Aufatmen beim SK Rapid?
Aufatmen, weil das Auswärtsspiel der 2. Runde des ÖFB-Cups bei der Admira ergebnistechnisch gerade noch einmal so gut ging und nach Überstunden mit 2:1 nach Verlängerung gewonnen werden konnte (Spielbericht >>>).
Nicht aufatmen können die Hütteldorfer allerdings, was die spielerische Performance betrifft, denn in dieser Hinsicht betrieb die Kühbauer-Elf einmal mehr Schonkost. Kaum Chancen, kaum spielerische Linie und ein Gegner, der phasenweise sogar um einiges gefährlicher war. Nicht aufatmen können die Grün-Weißen, weil der Druck immer größer wird.
Das Cup-Achtelfinal-Ticket ist gebucht, Selbstvertrauen für die schwierige kommende Woche mit dem Heimspiel gegen Sturm Graz und dem Europa-League-"Hammer" bei West Ham United konnte aber definitiv nicht gesammelt werden. Gut ist es gegangen, nichts ist geschehen.
Doch Rapid ist angezählt, und Kühbauer erst recht. Der Druck, der auf dem Chefbetreuer lastet, ist immer mehr spürbar. Nach dem Spiel bracht es aus ihm heraus, holte er zu einer emotionalen Rede aus. Es wirkte, als wäre er den Tränen nahe. Dabei verriet die Rapid-Ikone, wer zu ihm hält, was er seinem Herzensklub verspricht und woran die Spieler irgendwann zerbrechen werden.
"Bin ein Mensch, der andere Krisen in seinem Leben bewältigt hat"
Die sich wiederholenden Nackenschläge der vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen. "Dadurch, dass ich schon lange im Geschäft bin, bin ich natürlich nicht zufrieden mit der Geschichte. Aber ich denke, ich habe eine sehr gute Familie, die für mich enorm wichtig ist, eine tolle Frau, die mich wirklich unterstützt. Und meine Kinder, die mehr auf mich schauen - dabei bin eigentlich ich der Vater", verrät Kühbauer, wer ihm Kraft gibt und auch in schwierigen Phasen hinter ihm steht.
Die Mechanismen des Fußballs kennt er aus jahrelanger Erfahrung nur zu gut. Dass sich die Schlinge zuzieht, ist auch ihm klar, vor allem, da er die grün-weiße Erwartungshaltung auch schon als Spieler kennengelernt hat. Deshalb war der Cup-Aufstieg gegen die Admira extrem wichtig.
"Wenn es so wäre, hätte ich mir nie etwas vorwerfen können. Aber natürlich zählen Resultate im Fußball, Gründe interessieren dann keinen anderen. [...] Es ist aber nicht so, dass dann das Leben vorbei wäre. Ich bin ein Mensch, der andere Krisen in seinem Leben bewältigt hat"
"Wenn es so wäre, hätte ich mir nie etwas vorwerfen können. Aber natürlich zählen Resultate im Fußball, Gründe interessieren dann keinen anderen. Deshalb freut es mich ungemein für die Mannschaft und natürlich auch fürs Trainerteam. Es ist aber nicht so, dass dann das Leben vorbei wäre. Ich bin ein Mensch, der andere Krisen in seinem Leben bewältigt hat", gibt sich Kühbauer nach außen hin stark, obwohl er den größten Schicksalsschlag immer in sich tragen wird.
1997 verunglückte seine zum damaligen Zeitpunkt schwangere Frau auf dem Weg zum Flughafen, als sie ihren Mann vom Trainingslager abholen wollte. Sie verstarb nach einem halben Jahr im Koma an den Folgen. Kein Fußballspiel der Welt, keine Unmutsäußerungen, keine Entlassung wird ihn je so erschüttern wie dieser Verlust.
"Ich werde alles für Rapid tun, so lange es machbar ist"
Es ist eine bewegende Rede, die Kühbauer hält und Einblick gibt, dass der tobende Trainer an der Seitenlinie auch eine ganz andere Seite hat. Dabei gibt er auch ein Versprechen ab: "Ich werde alles für Rapid tun, so lange es machbar ist. Aber dass immer wieder Stimmen laut werden, ist auch logisch, weil das ganz normal ist bei uns."
Gegen die Admira wurde die Pflicht erfüllt. Kaum vorstellbar, was es bedeutet hätte, wenn die Hütteldorfer zwei Mal binnen weniger Wochen gegen die Admira verloren hätten - noch dazu, wenn dadurch eine Titelchance leichtfertig verspielt worden wäre.
"Jeder Sieg hilft der Mannschaft, speziell in dieser Situation. Wir haben genau gewusst: Wenn wir das Spiel verlieren, wären wir auch draußen aus dem Cup. Dann wäre es für uns alle nicht besser geworden - für den Trainer und die Mannschaft nicht. Deshalb haben wir uns einen guten Gefallen getan, dass wir verdient in die nächste Runde einziehen. Aber das nächste von vielen schweren Spielen steht bevor. Deshalb lassen wir das jetzt so und freuen uns über den Sieg."
