Es war sicherlich kein alltäglicher Fußball-Abend, dieses ÖFB-Cup-Halbfinale zwischen dem GAK und dem FC Red Bull Salzburg.
Wie oft kommt es vor, dass das Heim-Team in der Nachspielzeit das 0:6 kassiert und dafür mit Standing Ovations gefeiert wird? Standing Ovations, die das Publikum auch schon in den 90 Minuten davor immer wieder für seine Lieblinge parat hatte.
"Liebe und Leidenschaft kann man nicht erwerben", ließ der harte Kern der GAK-Fans kurz vor Spielschluss auf einem Transparent wissen - in Anspielung auf den Konzern-Stallgeruch der "Bullen".
Wie viel Liebe und Leidenschaft sie für ihre in dieser Partie hoffnungslos überforderte Mannschaft übrig hatten, rang jedoch auch dem Sieger gehörigen Respekt ab. "Atemberaubend", gratulierte "Heimkehrer" Zlatko Junuzovic. Für Trainer Marco Rose gehört der GAK gar in die Bundesliga.
Serienmeister vs. Serienmeister
Dort wird man die "Rotjacken" auch bald wieder antreffen, sollte der "Meister aller Klassen" seinen flotten Aufstieg aus den Niederungen des steirischen Ligen-Betriebs im aktuellen Tempo fortsetzen.
Sehr herzlich hieß der Stadionsprecher vor Spielbeginn den "Serienmeister" willkommen "und auf der anderen Seite den FC Red Bull Salzburg". In dem der GAK jedoch seinen Meister fand. Die Spannung war im Prinzip bereits mit dem 0:2 nach einer Viertelstunde dahin.
Da nutzte auch der vor dem Anpfiff zelebrierte Journey-Gassenhauer "Don't Stop Believin'" nichts. Den "Berg" Salzburg konnte aller Glaube in Rot nicht versetzen.
Aber das machte im Prinzip auch nichts. Die Cup-Feierstunde hatte man schon mit der Viertelfinal-Sternstunde gegen Austria Wien. Das Rampenlicht gegen den "echten" Serienmeister konnte man als Dankeschön für die vergangenen Jahre interpretieren - und vielleicht auch als Vorgeschmack auf das, was in Zukunft bald wieder kommen soll.
Der Arbeitstag startete um 6:30 Uhr
"Überragend, was die GAK-Fans auf die Beine gestellt haben. Wir waren doch relativ schnell hoch in Rückstand, aber sie haben trotzdem jeden Angriff von uns bis zum Gehtnichtmehr gefeiert. Nach dem Spiel sind wir in der Kurve gestanden, und sie haben uns gefeiert, als ob wir gewonnen hätten", staunte Torhüter Patrick Haider.
"Ich habe ganz normal um 6:30 Uhr zum Arbeiten angefangen, um halb 3 habe ich aufgehört, bin mit der Straßenbahn nach Liebenau gefahren, habe mich bei den Eltern umgezogen und bin dann zu Fuß ins Stadion gegangen."
Auch am Goalie lässt sich festmachen, warum es kein alltägliches Spiel war. Nach sechs Gegentreffern können Schlussmänner eher selten zufrieden sein, Haider indes rettete einige Male in höchster Not: "Es war eine gute Leistung. Ich war selber froh, dass ich ein paar halten konnte. Ich habe Selbstvertrauen getankt, obwohl ich sechs Gegentreffer erhalten habe."
Im Brotberuf arbeitet der 30-Jährige, der jahrelang beim SV Thal kickte und 2016 via SC Kalsdorf zum GAK kam, bei der Generali Versicherung - ein ganz normaler 40-Stunden-Job, vier Mal die Woche geht es für den zweifachen Familien-Vater zum Vereins-Training plus Match.
Seine "Matchvorbereitung" können sich die RBS-Gegenüber wohl eher nicht vorstellen: "Ich habe ganz normal um 6:30 Uhr zum Arbeiten angefangen, um halb 3 habe ich aufgehört, bin mit der Straßenbahn nach Liebenau gefahren, habe mich bei den Eltern umgezogen und bin dann zu Fuß ins Stadion gegangen."
Auf einmal steht da Munas Dabbur
Dass an einem Tag wie diesem natürlich auch die Büro-Kollegen mitgefiebert haben, liegt auf der Hand - Sprüche im Vorfeld hin oder her. "Scherzen tun sie alle: 'Heute kommt der Dabbur und der wird dir einen einischlagen.' Aber das nimmt man gelassen", lachte der Goalie, der in seiner Laufbahn noch nicht so oft mit Gegenspielern dieser Qualität konfrontiert war:
"Es ist ein super Gefühl, wenn da auf einmal ein Dabbur, ein Junuzovic oder ein Wolf stehen, das sind international überragende Spieler. Es ist schön, wenn man sich mal mit solchen Leuten messen darf."
