Natürlich fällt es unter die Kategorie Schmähtreiben, wenn Lukas Spendlhofer fordert, Jakob Jantscher zu verkaufen, um in der kommenden Saison eine Chance auf den Meistertitel zu haben.
Aber das Körnchen Wahrheit lässt sich in diesem Gag womöglich schon finden. Der eine oder andere Stadionbesucher wird beim Cupsieg des SK Sturm Graz tendenziell an den Beginn dieses Jahrzehnts zurückgedacht haben.
Damals war der Cupsieg 2010 womöglich jener Erfolg, welcher der damaligen Generation der "Blackies" das notwendige Selbstvertrauen gab, um die Mission Meistertitel 2011 - letztlich erfolgreich - in Angriff zu nehmen.
Geschichte wiederholt sich bisweilen. Auch diese im Jahr 2019?
Spendlhofer: "Auch für andere Klubs schön zu sehen"
Übertrieben hoch ist die Wahrscheinlichkeit alleine aufgrund finanzieller Überlegungen vermutlich nicht und allzu offensiv würde man dieses Thema bei den "Blackies" auch nicht angehen, dies überlässt man lieber anderen Vereinen.
Klare Ansagen wie jene von Sandi Lovric vor Saisonbeginn, der damals unbedingt den FC Red Bull Salzburg ärgern wollte, bleiben eher die Ausnahme - und zumindest im Uniqa ÖFB-Cup wurde dieses Vorhaben ja in die Tat umgesetzt.
Damit eroberte erstmals seit 2013 (Austria Meister, Pasching Cupsieger) ein anderer Verein als RBS einen der beiden in Fußball-Österreich vergebenen Titel - eine ebenso unheimliche wie bewundernswerte Serie der "Bullen", deren Ende für die heimische Liga aber vielleicht kein Nachteil ist.
"Ich glaube, dass es für den neutralen österreichischen Fan oder auch für andere Klubs schön zu sehen ist, dass es nicht immer nur Salzburg ist und einmal Abwechslung drinnen ist. Für uns ist es überragend, dass wir es sind, aber ich denke, dass sich auch andere mit uns freuen, dass sich etwas geändert hat. Nächstes Jahr werden trotzdem beide Titel nur über Salzburg führen. Für uns gilt es, dass wir dran bleiben und den Abstand verringern. Da sind wir bei Sturm auf keinem schlechten Weg", verdeutlicht Lukas Spendlhofer.
Vogel: "Wir sind kein Hauptkonkurrent"
Jantscher wäre natürlich sehr daran gelegen, zu beweisen, dass Sturm auch mit ihm Meister werden kann. 2010 verabschiedete er sich nach dem Cupsieg "rechtzeitig" vor dem Meistertitel ausgerechnet zu RB Salzburg - logisch, dass dies eine Steilvorlage für Spaßvogel Spendlhofer bietet.
"Das wäre natürlich eine super Geschichte, wenn ich auch mit Sturm Meister werden könnte", erklärt der Rückkehrer, der die Latte diesbezüglich jedoch nicht zu hoch legen will: "Wir haben eine gewisse Qualität in der Mannschaft und wollen uns auch nächste Saison sagen, dass wir eine so gute Spielzeit wie in diesem Jahr spielen wollen. Du brauchst gewisse Ziele und Träume. Wir werden alles daran setzen, wieder eine gute Saison zu spielen. Dann schauen wir, was im Endeffekt herauskommt."
Für Trainer Heiko Vogel ergibt sich aus dem wahrscheinlichen Vizemeistertitel und dem Cupsieg nicht automatisch die Rolle des ersten Herausforderers der "Bullen", er hält den Ball diesbezüglich lieber sehr flach:
"Ich glaube, dass das ein bisschen utopisch ist, wenn man sagt, wir sind Hauptkonkurrent von Red Bull Salzburg. Nein, wir sind kein Hauptkonkurrent. Wir versuchen auch nicht, Konkurrent zu sein, sondern schauen von Spiel zu Spiel und wollen guten Fußball spielen. Wenn der dann erfolgreich ist, ist es schön, aber ich denke, das ist Träumerei. Denn nächstes Jahr gibt es 22 Runden und dann eine Playoff-Phase. Da ist es schwierig, den "Bullen" Paroli zu bieten, denn eines muss man auch sagen: Auch wenn sie im Cup-Finale verdienter Verlierer waren, haben sie eine grandiose Saison gespielt, und das gönne ich ihnen auch nächste Saison international, weil das wichtig für den österreichischen Fußball ist."
Kader-Hausaufgaben in Graz und Salzburg
Seriös lässt sich zum derzeitigen Zeitpunkt natürlich nicht über die kommende Saison diskutieren, dazu gibt es zu viele Unbekannte, vor allem personeller Natur. Dies gilt bekanntlich auch für Sturm, aber vor allem natürlich für die Salzburger, deren Europa-League-Erfolgslauf auf dem Transfermarkt Resonanz finden wird.
Ein größerer Umbruch könnte bevorstehen. Bislang ist es den Entscheidungsträgern um Sportdirektor Christoph Freund zumeist gelungen, Abgänge bestens zu kompensieren. Automatisch darf man dieses gute Händchen aber wohl auch nicht voraussetzen. Daraus generiert sich Hoffnung für die Konkurrenz.
