In unserem neuen Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.
Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.
Die LaLiga-Saison 2024/25 steht vor der Tür. Bereits am Donnerstag starten die ersten Klubs in die neue Spielzeit. Auch die beiden Giganten Real Madrid und FC Barcelona sind an diesem Wochenende am Zug. Während die "Blaugrana" unter Neo-Coach Hansi Flick am Samstag beim FC Valencia gastieren (ab 21:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>), müssen die "Königlichen" in Runde eins bei RCD Mallorca ran (ab 21:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>).
Diesmal diskutieren die LAOLA1-Redakteure Florian Gabriel und Felix Müller in vier von der Redaktion ausgearbeiteten Thesen darüber, ob Real Madrid nach der Verpflichtung von Kylian Mbappe die Konkurrenz in Grund und Boden spielen wird, Barca mit Hansi Flick einen Fehlgriff getätigt hat, die spanische Liga einen Schritt zurück gemacht hat und über David Alabas (vermeintlich) steinigen Weg zurück bei Real Madrid.
1.) Real Madrid ist nach dem Transfer von Kylian Mbappe unaufhaltbar. Jetzt muss auch Lionel Messi um seinen LaLiga-Torrekord bangen.
Florian Gabriel:
Ja, ich glaube Real Madrid wird durch den Transfer von Kylian Mbappe stärker sein als noch in den vergangenen Jahren. Ja, ich glaube, dass der Meistertitel in dieser Saison einmal mehr nur über das "Weiße Ballett" führen wird. Jedoch glaube ich nicht an eine absolute Dominanz.
Speziell die Offensive ist gespickt mit Superstars. Superstars, die alle den Anspruch hegen die Nummer eins beim Verein zu sein. Und oft verderben eben auch viele Köche den Brei. Mit Kylian Mbappe, Vinicius Junior, Jude Bellingham, Rodrygo, etc. hat Präsident Florentino Perez in den letzten Jahren die "Galacticos 3.0" geformt.
Auf Startrainer Carlo Ancelotti kommt jetzt eine ganz besondere Rolle zu. Der erfahrene Italiener muss versuchen, aus all diesen phänomenalen Einzelkünstlern ein harmonierendes Team zu formen. Sollte dies gelingen, wird der 15-fache Champions-League-Rekordsieger international auf Jahre weiterhin die klare Nummer eins bleiben. Sollte er jedoch scheitern, kann es sehr schnell zu Unruhen und Machtkämpfen innerhalb des Teams kommen.
Auch wenn der Kader voller Weltklassespieler strotzt, ein besonderes Auge wird auf Neuzugang Kylian Mbappe liegen. Bei Real wird der französische Superstar, wie schon in den letzten Jahren bei PSG, im Sturmzentrum auflaufen. Auch wenn seine bevorzugte Position eigentlich auf dem linken Flügel ist, sind die Madrilenen seit dem Abgang von Karim Benzema auf der Suche nach einem neuen zentralen Stürmer.
256 Tore in 308 Pflichtspielen für Paris Saint-Germain sind eine unglaubliche Quote. Den "Pichichi" als Torschützenkönig in LaLiga traue ich ihm absolut zu, Messis Torrekord wird er jedoch nicht knacken. Mbappes Torquote ist zwar herausragend, mehr als 33 Ligatreffer in der Saison 2018/19 gelangen ihm aber noch nie.
Weil außerdem der Real-Kader gespickt mit torgefährlichen Spielern ist, wird es für Mbappe quasi ein Ding der Unmöglichkeit, die Zahlen des Argentiniers zu erreichen. Zum Vergleich: In Messis 50-Tore-Rekordsaison trafen einzig Alexis Sanchez (11) und Xavi (10) in der Liga zweistellig. Die Fabelsaison 2011/12 wird also ein Rekord für die Ewigkeit bleiben.
Felix Müller:
So einfach ist es nicht.
Dass Kylian Mbappe auch in Madrid für magische Momente sorgen wird, steht außer Frage. Dass ein Transfer einer solchen Größenordnung allerdings auch das Risiko des Beginns einer Seifenoper birgt, ebenfalls.
Doch wir sprechen hier über Real Madrid - kein Verein im Weltfußball steht in diesem Ausmaß für Glanz, Glamour und Erfolg. Und kein Verein der Welt verträgt wohl so viele Superstars und schillernde Figuren in einer Mannschaft wie die "Königlichen". Wenn es einem Trainer zuzutrauen ist, aus dieser illustren Runde eine Mannschaft zu formen, dann wohl "Don" Carlo Ancelotti. Wenn das gelingt, muss sich die Konkurrenz warm anziehen.
An einen Spaziergang durch die Saison glaube ich aber genauso wenig wie Kollege Gabriel - ähnlich wie Erzrivale Barca geht auch bei Real Madrid aktuell eine Zäsur vonstatten. Arrivierte Klubikonen und Routiniers wie Toni Kroos, Nacho und Joselu verabschiedeten sich, nun muss es die neue Generation richten.
