In der Serie "Das Tor zur Welt" nehmen wir internationale Fußball-Klubs und ihre Geschichten genau unter die Lupe. Wir beleuchten die Hintergründe, die in der schnellen, täglichen Berichterstattung gerne untergehen.
Von Nottingham Forest über den FC Vaduz und Torino bis Dinamo Zagreb haben wir schon einige Klubs portraitiert. Hier kannst du alle Nachlesen >>>
Zur WM 2022 nehmen wir auch Nationalmannschaften unter die Lupe. Den Anfang machen die 10er Argentiniens: Hier lesen>>>
Rund um den 9. April eines jeden Jahres kann man sich darauf verlassen, dass Abdullah bin Nasser bin Abdullah Al Ahmed Al Thani seine immerhin rund 176.000 Follower große Twitter-Gemeinde wissen lässt, wie gemein das nicht alles war.
Dieser schwarze Tag des Fußballs. Eine internationale Untersuchung müsse her.
Besagter Skandal ist inzwischen knapp ein Jahrzehnt her. Am 9. April 2013 drehte Borussia Dortmund mit Treffern von Marco Reus und Felipe Santana in der Nachspielzeit eines der denkwürdigeren Matches der Zehner-Jahre.
Diese 2:3-Pleite verhinderte in letzter Sekunde, dass der FC Malaga in das Halbfinale der UEFA Champions League einzog.
Besonders bitter für die Spanier: Beim Treffer von Santana standen gleich vier BVB-Spieler im Abseits.
We do not forget what happened against Málaga cf
— Abdullah N Al Thani (@ANAALThani) April 12, 2022
This is bands game
we ask to open international investigation
Fair and transparent
we ask for justice
Respect #Málagacf
The Black day of football in the world #The_Black_day 9-4-2013 🌑@rfef @LaLiga @LaLigaEN pic.twitter.com/Q51X1eNHYq
Letztlich waren es wenige Sekunden im Westfalenstadion, die zu einer ganzen Ewigkeit an Was-Wäre-Wenn-Fragen für Malaga geführt haben.
Die dringlichste: Hätte das Schicksal eine angenehmere Wendung für den Verein aus der 575.000 Einwohner zählenden Stadt an der Costa del Sol parat gehabt, wenn man weitergekommen wäre? Für den BVB ging es in besagter Saison der Königsklasse immerhin bis ins Finale.
Nur der "Bösewicht" ist noch da
Für den damaligen Emporkömmling im internationalen Konzert der Allergrößten ging es seither bergab, und das geht durchaus als Untertreibung durch.
Für alle, die sich am Tag des Gastspiels des ÖFB-Nationalteams in Malaga fragen, wie es dem ortsansässigen Traditionsklub aus der Geburtsstadt von Pablo Picasso so geht, gibt es nämlich eine ebenso simple wie traurige Antwort: Nicht gut.
Malaga CF ziert das Tabellenende, allerdings nicht von LaLiga, sondern jenes von LaLiga2. 2018 ging es in die Zweitklassigkeit, aus der es seither keinen Ausweg gab. Nun droht dem Champions-League-Teilnehmer a.D. gar der totale Absturz in die dritte Leistungsstufe.
Der Präsident heißt übrigens – und in diesem Fall wirklich warum auch immer – nach wie vor Abdullah Al Thani.
Und für jene, die es noch nicht erraten haben: Er ist der "Bösewicht" in dieser Tragödie, in der auch George Clooney einen Gastauftritt haben wird.
Goldgräberstimmung an der Costa del Sol
Diese Geschichte beginnt mit einem Investment, wie es sie in den vergangenen zehn bis 20 Jahren zuhauf gab. Ausländischer Investor kauft Fußballverein, im konkreten Fall ein Scheich aus Katar Malaga um kolportierte 36 Millionen Euro.
Verkäufer war übrigens Lorenzo Sanz, der manchen vielleicht noch als ehemaliger Präsident von Real Madrid (1995 bis 2000) in Erinnerung ist. Verhandelt hat den Deal sein Sohn Fernando Sanz, der seine aktive Karriere in den 90ern bei Real Madrid startete und von 1999 bis 2006 immerhin 221 Pflichtspiele für Malaga absolviert hat.
Die finanziellen Mittel eines Mitglieds der katarischen Königsfamilie sorgten in der andalusischen Metropole anfangs durchaus für Goldgräberstimmung. Es soll ja auch unattraktivere Orte zum Leben geben.
Martin Demichelis machte am 1. Jänner 2011 den Anfang, indem er vom FC Bayern München nach Malaga übersiedelte. Julio Baptista (AS Roma) und Goalie Willy Caballero folgten in derselben Transferzeit.
