Jakob Jantscher lässt die Seele baumeln. Der 28-jährige Steirer genießt den Urlaub mit seiner 16 Monate alten Tochter Alma, die vergangene Woche in Graz getauft wurde, seiner Frau, Freunden und Hunden am Strand in Italien.
Abschalten nach dem Abstieg. Zwei, drei Wochen befindet sich der Legionär aus der Türkei auf Urlaub. In der Steiermark und in Italien. "Mein erster Urlaub seit einem Jahr", erklärt Jakob Jantscher, der aktuell einer ungewissen Zukunft entgegenblickt, im LAOLA1-Interview.
Jantscher genießt die Auszeit: "Im Winter haben wir in der Türkei quasi durchgespielt. Am 28. Dezember war unser letztes Spiel, am 2. Jänner begann dann das Training für die neue Saison."
Der 23-fache ÖFB-Teamspieler - wurde bei dem EURO 2016 in Frankreich beim 1:2 zum Abschied gegen Island (Bild) eingewechselt und steht seither nicht mehr im Aufgebot von Teamchef Marcel Koller - unterschrieb im August 2016 einen Vier-Jahresvertrag bei Caykur Rizespor. Nach nur einem Jahr könnte für den Mittelfeldspieler bereits wieder der nächste Wechsel anstehen.
Familie Jantscher fühlt sich in Rize, einer nordtürkischen Stadt am Schwarzen Meer (150.000 Einwohner, 120 km von der Grenze zu Georgien entfernt), ausgesprochen wohl. Die Jantschers möchten bleiben. Nach seinen Stationen Salzburg (2010-2013), Dynamo Moskau (Leihvertrag 2012/13), NEC Nijmegen in den Niederlanden (2013, Abstieg 2014) und FC Luzern (2014-2016) hoffte der ehemalige Sturm-Graz-Profi in der Türkei auf ein langfristiges Engagement.
Wie es aussieht, ist das aber alles andere als sicher. "Das nervt", gesteht Jakob Jantscher im LAOLA1-Interview.
LAOLA1: Wie fühlte sich der Abstieg in der Türkei an?
Jakob Jantscher: Am Ende war alles sehr schade und dramatisch, da es auf den letzten Spieltag hinausgelaufen ist. Wir waren vier Runden vor Schluss bereits so gut wie unten. Mit-Abstiegskandidat Bursaspor ist zu diesem Zeitpunkt acht Punkte vor uns gelegen. Bei einem weiteren Sieg von Bursaspor wären wir weg gewesen. Umso dramatischer war es, dass wir dann am letzten Spieltag absteigen mussten. Wir haben bis zum Schluss alles unternommen, um die Klasse zu halten. Wir haben das letzte Spiel gewonnen und Trabzonspor lag gegen Bursaspor in Führung. Zur Halbzeit waren wir gerettet, mit dem Schlusspfiff sind wir abgestiegen. Es war echt schade, dass es so gelaufen ist.
LAOLA1: Wie haben die Fans reagiert?
Jantscher: Die Fans waren natürlich nicht zufrieden, aber sie haben die Situation relativ gut aufgenommen, es ist überraschend gesittet abgelaufen. Auch, weil wir in den letzten Wochen gut gespielt und gepunktet haben. Wir haben uns als Team richtig ins Zeug gelegt und mussten am letzten Drücker den Abstieg hinnehmen.
LAOLA1: Wie ist der Verein für die zweite Liga gerüstet?
Jantscher: Sehr gut. Ich bin seit einem Jahr bei Rizespor und kann nur das Beste berichten. Der Verein ist sehr professionell aufgestellt, verfügt über ausgezeichnete Trainingsmöglichkeiten und wird nicht auseinanderbrechen. Meine Familie und ich fühlen uns in Rize sehr wohl. Es passt sportlich und privat. Der Verein hat ganz klar das Ziel, den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen. Die Rahmenbedingungen dafür sind vorhanden. Auch die finanziellen Möglichkeiten sind gegeben.
LAOLA1: Klingt so, als würdest du auch in der zweiten Liga für Rizespor auflaufen, oder?
Jantscher: Das steht noch nicht fest. In der zweiten Liga dürfen pro Mannschaft nur mehr fünf nicht-türkische Spieler auflaufen. Der Rest der Mannschaft muss für die türkische Nationalmannschaft selektionierbar sein. Wir hatten bisher 13 Spieler ohne türkischen Pass. Da wird definitiv ein Umbruch passieren. Ich bin aber überzeugt, dass das ein Verein ist, der in die höchste Liga gehört und dort auch lange vertreten war. Ich bin sicher, die werden in die SüperLig zurückkehren.
