugrana" seit 2014
Foto: © getty

Die Geschichte von Barcas Jüngling beginnt in Esplugues, einer katalanischen Stadt in der Provinz Barcelona. Dort wurde der Sohn eines marokkanischen Vaters und einer Mutter aus Äquatorialguinea geboren, seine Familie zog zunächst aber ins rund 40 Kilometer entfernte Mataro weiter.

Im Stadtteil Rocafonda fanden die ersten Berührungspunkte mit Fußball statt. Als Vierjähriger sah er seinem Vater und seinem Cousin beim Fußballspielen zu und war anschließend hin und weg. Der Fußballplatz im Rocafonda Park wurde sein neues Wohnzimmer.

Yamal erinnert sich im Interview mit seinem Arbeitgeber an die Anfänge seiner persönlichen Liebesgeschichte: "Ich habe mehr Zeit im Park verbracht, als zuhause", schmunzelt Yamal. "Jedes Mal, wenn ich einen Fuß auf die Straße gesetzt habe, war es, um Fußball zu spielen." Damals war es dem heute 16-Jährigen scheinbar gleichgültig, welche Position ihm während der Spiele zugeteilt wurde.

"Als ich ein Kind war, wurde ich ins Tor gestellt. Sie haben mir ins Gesicht geschossen, aber das war mir egal. Ich kam mit Cuts nach Hause und meine Großmutter fragte mich, wo ich gewesen bin", meint Yamal, "wenn es geregnet hat und du gefallen bist, warst du völlig durchnässt. Diese Erfahrungen bleiben dir."

"An meinem ersten Tag wusste ich nicht, wie man sich aufwärmt."

Lamine Yamal über seine Anfänge in La Masia

Im Jahr 2014 erspähten die gut vernetzten Scouts des FC Barcelona Yamals Talent, im Alter von sieben Jahren schloss sich der Jüngling dem Traditionsklub an. Zuvor kickte Yamal für La Toretta, einem bescheidenen Verein aus La Roca del Valles.

In La Masia angekommen, wurde der Youngster behutsam an die komplexe taktische Ausbildung gewöhnt. Die Umstellung, nun in einer der besten Ausbildungsstätten der Fußball-Welt zu sein, brachte viel Neues mit sich. "An meinem ersten Tag wusste ich nicht, wie man sich aufwärmt", denkt Yamal zurück.

Fünf Jahre lang spielte er mit Gleichaltrigen in einem Team, das nur aus sieben Spielern bestand. Seine Trainer setzten Yamal aufgrund seiner Dribbelstärke und seines präzisen Abschlusses zu diesem Zeitpunkt als Mittelstürmer ein.

Durch die zwischenzeitliche Corona-Pandemie verlief Yamals Wechsel in den Elf-gegen-Elf-Fußball nur zaghaft. Wenige Spiele konnten durchgeführt werden, der Entwicklung seines Talents tat dieser Umstand jedoch keinen Abbruch.

Ganz im Gegenteil: Yamals herausragende Leistungen rechtfertigten einen vorzeitigen Sprung in eine höhere Altersklasse. In der Saison 2021/22 brillierte er als Falscher Neuner – eine weitere Versetzung sollte Folgen.

Yamals Weg von La Masia zu den Profis im VIDEO:

"Das ist Lamine Genial"

Yamal ließ das sogenannte Juvenil B aus und wurde ohne Umwege in die A-Mannschaft von Barcas Jugend (U19) einberufen. Selbst im Fall von Lionel Messi sah man seinerzeit von so einer Entscheidung ab. Das Risiko lohnte sich.

Die Erfahrung im Duell mit älteren Spielern ließ Yamal weiter wachsen. Neben seiner explosiven Schnelligkeit und der Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor konnte er sein fußballerisches Repertoire um kluges Passspiel erweitern – nun auf der Position des rechten Flügelspielers wohlgemerkt.

Yamal bestach durch trickreiche Sololäufe, ließ Gegenspieler wie Trainingshütchen stehen und übernahm Verantwortung auf dem Platz. In jener Saison wurde ein Kommentator von "Barca-TV" zu einem treffenden Wortspiel inspiriert: "Das ist nicht Lamine Yamal, das ist Lamine Genial!"

Auch Jugendtrainer Oscar Lopez fand lobende Worte für seinen ehemaligen Schützling: "Yamal stellt immer Fragen, und er hat eine sehr gute Veranlagung, sich weiterzuentwickeln. Man muss ihn mit Ruhe behandeln und darf nichts überstürzen."

"Er kann eine Ära prägen, besonders in Barcelona. Hoffentlich können wir ihm lange auf diesem Niveau zuschauen. Aber er ist halt noch ein Teenager, der erwachsen wird. Aktuell ist er ein fröhlicher, lustiger Junge, der Spaß hat. Er ist glücklich."

Barca Trainer Xavi über seinen Schützling

Ein unmoralisches Angebot

Der warnenden Worte zum Trotz wagte Barca jedoch den Schritt, Yamal folglich auch in der ersten Mannschaft einzusetzen. Angesichts des unbeschwerten Umgangs mit der aufkommenden Medien-Aufmerksamkeit um Yamals Person hat Xavi aber keinerlei Bedenken, sein Juwel zu verheizen.