Den Transfer-Sommer ihres Lebens erlebten die Malaga-Fans ein halbes Jahr später. 59,25 Millionen Euro wurden ausgegeben und in namhafte Akteure wie Santi Cazorla (er allein kostete 23 Millionen), Jeremy Toulalan, Nacho Monreal oder Joris Mathijsen investiert.
Vierter in der spanischen Liga
Aus der zweiten Mannschaft von Valencia konnte man um sechs Millionen Euro einen Jungstar namens Isco loseisen.
Auch Freude älterer Semester kamen auf ihre Kosten: Ein gewisser Ruud van Nistelrooy kam ablösefrei und verbrachte seine letzte Karriere-Saison unter Mittelmeer-Ambiente.
Im Sommer 2012 konnte man zwar keine Kohle mehr ausgeben, als Champions-League-Starter lockte man jedoch ablösefrei oder per Leihe Herrschaften wie Diego Lugano, Roque Santa Cruz oder Javier Saviola an.
Letztlich waren die Saisonen 2011/12 und 2012/13 auch sicherlich die prägendsten in einem sehr kurzen, dafür umso intensiveren sportlichen Hoch.
2012 qualifizierte man sich als Tabellen-Vierter für die Champions League, in der man 2013 in besagtes Viertelfinale gegen Dortmund vordrang. In der Liga reichte es noch zu Platz sechs, doch zu diesem Zeitpunkt verdunkelten sich die Wolken über Malaga schon längst.
Pellegrini und der Kreisverkehr
Doch bleiben wir noch kurz bei den fetten Jahren, die auf dem Platz die Handschrift eines wahren Trainer-Könners zierten.
Manuel Pellegrini heuerte im November 2010 in Malaga an, nachdem er in der Saison 2009/10 mit Real Madrid zwar nicht ganz so schlechte 96 Punkte erobert hatte, den Titel jedoch Pep Guardiolas Wunder-Team vom FC Barcelona überlassen musste.
Pellegrinis Arbeit in Malaga diente ihm aber immerhin als Sprungbrett zu Manchester City, wo er 2014 die Premier League gewann, 2016 jedoch von ebenjenem Guardiola ersetzt wurde.
Ob Pellegrini in Manchester aber denselben Spaß wie in Malaga hatte? Noch Jahre später schwärmte der Stratege aus Chile:
"Ich erinnere mich an drei wunderbare Jahre in Malaga. Drei Jahre, in denen wir attraktiven Fußball gespielt haben – mit einer Mannschaft, die in ihrer Champions-League-Gruppe ungeschlagen war und Milan hinter sich ließ. Das fußballerische Niveau war spektakulär. Auch wenn das Ende gegen Borussia Dortmund schmerzhaft war, war diese letzte Saison vielleicht diejenige, die es mir ermöglicht hat, zu so einem großen Verein wie City zu wechseln."
Gleichzeitig spricht der heute 69-Jährige, der 2020 als Coach von Betis nach Andalusien zurückgekehrt ist, von "der sentimentalsten Phase meines Lebens".
"Die Zuneigung der Fans war unglaublich inspirierend. In den Tagen vor dem Rückspiel gegen Dortmund starb mein Vater. Ich kehrte zur Beerdigung nach Santiago zurück und landete am Tag des Spiels in Deutschland. Es war hart und wurde noch schwerer, als wir durch diesen unverständlichen Fehler des Schiedsrichters in den Schlussminuten verloren haben. Das waren schmerzhafte Momente für uns alle. Als wir nach Malaga zurückkamen, warteten am Flughafen um 3 Uhr morgens trotzdem mehr als 3.000 Menschen auf uns. Tage später huldigte das gesamte Stadion La Rosaleda meinem Vater."
Pellegrini sprach diese Worte übrigens 2018, als in Malaga die "Glorieta Manuel Pellegrini" eröffnet wurde – also ein nach ihm benannter Kreisverkehr. Irgendwie eine nette Idee, dass sich Verkehrsteilnehmer auf diese Art und Weise an die Pellegrini-Ära erinnern können.
Die Fans bleiben loyal
Die Fans sind – zumindest in Relation zum Absturz – immer noch da.
Im Schnitt 17.762 Besucher fanden in dieser Saison den Weg ins 30.000 Zuschauern Platz bietenden Rosaleda. Keine schlechte Zahl, wenn man bedenkt, dass das Schlusslicht erst ein Heimspiel gewinnen konnte und sich mit Teams wie Albacete oder Lugo misst.
"Die Fans von Malaga CF sind entsetzt von der Situation des Teams. Sie haben schon einige schlechte Jahre hinter sich, aber jetzt ist man sogar in der zweiten Liga Letzter und die Geduld neigt sich dem Ende zu", schildert Manuel Garcia vom Medium "La Opinion de Malaga" gegenüber LAOLA1 die aktuelle Gefühlslage der Anhängerschaft, die jedoch in großen Teilen nach wie vor die Treue hält:
"Sie supporten das Team weiterhin, weil sie loyale Fans sind und schon immer an der Seite des Klubs standen. Sie glauben auch diese Saison noch, dass der Klassenerhalt gelingen kann."