LAOLA1: Mit dir und dem ehemaligen Sturm-Spieler Bright Edomwonyi aus Nigeria?
Jantscher: Dazu kann ich aktuell noch gar nichts sagen. Die Verantwortlichen halten sich zurzeit noch sehr bedeckt, sie müssen erst richtig verdauen, was da passiert ist. Die Funktionäre werden das Ganze in den nächsten zwei Wochen ausgiebig diskutieren und analysieren und dann werden wir Spieler erfahren, was Sache ist und wie die weitere Planung aussieht. Ich habe aktuell jedenfalls überhaupt keine Ahnung, wie es mit mir und meiner sportlichen Zukunft weitergeht.
LAOLA1: Du hast neben Österreich auch in Russland, Holland und der Schweiz gespielt – wo würdest du vom Sportlichen und dem Umfeld die Türkei einreihen?
Jantscher: Für mich persönlich ist die SüperLig die beste Liga, in der ich bisher gespielt habe. Ich vergleiche die Liga vom Typus her gerne mit Russland. Da ist die Türkei vom Spielerischen klar drüber zu stellen. Die Russen spielen körperbetonter, aber in der Türkei sind sehr feine Fußballer im besten Alter unterwegs. Die Liga verfügt über sehr viele internationale Teamspieler. Bei den Istanbuler Großklubs sind richtig gute Legionäre im Einsatz, die ihre Klasse immer wieder ausspielen. Dazu kommt, dass die Liga boomt und finanziell über große Möglichkeiten verfügt. Auch wenn für viele ausländische Profis die aktuelle Situation in der Türkei nicht sehr einfach ist, bin ich überzeugt, dass im Sommer wieder etliche hochkarätige Spieler in die SüperLig wechseln werden.
LAOLA1: Wie gut bist du als Legionär über den heimischen Fußball informiert?
Jantscher: Sehr gut. Ich verfolge alles über das Internet und bin mit meinen Freunden bei Sturm und Salzburg regelmäßig in Kontakt. Dazu verfolge ich, was mit meinen Ex-Vereinen in der Schweiz oder in Holland passiert. Auch dorthin pflege ich weiter meine Kontakte.
LAOLA1: Dein Ex-Klub Salzburg dominiert in Österreich. Nächstes Jahr gibt es eine Liga-Reform. Wie siehst du die Situation?
Jantscher: Ich befürworte die Reform. Wie in der Schweiz haben auch hierzulande Trainer und Spieler immer wieder Kritik am Modus geäußert. In der Meisterschaft vier Mal gegeneinander zu spielen, ist nicht optimal. Ich habe bei Salzburg, aber auch in der Schweiz von guten Spielern immer wieder gehört, dass sie diesen Modus zu eintönig finden. So gesehen finde ich es gut, dass die Bundesliga da im kommenden Jahr einen neuen Weg geht. Für die zweite Liga wird es natürlich wirtschaftlich schwierig, aber auch da denke ich, dass sich etwas entwickeln wird und einige Vereine sich so aufstellen werden, dass sie in die Zwölferliga wollen. Unbestritten ist, dass der Liga-Fußball in Österreich durch die Reform ein Stück weit interessanter werden wird.
LAOLA1: Rize ist die Stadt der Eltern von Recep Erdogan. Ist der Personenkult rund um den türkischen Präsidenten spürbar?
Jatscher: Ja, schon. Erdogan ist in der Stadt allgegenwärtig, überall hängen Fahnen und Poster mit seinem Konterfei. Die Bürger von Rize sind sehr, sehr stolz auf ihn, wobei ich von der ganzen politischen Situation in der Türkei nur wenig mitbekommen habe. Ich habe mich in Rize ausschließlich auf das Sportliche konzentriert, aber dass die Familie des Präsidenten aus Rize kommt, ist an allen Ecken und Enden der Stadt zu sehen. Während und nach der Wahl herrschte in der Stadt eine Stimmung, als wäre die Türkei Fußball-Weltmeister geworden. Paraden, Hupkonzerte und viele Feierlichkeiten auf den Straßen und Plätzen haben mir eindrucksvoll gezeigt, wie sehr diese Stadt hinter „ihrem Sohn“ steht.
Mal schauen, ob Caykur Rizespor, das 2013 in die Top-Liga aufgestiegen ist und ab August wieder in der 2. türkischen Liga spielt, auch zu Jantscher steht oder ob die Familie ihre Zelte abbrechen muss und wieder woanders anheuert.
Das Gespräch führte Peter Rietzler