Und gegen die Austria hat Munas Dabbur am Wochenende immerhin öfter getroffen. "Das spricht für uns, oder? Nein, Spaß beiseite: Das ist qualitativ ein super Spieler. Man darf einfach nicht vergessen, dass das der amtierende Meister ist, der auch international eine Top-Mannschaft ist."
Von dem sich Haider auch ein Souvenier holte, nämlich das Trikot von Stefan Lainer: "Ich wollte als Andenken ein Leiberl haben, von der Austria habe ich auch eines gekriegt. Das ist eine schöne Erinnerung."
Was es heißt, Meister zu sein
Der GAK besteht bekanntlich fast ausschließlich aus Berufstätigen oder Studenten. In der HPYBET 2. Liga ließe sich das wohl mehrheitlich aufrechterhalten. Je höher man nach oben möchte, desto eher werden die Grazer aber auf Profibetrieb umstellen müssen.
"Die Spieler haben gesehen, was es bedeutet, Meister in Österreich zu sein und gegen den Meister zu spielen."
Für die aktuellen Kadermitglieder war dieses Match jedoch vor allem eine wertvolle Erfahrung, wie "Team-Trainer" David Preiß festhielt: "Die Spieler haben gesehen, was es bedeutet, Meister in Österreich zu sein und gegen den Meister zu spielen. Was mich an Salzburg so beeindruckt, ist die Mentalität. Sie gehen als Mannschaft auf den Platz und gehen als Mannschaft wieder runter, da gibt es kein Unterschätzen des Gegners. Das ist ein großes Werk von Marco Rose."
Den - augenzwinkernden - Nachsatz wird man bei Rapid vielleicht nicht so gerne lesen: "Jetzt hoffe ich, dass sie das Finale gewinnen - vielleicht auch mit 5:0 oder 6:0. Das wäre schön."
Die 2. Liga wird weisen, wie groß der Zusammenhalt wirklich ist
Der GAK wäre durch solch ein Endspiel-Ergebnis definitiv rehabilitiert. Ab sofort schlüpft man jedoch selbst wieder in die Rolle des Gejagten, und zwar als Tabellenführer in der Regionalliga Mitte.
"Beim GAK war es jetzt sechs Jahre ein ständiges Bergauf. Sollten wir in die 2. Liga aufsteigen, wird es sicher auch Phasen geben, in denen es nicht immer nur Siege und Erfolge gibt. Für mich sind es solche Zeiten, in denen man sieht, ob so wie heute wirklich alle zusammenhalten."
Kapitän Marco Perchtold: "Jetzt geben wir in der Meisterschaft wieder richtig Gas. Das ist unser tägliches Brot, am Sonntag geht es gegen Kalsdorf weiter. Wir haben ein richtig großes Ziel vor Augen, in der Liga können wir wirklich ganz Großes erreichen - dort ist es auch möglich. Darum fokussieren wir uns jetzt auf die Meisterschaft und hoffen, dass wir den Titel holen."
Gelingt der Aufstieg, wartet für Trainer Enrico Kulovits die wahre Nagelprobe: "Beim GAK war es jetzt sechs Jahre ein ständiges Bergauf. Sollten wir in die 2. Liga aufsteigen, wird es sicher auch Phasen geben, in denen es nicht immer nur Siege und Erfolge gibt. Für mich sind es solche Zeiten, in denen man sieht, ob so wie heute wirklich alle zusammenhalten. Salzburg war im Endeffekt ein übermächtiger Gegner. Ab Sommer, sollte der Aufstieg gelingen, wird es ständig so sein, dass es ein Kampf auf Augenhöhe wird. Dann wird man sehen, wie groß der Zusammenhalt ist. Zurzeit sind wir sehr von Erfolgen verwöhnt."
Junuzovic: "Das hat ganz Österreich mitbekommen"
Wie bedingungslos die Anhänger hinter ihrem Team stehen, wird sich dann in der Tat weisen. An ihr "Dankeschön" gegen Salzburg wird sich so mancher dennoch gerne zurückerinnern. Debakel sind beim GAK schließlich auch nicht alltäglich, und gefeiert wird man dafür noch seltener.
Kulovits, der als langjähriger Spieler den Vergleich mit früher hat, ist spürbar beeindruckt: "Hut ab, in dieser Form habe ich das überhaupt noch nicht erlebt - vor allem mit dem Wissen nach 15 Minuten, dass nichts zum Holen ist. Trotzdem haben sie 90 Minuten lang alles gegeben und durchgesungen. Das war richtig, richtig gut."
Oder wie Junuzovic im Hinblick auf die Fans meinte: "Das war sensationell. Ich glaube, das hat ganz Österreich mitbekommen."