"Häkel mi ned!"
So ganz glauben konnte es Peter Eigl nicht, als seine Frau ihn nach der Cup-Auslosung anrief und die frohe Botschaft überbrachte. Diese lautete: "Wir haben die Rapid."
Eigl war 40 Jahre lang bei der Wiener Berufsfeuerwehr und Funktionär beim SKV Feuerwehr Wien, dem PSV Team für Wien und schließlich dem Floridsdorfer AC, wo er auch Geschäftsführer war.
Mittlerweile wohnt Eigl in Neusiedl, der Enkel geht dort aufs Gymnasium und spielt beim NSC im Nachwuchs. Eigl schaute dort öfters zu, wurde angesprochen, ein paar Leute kannte er noch von früher. Alles Zufall, sagt der erfahrene Funktionär.
Seit 2021 ist er Obmann beim Ostligisten und sagt zum Cup-Los: "In all den Jahren warten wir eigentlich auf so etwas."
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Seit neun Jahren ist Neusiedl Dauergast im Cup. Die Gegner, gegen die es jeweils das Aus setzte, lauteten: Wattens (2x), Ried, Wacker Innsbruck, GAK, WAC, Admira, Lafnitz. Allesamt waren es keine Vereine, die die Fanmassen ins Burgenland brachten.
Der zehnte Versuch war der große Griff. "Es gibt nur einen Verein, der so viele Leute auf die Füße bringt. Das ist nicht die Austria, das ist nicht Salzburg - das ist halt nur Rapid", sagt Eigl. Er meint: "Wenn wir ein Stadion mit 6.000 Plätzen gehabt hätten, hätten wir es auch voll gekriegt."
Sein erster Gedanke sei deshalb ein Tausch des Heimrechts gewesen. Mit Rapids Geschäftführer Sport, Markus Katzer, habe er schon telefoniert, "Geh, mochma an Platztausch, wir spielen bei euch", habe er vorgeschlagen. Man hätte dann sicher 10.000 Zuschauer gehabt, so Eigl. Die ÖFB-Cup-Statuten verboten es.
Grün-Weiße in Weiß gegen Grün
Dann halt doch daheim, da ist es bekanntlich am schönsten. Der Neusiedler Sportplatz hat ein Fassungsvermögen von 3.000 Zuschauern. "Das ist Fußball pur. Das ist nicht hochgezüchtet in irgendwelchen Stadien", sagt Eigl.
Ein Wahnsinn sei der Ticketverkauf gewesen, erzählt der 65-Jährige. "Wir haben gesagt, ab 17 Uhr könnt ihr kommen und die Karten holen. Da sind sie um 4 schon beim Türl draußen gestanden." Nach einem Tag waren 1.500 Eintrittskarten weg. Die 500, die in den Onlineverkauf gingen, waren am Folgetag um 10:00 Uhr auch verkauft.
1.000 Tickets gingen an Rapid. Laut Regularien hätten nur 10 Prozent der Tickets nach Hütteldorf wandern müssen, aber: "Wir wollen die komplette Atmosphäre."
Die Fans aus Wien erwartet ein Rapid-Dorf mit Schirmbars, Foodtrucks und DJ. "Sie sollen sich wohlfühlen", sagt Eigl. Die Gastgeber verzichten sogar auf ihr grünes Heimtrikot. "Wir haben gesagt: Rapid ist Rapid. Die bekommen grün, wir spielen ganz in weiß", so Eigl.
Im Burgenland freut man sich auf ein Fußballfest. Schon als Neusiedl Ende Mai vor 4.000 Zuschauern die allerletzte Ostliga-Partie am alten Sport-Club-Platz spielte, habe Eigl gesagt: "Leute genießt den Moment, saugt das auf. Weil ihr werdet wahrscheinlich nie wieder vor so vielen Leuten spielen." Er sollte sich täuschen.
Sportlich müsse man die Kirche aber im Dorf lassen. "Wir haben ja auch sehr viele junge Spieler, die Hälfte vom Kader fällt in die Jugendregelung rein", erklärt Eigl, der weiter meint: "Wir wollen ein Fußballfest. Aber wir wissen, es ist David gegen Goliath."