Insbesondere in der Defensivabteilung weisen die "Blancos" keine große Kaderbreite auf, eine weitere Verletzungsmisere könnte der Mannschaft richtig teuer zu stehen kommen. Dass Real Madrid in der Saison 2024/25 "unaufhaltbar" von Galavorstellung zu Galavorstellung eilt, das "Werkl" sofort läuft? So einfach wird die Mission Titelverteidigung nicht von der Hand gehen.
Dafür, dass Lionel Messis Torrekord auch nach der Saison 2024/25 noch besteht, lege ich meine Hand ins Feuer.
2.) Der Fußball von Hansi Flick passt nicht nach Barcelona: Die Ehe mit dem deutschen Trainer wird eine kurze.
Felix Müller:
Ganz im Gegenteil.
Mit der Bestellung von Hansi Flick hat der FC Barcelona eine neue Ära eingeläutet – und eine stringente, mutige Entscheidung getroffen.
Flick steht für einen direkten, aggressiven Angriffsfußball und überrollte seinen nunmehrigen Arbeitgeber einst als Cheftrainer einer historisch guten Bayern-Mannschaft.
Nachdem das Tischtuch mit dem als Trainer zur Unglücksfigur mutierten Vereinsikone Xavi zerschnitten wurde, zog man mit Flick eine langjährige Wunschlösung an Land. Eine Personalie ohne Stallgeruch, die, wie man hört, in der Vorbereitung viel auf den Kopf gestellt hat und genau weiß, wo sie mit ihrer Mannschaft hin möchte.
Flick bringt die Tugenden mit, die der seit Jahren taumelnde Riese genau jetzt braucht. Er hat das Know-How, um das grenzenlose Potenzial von Pedri, Yamal, Olmo, Lewandowski und Co. in vollem Umfang zur Geltung zu bringen.
Der 59-Jährige steht für deutsche Arbeitsmoral, Disziplin und Gründlichkeit - die in Barcelona auf pure Spielfreude, jugendliche Unbekümmertheit sowie Potenzial und Kreativität im Überfluss treffen.
Als Bayern-Coach historisch erfolgreich, als deutscher Bundestrainer gescheitert, kennt Flick die Licht- und Schattenseiten des Trainergeschäfts. Ein Umstand, der ihm bei seiner Aufgabe bei einem Klub vom Format des FC Barcelona ganz sicher dienlich sein wird. Flick und Barca, das passt wie die Faust aufs Auge.
Florian Gabriel:
Ich sehe das Risiko etwas größer.
Klar, mit dem Trainerwechsel von Vereinslegende Xavi zu Hansi Flick hat der FC Barcelona neues Territorium betreten.
Präsident Joan Laporta gilt seit Jahren als großer Bewunderer des 59-jährigen Deutschen. Eine Bewunderung, die so groß war, dass Laporta eine Klublegende wie Xavi trotz Rücktritts vom Rücktritt doch noch entlassen hat. Flick hat in Katalonien während seiner Amtszeit beim FC Bayern München bleibenden Eindruck hinterlassen, nicht zuletzt wegen des "Sextuples", sondern auch wegen des denkwürdigen 8:2-Sieges gegen Barca im Champions-League-Viertelfinale 2020.
Klar ist auch, dass der FC Barcelona mit dem deutschen Übungsleiter einen mutigen und neuen Weg beschreitet. Wie Kollege Müller oben treffend beschrieben hat.
Jedoch birgt seine Bestellung als Cheftrainer auch große Risiken: Nach seiner erfolgreichen Bayern-Zeit ist Flick beim DFB kläglich gescheitert. Den Höhepunkt nahm eine "Amazon Prime-Doku", in der zu sehen war, wie der 59-Jährige während der WM 2022 die gesamte Kabine verloren hat.
Hansi Flick hat definitiv das Zeug als Barca-Trainer erfolgreich zu sein. Jedoch wird hierbei der Faktor Zeit eine gewichtige Rolle spielen. Die Erfolge werden nicht von heute auf morgen da sein und genau da sehe ich das Problem. Der Erfolgsdruck in Barcelona ist enorm, eine titellose Saison wird selten akzeptiert, das musste zuletzt eben auch Xavi erfahren.
Die spanischen Medien schreiben schon vom "Retter". Flick wird daher von Tag eins unter Druck stehen, denn Barca hat eben alles, nur keine Zeit.
3.) Spanien ist zwar Europameister, La Liga ist derzeit aber maximal nur die viertbeste Liga Europas.
Florian Gabriel:
Diese These muss ich mit einem klaren Nein beantworten.
Klar ist die Premier League, vor allem, was den finanziellen Aspekt betrifft, eine eigene Hausnummer. Jedoch sehe ich die spanische LaLiga dicht dahinter auf Platz zwei.
Die letzten großen Endspiele sollten dabei den perfekten Beweis liefern. Spanien ist aktueller Europameister, Olympiasieger und hat mit Real Madrid den amtierenden Champions-League-Sieger als Zugpferd in der Liga.
Auch wenn die spanischen Klubs in der UEFA-Fünfjahreswertung aktuell nur auf dem dritten Platz liegen, hat in den letzten elf Saisonen nur vier Mal kein spanisches Team die Königsklasse gewonnen.