Der neben ihm sitzende Siegtorschütze Marco Grüll bestätigt, dass sich nach drei Pflichtspielniederlagen in Folge natürlich Enttäuschung breit machte. Vor allem mental sei dies eine Blockade gewesen, die Verunsicherung hätte man in der Anfangsphase der Partie gegen die Admira deutlich gesehen. "Dann geht es nicht leicht von der Hand."
Kühbauer holt aus: "Das ist das größte Problem"
Auf LAOLA1-Nachfrage an Grüll, welche Gründe er abseits des Mentalen dafür verantwortlich macht, dass vor allem offensiv das Zusammenspiel nicht ansatzweise an die Leistungen zum Saisonstart oder in der vorangegangen Saison erinnert, fällt ihm Kühbauer ins Wort und holt zur sachlichen Erklärung aus.
"Wir haben seit zwei Monaten kein Training mehr machen können, weil wir nur in diesem 3-Tages-Rhythmus sind. Wir haben nur einmal in der Länderspielpause die Möglichkeit gehabt, da waren aber neun Spieler nicht dabei. Das heißt: Seit Beginn der Saison konnten wir eigentlich kein technisch-taktisches Training absolvieren. Das ist für ein Trainerteam und die Mannschaft schwierig, wenn du nur mehr im Regenerationsmodus bist. Das ist das größte Problem", stellt Rapids Cheftrainer klar.
"Jeder Trainer wünscht sich mal eine - von einer zweiten rede ich gar nicht - Trainingswoche, wo er Dinge trainieren und verbessern kann. Derzeit kannst du das nur ankratzen. Das werden nur wenige verstehen, aber es ist so. Fußball besteht aus Training und Abläufen. Wir können im Moment nichts trainieren, wir sind nur in diesem Modus: Nächster Tag Regeneration, übernächster Tag auf den Gegner auftrainieren und dann bist du schon wieder im Spiel drin."
Chelsea-Vergleich: "Die Spieler werden irgendwann kaputt gehen"
Am Beispiel von Grüll versucht Kühbauer die immense Belastung für die Spieler zu erklären, auch wenn dies zuletzt oft als Ausrede verstanden wurde.
"Die Spieler werden irgendwann kaputt gehen - das ist meine persönliche Meinung. Da rede ich jetzt nicht von Rapid sondern generell von Fußballspielern. [...] Da sollte man sich sehr wohl Gedanken machen, ob man irgendwann wieder ein bisschen die Bremse zieht."
"Er wird noch lange spielen, vielleicht spielt er dann alle zwei Tage in den nächsten fünf Jahren. Die Spieler werden irgendwann kaputt gehen - das ist meine persönliche Meinung. Da rede ich jetzt nicht von Rapid sondern generell von Fußballspielern. Aber der Fußball rennt ja weiter, weil dann kommen neue Personen. Da sollte man sich sehr wohl Gedanken machen, ob man irgendwann wieder ein bisschen die Bremse zieht. So wie es jetzt ist und du dauerhaft alle drei Tage spielst - und du willst ja international spielen - ist das echt ein schwerer Spagat. Ich bin ja nur Trainer, aber auch mich belastet das, nicht körperlich. Aber die Spieler haben einen körperlichen und mentalen Stress."
Kühbauer geht ins Detail und hat einen gewagten Vergleich parat: "Die müssen dann schon was leisten, aber das vergisst man dann leider, weil es ein hochbezahlter Profi ist - was die Leute immer meinen, weil man dann die Chelsea-Gehälter sieht. Aber das gibt der einmal beim Essen aus, was wir verdienen. Darum geht es."
Darum war Ballo noch kein großes Thema
Gegen die Admira durfte Thierno Ballo das lange erwartete und von vielen geforderte Debüt geben. Zwar erst in der Nachspielzeit, doch die Chelsea-Leihgabe durfte erstmals sein Können zeigen - wenn auch mit überschaubarem Erfolg in einer schwierigen Phase.
Aufgrund der langen Erläuterung der Umstände hakte LAOLA1 bei Kühbauer nach und wollte wissen, ob man auch das lange Warten auf das Ballo-Debüt mit den fehlenden Taktikeinheiten begründen kann, schließlich konnte der 19-jährige U21-Teamspieler bisher überhaupt nicht an die Spielweise und Abläufe angelernt werden.
"Ballo ist jetzt hier und hat ein Spielersatz-Training gehabt. Aber in Wahrheit ist es noch nicht so, dass er mit der Mannschaft ein Training hat, so wie man sich das vorstellt - mit einem Ablauf von Montag bis Samstag. Den kennen wir nicht mehr, seit über zwei Monaten. Ich bin überzeugt, dass das für jede Mannschaft ein Problem wäre, wenn du an Dingen arbeiten willst, die derzeit nicht so laufen. Aber der Spieler muss ja frisch werden, damit er am Sonntag wieder funktioniert. Das ist ein Problem, und dass der Kader nicht der größte ist, ist nur ein Detail nebenher. Deshalb bin ich schon bei meiner Mannschaft, obwohl wir manche Dinge nicht gut gemacht haben."
Erst Anfang Oktober bietet sich mit der Länderspielpause wieder eine kurze Auszeit, um an Automatismen zu schrauben und die überschaubare offensive Durchschlagskraft in den Griff zu bekommen. Kühbauer wird alles dafür tun, auch dann noch das Ruder bei Rapid in der Hand zu halten.