Als David Goliath bezwang - und Bauern die Infrastruktur stellten
Das war es auch schon beim einzigen Sieg der Burgenländer über den großen SK Rapid.
Damals, am 23. Spieltag der Saison 1982/83, gelang dem Aufsteiger sein größter Coup. Rapid war haushoher Favorit, kam als Meister nach Neusiedl, spielte gerade seine erste Saison unter Coach Otto Baric. Neusiedls Trainer Franz "Didi" Bauer, zuvor Spieler beim NSC, soll beim Cup-Spiel in der Halbzeit vom Platzsprecher interviewt werden.
Gut 7.000 Zuschauer fanden sich am 7. Mai 1983 am Sportplatz ein. Das sind gut 3.000 mehr, als der Ort damals Einwohner hatte. "Da haben die Weinbauern und Landwirte ihre Wägen zur Verfügung gestellt. Die sind damals mit dem Traktor reingebracht worden und die Zuschauer sind oben gesessen - damit möglichst viele etwas vom Spiel sehen", erzählte Harald Toth kürzlich LAOLA1 (Hier nachlesen >>>).
Toth war damals Zuschauer und spielte für die U21 des NSC, in der Folgesaison dann für die Kampfmannschaft. Er wurde auch zum Jahrhunderttrainer der Neusiedler gewählt. Sein Sohn Daniel (37) ist der Routinier der aktuellen Mannschaft von Trainer Stefan Rapp.
Rapid wird der Favoritenrolle 1983 nicht gerecht. Zoran Lukic bringt die Gastgeber in Führung (31.), Antonín Panenka gleicht zwar zwischenzeitlich aus (57.). Friedrich Csarmann besiegelt mit dem 2:1 in Minute 70 aber die erste Saisonniederlage der Grün-Weißen.
"In Neusiedl war das Feiertag, Volksfest und alles zusammen", erinnert sich Toth. Rapid wurde dennoch Meister (punktgleich mit der Austria) und holte auch den Cup. Neusiedl hielt die Liga, wurde in der Folgesaison aber zum bis heute schlechtesten Absteiger der Bundesliga und ging ins Unterhaus.
Die Nachwehen der Bundesliga
Noch heute würde laut Toth von der Zeit in der höchsten Spielklasse geschwärmt werden. "Wir waren einfach so ein richtiger Dorfverein in der Bundesliga", sagt er. Auch an Eigl ist die Nostalgie nicht vorübergegangen. "Da gibt's Geschichten, die erzählen sie mir immer wieder. Da schwelgen sie in der Vergangenheit. Die Gegenwart ist halt eine andere", sagt er.
"Ja, und dann habt's auch die Schulden ghabt", entgegne er immer. Die finanziellen Auswüchse der erfolgreichsten Phase in der Vereinsgeschichte begleiteten den Klub noch Jahrzehnte. Neusiedl spielte Bundesliga, konnte sich die Bundesliga aber nicht leisten.
Mit Beginn dieser Saison ist der Verein endlich schuldenfrei. Eingenommene Gelder müssen nicht mehr zurückgezahlt werden, sondern können investiert werden. "Was wir zahlen können, zahlen wir, was wir uns leisten können, leisten wir uns. Alles andere wäre fahrlässig. Das war man lange Jahre in Neusiedl", so Eigl.
Das Ziel: Die Nummer eins im Burgenland
Ein Aufstieg sei kein Thema, die Infrastruktur gibt das nicht her, es sei auch ansonsten unrealistisch. Das Ziel sei ein altbewährteses, nämlich in der kommenden Saison die Nummer eins im Burgenland zu werden – in der Vorsaison überholte Oberwart den NSC noch in der Schlussphase. Und möglichst nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben, das wünscht sich der Obmann.
Bevor es in der Regionalliga Ost losgeht, wartet aber ein Highlight. Und ein Fußballspiel, nicht ganz wie früher. Aber schon ein bisschen.
Auf sämtlichen Kanälen des NSC steht in Großbuchstaben "RAPID KOMMT!". Und das zieht damals wie heute die Massen an.