Wobei man auch in der steirischen Landeshauptstadt erst einmal die Kader-Hausaufgaben machen muss. "Es wird schwer sein, dass wir den ganzen Kader zusammenhalten, einige Verträge laufen aus und jeder einzelne hat eine Riesen-Saison gespielt. Gott sei Dank hat mit Stefan Hierländer ein absoluter Leistungsträger verlängert. Ich hoffe, dass noch weitere unterschreiben werden, damit wir nächstes Jahr angreifen können - nicht zwingend den Meistertitel, aber allgemein international", meint Peter Zulj.
Jantscher meint: "Das ist im Fußball immer so und gerade bei Sturm Graz oft so, dass du immer wieder Abgänge hast. Aber Sturm hat das immer sehr gut gemacht, immer eine sehr gute Mannschaft zusammengestellt. Deswegen bin ich mir auch sicher, dass die Leute, die sich damit beschäftigen müssen, einen guten Kader zusammenstellen und wir auch nächstes Jahr eine gute Saison spielen."
Kreissl: "So lange sich nichts massiv ändert bei Red Bull..."
Hauptsächlich beschäftigt sich bei Sturm mit dieser Thematik bekanntlich Geschäftsführer Sport Günter Kreissl, der während des Cup-Finales in Klagenfurt von den Sturm-Fans für seine gute Arbeit und die in dieser Woche erfolgte Verlängerung der Zusammenarbeit frenetisch gefeiert wurde.
Der Cupsieg ist auch eine erste Ernte seiner Arbeit. Der frühere Tormann warnt jedoch eindringlich davor, aufgrund dieses Titels die Bodenhaftung zu verlieren: "Vor allem so lange sich nichts massiv ändert und Red Bull nicht nur große Möglichkeiten hat, sondern auch einen fantastischen Job macht."
"Trotzdem ist es geil, nicht limitiert und bei einem Verein zu sein, der zum Beispiel einen Cuptitel gewinnen kann, der wie in dieser Saison auch in der Meisterschaft bis zur 33. Runde die Möglichkeit hat, ganz vorne mitzuspielen. Das sind Dinge, die mit unseren Möglichkeiten nicht selbstverständlich sind", so Kreissl weiter, der allen daran beteiligten Mitarbeitern ein großes Kompliment ausspricht und zudem festhält:
"Wir haben viel in das Umfeld und die Infrastruktur investiert, das kommt alles zurück. Wir haben den Staff erweitert, egal ob das Spielanalyse oder Reha ist. Ich glaube, dass diese Investments die einzige Chance sind, dass du die wirtschaftlichen Vorteile in Einzelspielen auch mal drehen kannst."
Was wäre wenn...?
Die finanziellen Kräfteverhältnisse in der Liga müssten sich vermutlich grundlegend verändern, um von Kreissl einmal offiziell das Ziel Meistertitel zu hören. Er selbst spricht gerne vom bestmöglichen Abschneiden, was freilich keine Limits nach oben setzt.
Die laufende Saison wird, sofern Sturm Rang zwei über die Ziellinie bringt, ohne jeden Zweifel als großer Erfolg in die Vereinsgeschichte eingehen. Es geht auch nicht darum, ein Haar in der Suppe zu suchen, wenn man feststellt, dass ohne den völlig verkorksten Auftakt ins Frühjahr noch mehr drinnen gewesen wäre. Zumindest hätte man die Liga definitiv länger spannend halten können.
Die Milchmädchenrechnung, dass man alleine durch die beiden Niederlagen gegen Wolfsberg, jene in Mattersburg und jene gegen die Austria zwölf Punkte liegen hat lassen, ist relativ einfach, deswegen aber nicht weniger falsch. Dazu gesellen sich zwei Pleiten in den direkten Duellen mit Salzburg.
"Natürlich reden wir viel über solche Sachen. In meinen Augen ist es auch Sinn der Sache, dass ein Fußballer über solche Was-wäre-wenn-Dinge nachdenkt. Einige dieser Spiele haben wir sehr leichtfertig aus der Hand gegeben", gibt Jantscher zu, "nur muss man schon auch ein bisschen relativieren, denn über 36 Spieltage mit Salzburg mitzuhalten, ist nicht so einfach. Von der Qualität des Kaders sind sie über alle Vereine in Österreich zu stellen."
Mit Abstand Nummer zwei in Österreich
Für die Mitteln von Sturm spiele man jedoch eine Topsaison. Darüberhinaus habe sich in den Jahren seiner Abwesenheit sehr viel bei Sturm getan: "Zum Beispiel in Sachen Infrastruktur, Medienbereich oder Marketing - es wird einfach top gearbeitet, und das mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben. Wir können nicht einfach sagen, wir kaufen einen Spieler um ein, zwei, drei Millionen, das ist bei Sturm Graz nicht möglich. Aber mit den Spielern, die wir haben, haben wir in den letzten Jahren sehr gut gearbeitet und deswegen sind wir zurecht mit Abstand die Nummer zwei in Österreich. Und wenn du als Nummer zwei in Österreich Cupsieger wirst, möchtest du natürlich auch nächstes Jahr eine gute Saison spielen. Man möchte immer ein Stück draufsetzen. Wenn wir das so weiterführen, bin ich zuversichtlich für nächste Saison."
Mit Abstand Nummer zwei in Österreich - dies ist zumindest keine schlechte Ausgangsposition.