Das sollte er auch, denn laut Garcia hätte der Gang in die Drittklassigkeit "schwerwiegende Konsequenzen":
"Der Klub ist aktuell zwar finanziell gesund und wäre wahrscheinlich sogar kompetitiv, aber es wären wohl quer durch den Klub Entlassungen notwendig und auch die Mannschaft würde sich komplett verändern. Es wäre sehr hart", glaubt Garcia, der auf eine Trendwende hofft und vermutet, dass man in der Winter-Transferperiode – zumindest nach den heutigen Möglichkeiten – reagieren wird.
Der Niedergang startet bereits 2012
So bitter die Erfahrung gegen Dortmund auch war: Heute wäre man angesichts der tristen Lage logischerweise gerne in der Position, solche Spiele bestreiten zu können.
Der Niedergang begann im Prinzip bereits 2012, also noch vor den Duellen mit dem BVB. Am 21. Dezember 2012 schloss die UEFA im Zuge des Financial Fairplays Malaga für eine Europacup-Saison aus – eine Strafe, die nach dem bereits erwähnten sechsten Platz für die Europa-League-Teilnahme 2013/14 schlagend wurde.
Hohe Ablösen, hohe Gehälter, kleines Stadion – schon mal keine guten Voraussetzungen in Sachen FFP. Noch weniger ideal ist es jedoch, wenn der Geldgeber im Prinzip den Geldhahn zudreht, was die ganze Sache endgültig bizarr werden lässt.
Es ist ein kruder Mix aus an Behörden gescheiterten Immobilienplänen an der Costa del Sol – so wollte sich Al Thani etwa durch den Ausbau des Hafens von Marbella verewigen – und Verschwörungstheorien in Sachen Bevorzugung von Barca und den beiden Großklubs aus Madrid, der das Interesse des Scheichs offenkundig reduzierte.
Ausbleibende Gehälter und Spielerverkäufe
Um ausbleibende Gehälter doch Zahlen zu können, begann man schon im Sommer 2012 mit Spielerverkäufen. Santi Cazorla und Nacho Monreal wurden noch während der Saison 2012/13 an den FC Arsenal veräußert.
Umso bemerkenswerter ist es, dass der Erfolgslauf in der Champions League trotz der finanziellen Probleme gelungen ist.
Im Sommer 2013 kassierte man von Real für Isco 30 Millionen Euro. In den kommenden Jahren verkaufte man schließlich alles, was Rang und Namen hatte. Die wirtschaftlich erfolgreichste Transferzeit gelang 2015/16, als man in Summe 46,8 Millionen Euro einnahm.
Sportlich ging es Schritt für Schritt bergab, auch wenn sich namhafte Coaches wie Bernd Schuster oder Juande Ramos in Malaga versuchten. Nach einer Phase als Mittelständler stieg man 2018 ab.
Warum der Scheich nicht verkaufen will
Nur einer blieb, zumindest irgendwie: Scheich Abdullah Al Thani.
Die vielen Jahre seither kann man als Freudenfest für Anwälte und Boulevard-Journalisten zusammenfassen. Man sieht sich immer wieder vor Gericht, schließlich soll sich Al Thani unter anderem am Verein bereichert haben.
"Es laufen immer noch zwei Gerichtsverfahren. Das ist der einzige Grund, warum er immer noch Präsident des Klubs ist. Bevor diese Prozesse nicht beendet sind, wird nichts passieren, weil er vorher seine Anteile nicht verkaufen will", erläutert Garcia, der die düstere Stimmungslage auf den Punkt bringt:
"Die meisten Fans sind gegen Al Thani. Der Traum, vor zehn Jahren in der Champions League zu spielen, ist ein einziger Albtraum geworden."
Clooneys Angebot
Nicht einmal ein Hollywoodstar reichte, um den FC Malaga endgültig aus Al Thanis "Geiselhaft" zu befreien.
Schon 2020 gab es das Gerücht, dass George Clooney Teil eines Konsortiums sei, das den Verein kaufen möchte. Medienberichten zufolge bot man sogar mehr als jene 36 Millionen Euro, die Al Thani einst der Familie Sanz überwiesen hat.
Der Scheich bestand jedoch offenkundig auf einer Forderung von 84 Millionen Euro.
Clooney bestätigte im heurigen Frühjahr, dass er beinahe beim FC Malaga eingestiegen wäre.
"Einen Fußball-Klub zu besitzen ist das Zweitbeste nach für ihn zu spielen. Vielleicht eines Tages…", sagte der Mime.
In Malaga hätte er das Drehbuch für einen Blockbuster vor herrlicher Kulisse quasi gleich miteingekauft.
VIDEO - Los Mejores: Isco: