Die Auslosung hat etwas Gutes. Kurz vor Österreichs Start ins Turnier lässt sich konstatieren: Das ÖFB-Team wird nicht erneut in die Falle tappen, in die es vor der EURO 2016 getappt ist.
Damals wie heute wurde dem österreichischen Nationalteam die Rolle des Geheimfavoriten zugeschrieben. Wenn es um englischsprachige Turnier-Prognosen geht, ist der Begriff "dark horse" nie weit, sobald es um "Austria" geht.
Im Gegensatz zur damaligen Gruppe mit Ungarn, Island und Portugal kommt bei einer Auslosung mit Frankreich, den Niederlanden und Polen aber niemand auch nur auf die Idee, an einen Spaziergang in die K.o.-Phase zu denken.
Rangnick verweist auf die Wettbüros
Da tut sich Teamchef Ralf Rangnick leicht, allen sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn es um die Bezeichnung "Geheimfavorit" geht.
"Es spielt überhaupt keine Rolle, als was wir gesehen werden. Das hilft uns nicht, Spiele zu gewinnen", sagt er.
Der Teamchef führt aus: "Wir sind sicherlich keiner der Favoriten. Gehen Sie in ein Wettbüro und fragen Sie, wie die Quoten für die vier Länder in der Gruppe aussehen. Ich glaube nicht, dass wir unter den Top 2 der Gruppe sind. Das ändert aber nichts daran, dass wir trotzdem eine Chance haben, zu gewinnen. Ich bin überzeugt, dass wir eine Chance haben. Ich weiß aber, dass wir selbst die besten Leistungen, die wir bisher gezeigt haben, noch übertreffen müssen, um das Spiel am Montag zu gewinnen."
Wettbüros haben für gewöhnlich ja einen eher unromantischen, vielmehr pragmatischen Blick auf Favoritenrollen. In der Regel ist das ÖFB-Team irgendwo zwischen den Plätzen 10 und 12 zu finden, wenn es um die niedrigsten Quoten für den EM-Sieg geht.
Start bei Null
Die Quali war stark, keine Frage. Die Testspiel-Ergebnisse, vor allem gegen größere und große Nationen, ausgezeichnet.
Aber das zählt beim Anpfiff des Turniers – abgesehen von einem entsprechenden Selbstvertrauen – nichts. Er sei "bisher zufrieden", gibt Rangnick zu Protokoll, "aber jetzt müssen wir bei einem Turnier diese Leistungen abrufen wie zuletzt. Es geht von Neuem los!"
Dem Zufall will der Deutsche in diesem Zusammenhang so wenig wie möglich überlassen. Weil auch er und sein Trainer-Staff wenig bis gar keine Turnier-Erfahrung haben, wurde Ralph Krueger für einen interaktiven Vortrag nach Berlin eingeladen. Der Mann hat als Eishockey-Spieler und -Trainer 13 Weltmeisterschaften und vier Olympische Spiele hinter sich.
Die emotionale Gemengelage
Es geht um den Fokus. Es geht um den Kopf. Rangnick erklärt es so: "Das wird eine ganz andere emotionale Gemengelage. Wir müssen mental und emotional auf höchstem Niveau in der Lage sein, unsere Leistungen abzurufen."
Die Botschaft dürfte im Team angekommen sein. Seit Monaten wiederholt jeder Spieler gebetsmühlenartig, dass die Mannschaft wisse, dass sie in der Lage ist, jedes Team zu schlagen. Dass sie aber auch wisse, dass dafür alle ihr Leistungsmaximum bringen müssten.
Klar, das Weiterkommen sei ein Ziel, sagen alle. Aber diese Gruppe, diese Gegner erlauben es gar nicht, über das nächste Spiel hinaus zu denken. Und das ist verdammt gut so.