"Ich erlebe ihn ganz ruhig. Er verarbeitet alles, was um ihn herum passiert, sehr gut - trotz seines jungen Alters. Er ist eine reife Person, er übernimmt Verantwortung, ihm ist die Situation bewusst, in der er sich befindet. Dazu ist er sehr bescheiden und gleichzeitig zeigt er uns allen, dass er ein Unterschiedsspieler ist", so die lobenden Worte seines Trainers.

Xavi ist sogar überzeugt, Yamal könne "eine Ära prägen, besonders in Barcelona". "Hoffentlich können wir ihm lange auf diesem Niveau zuschauen. Aber er ist halt noch ein Teenager, der erwachsen wird. Aktuell ist er ein fröhlicher, lustiger Junge, der Spaß hat. Er ist glücklich."

Daran soll sich in naher Zukunft auch nichts ändern. Selbst ein unmoralisches Angebot von Barcas CL-Gegner Paris Saint-Germain sollte den Bund zwischen dem Spieler und seinem Klub nicht brechen können. Laut der spanischen "Marca" hatte PSG Yamal als potenziellen Mbappe-Erben im Blick. Saftige 200 Millionen Euro sollten Überzeugung genug sein, dachten sich die Pariser. Barca schmetterte die Offerte jedoch umgehend ab, heißt es.

Yamal im spanischen Geschichtsbuch verewigt

Yamal im spanischen Geschichtsbuch verewigt
Lamine Yamal ist jüngster spanische Nationalspieler aller Zeiten
Foto: © getty

Im Verlauf der aktuellen Saison wurden Yamals Einsatzzeiten angesichts der verletzungsbedingten Ausfälle von Raphinha und Dembele immer mehr. Xavis Vertrauen in die Fähigkeiten seines Rohdiamanten wuchs stetig an, simultan purzelten weitere, unzählige Rekorde.

Yamal wurde im vergangenen September von Nationalteamtrainer Luis de la Fuente für die EM-Qualifikation einberufen. Bereits zuvor repräsentierte Yamal die spanische Nation auf der Jugendebene, Marokko – ebenfalls um dessen Zusage bemüht – ging leer aus.

Durch sein Länderspieldebüt und seinen Treffer zum 7:1-Endstand (74.) gegen Georgien ist das Barcelona-Talent nun mit seinen 16 Jahren und 57 Tagen der jüngste Nationalspieler und Torschütze in der Fußball-Geschichte von "La Furia Roja".

Im Hinblick auf die im Juni anstehende Europameisterschaft in Deutschland wird de la Fuentes wohl nicht drumherumkommen, den Teenager mitzunehmen. Seine Teilnahme an den jüngsten Testspielen gegen Kolumbien (0:1) sowie gegen Brasilien (3:3) untermauern diese Annahme.

Die ewigen Messi-Vergleiche

Die ewigen Messi-Vergleiche
Die "neuen Messis": Lamine Yamal und Ansu Fati
Foto: © getty

Bei der rasanten Progression des jungen Yamal werden derweil selbstredend Erinnerungen an Lionel Messi geweckt, der wie Yamal der renommierten Jugendakademie La Masia entsprang und den Klub über Jahre hinweg zum Erfolg führte.

Die Parallelen zwischen dem Ausnahmetalent und dem argentinischem Superstar sind unübersehbar, doch sind solch ständige Vergleiche mit Vorsicht zu versehen.

Als jüngstes Beispiel dient der Werdegang von Ansu Fati, der bei den "Blaugrana" als Messis legitimer Erbe angesehen wurde, dessen Entwicklung aber bislang durch schwerwiegende Verletzungen stagnierte. Mit nur 21 Jahren hat die Karriere des Offensivspielers, der derzeit an Brighton & Hove Albion ausgeliehen ist, längst nicht ihr finales Kapitel erreicht, sei hier mit Betonung zu erwähnen.

Im Fall von Yamal will Barca den Druck in Grenzen halten und Fehler vergangener Tage nicht wiederholen. Der richtige und vorausschauende Umgang mit solch hochveranlagten Jungspielern ist für Barca ohnehin unabdingbar geworden. In Zeiten der finanziellen Krise und Transfer-Komplikationen sind die Katalanen zunehmend auf ihre talentierten Jugendspieler angewiesen.

Lamine Yamal, der bereits 41 Pflichtspiele (sechs Tore, sieben Vorlagen) für Barca absolvierte, will unterdessen von Messi-Debatten nichts wissen. "Es ist Sache der Medien, darüber zu entscheiden. Doch es wird keinen anderen Fußballer wie Leo Messi geben", gab der Flügelspieler zu Protokoll.

Der junge Spanier scheint druckresistent zu sein und ist sich scheinbar der Schnelllebigkeit des Fußballs bewusst. Mit erst 16 Jahren ist das zweifelsohne keine Selbstverständlichkeit. Dieser Umstand regt die Fans des FC Barcelona wiederum zum Träumen an. Ein neuer Heilsbringer käme nicht ungelegen.

Yamal schickt sich an, diese Rolle eines Tages erfüllen zu können und – um es mit Xavis Worten zu beschreiben – eine neue Ära in Barcelona zu prägen.


Wunderkinder! Die jüngsten Torschützen der Barça-Geschichte


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