Exakt gleich spiegelt sich das auch in der Europa League wider: Sieben der letzten elf Gewinner kamen aus Spanien. Anhand dieser Zahlen lässt sich festmachen, dass die spanische Liga definitiv zu den allerbesten der Welt gehört.
Klar ist die Dichte an Weltklasse-Teams in England höher, was aber den Erfolg anbelangt sind die Spanier die Nummer eins.
Felix Müller:
Auf den ersten Blick eine abstruse Behauptung.
Basierend auf den von Kollege Gabriel dankenswerter Weise zusammengetragenen Fakten und Zahlen, fiel auch meine erste Reaktion auf besagte These aus.
Dass sich die englische Premier League in eigenen Sphären befindet, ist klar. Aber der Umstand, dass sich Italien und Deutschland den Iberern nach und nach annähern, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. In den Saisonen 2022/23 und 2023/24 schnitt Spanien in der UEFA Fünfjahreswertung stets schlechter als Italien und Deutschland ab.
Obwohl mit dem späteren Sieger Real Madrid, Atletico Madrid und dem FC Barcelona in der Saison 2023/24 drei spanische Vereine das Viertelfinale der UEFA Champions League erreichten, fiel die Ausbeute in den anderen beiden Bewerben mager aus.
Ja, die Titel-Statistik der letzten Jahre macht LaLiga zumindest in Sachen Erfolgs-Ausbeute zur klaren Nummer eins. Und richtig - nach einem solchen Jahr, einem solchen Sommer - den spanischen Fußball am absteigenden Ast zu wähnen, mag absurd erscheinen.
Doch während zahlreiche italienische oder deutsche Klubs aktuell eine kleine Renaissance durchleben, stecken spanische Traditionsklubs wie Sevilla oder Valencia tief in der Krise. Wenn man keine Diskussionen über den Status als Top-3-Liga aufkommen lassen will, sollten Spaniens Spitzenklubs heuer im internationalen Wettbewerb im besten Fall durch die Bank abliefern.
4.) Kein Vorbei an Rüdiger und Militao: David Alaba wird nach seiner Verletzung nie wieder Stammspieler bei Real Madrid.
Felix Müller:
David Alaba findet sich nach seinem Kreuzbandriss in einer der schwierigsten Phasen seiner bisherigen Karriere wieder – seit Dezember 2023 ist der ÖFB-Superstar mittlerweile außer Gefecht. Noch bis ins Jahr 2025 ist für den 32-jährigen Wiener wohl nicht an eine Rückkehr auf den Platz zu denken.
Und dennoch hege ich keine Zweifel daran, dass David Alaba in einigen Monaten in alter Stärke seinen Weg zurück auf die ganz große Fußballbühne finden wird. Obwohl seine aktuelle Knieverletzung seine bisher schwerwiegendste ist – wenn es einem Spieler zuzutrauen ist, die Rückschläge und mentalen Dämpfer wegzustecken und beim wohl besten Klub der Welt zurück in die Spur zu finden, dann David Alaba.
Neben seinen fußballerischen Qualitäten waren es nämlich in erster Linie stets Willenskraft, Mentalität und Persönlichkeit, die den ÖFB-Rekordspieler zu einem der erfolgreichsten Fußballern unserer Zeit gemacht haben. Ja, mit Toni Rüdiger und Eder Militao hat Alaba zwei hochprominente und bärenstarke Konkurrenten in der Innenverteidigung – beide blieben bisher aber ebenfalls nicht von Verletzungen gefeit, auch Militao riss sich vor rund einem Jahr das Kreuzband.
Zudem zählt der Kader von Real Madrid aktuell nur vier gelernte Innenverteidiger. Wenn die "Königlichen" aktuell eines gut gebrauchen könnten, dann einen fitten David Alaba. In über zehn Jahren Bayern München lieferte sich David Alaba schon den einen oder anderen Konkurrenzkampf – und ging dabei immer als Sieger hervor. Im Vollbesitz seiner Kräfte, wird David Alaba in die Startelf von Real Madrid zurückkehren.
Florian Gabriel:
Mein Kollege hat das oben eigentlich perfekt zusammengefasst.
Auch ich traue David Alaba zu, sich trotz dieser schwerwiegenden Verletzung erneut bei Real Madrid in die Startformation zu kämpfen.
Weil im Gegensatz zur Offensive, Reals-Abwehr weder qualitativ noch quantitativ herausragend besetzt ist, können die "Königlichen" einen fitten Alaba sehr gut gebrauchen. Mit Antonio Rüdiger, Eder Militao und Jesus Vallejo hat Alaba "nur" drei Konkurrenten um den Platz in der Abwehrzentrale.
Weil aber auch links hinten weder Ferland Mendy noch Fran Garcia bisher vollends überzeugen konnten, sehe ich gute Chancen, dass der ÖFB-Teamspieler spätestens im Saisonendspurt wieder viele Minuten sammeln kann. All das natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Alaba, wie geplant Anfang Jänner 2025 wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann.
Aber grundsätzlich möchte ich festhalten, ein topfitter David Alaba ist für jede Mannschaft dieser Welt ein Gewinn.