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These: Alabas Fehlen kann zum Vorteil werden

Rangnick muss im Angriff mehr Mut zur Alternative zeigen. Es braucht mehr "Europhorie". Muss Lazaro zurück ins ÖFB-Team? LAOLA1 debattiert:

These: Alabas Fehlen kann zum Vorteil werden Foto: © GEPA

In unserem neuen Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.

Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.

Dieses Mal widmen wir uns dem dem ÖFB-Team, das am Samstag in der Slowakei testet (ab 18 Uhr im LIVE-Ticker).

In Zukunft wollen wir auch User-Thesen debattieren. Diesmal waren unsere Redaktions-Kollegen aufgerufen, vier Ansagen zu liefern, die in weiterer Folge von den LAOLA1-Redakteuren Harald Prantl und Peter Altmann eingeordnet wurden.

1.) Im Kollektiv liegt die Kraft: Das Fehlen von David Alaba kann auch zum Vorteil werden

Harald Prantl:

Die Erkenntnis, dass es ein starkes Kollektiv benötigt, um im Fußball erfolgreich zu sein, ist ungefähr so neu wie die reflexartige Sorge um die sportliche Konkurrenzfähigkeit eines ganzen Teams beim Fehlen eines einzelnen Superstars. Dumm nur, dass sich Ersteres und Zweiteres zumindest teilweise widersprechen.

Vorneweg, damit keine Missverständnisse aufkommen: Ja, David Alaba fehlt und er wird auch auf dem Feld fehlen. Es wäre besser, wäre er fit und einsatzbereit. Aber nein, er hat – freilich auch positionsbedingt – ÖFB-Spiele nicht im Alleingang entschieden. Das schaffen für gewöhnlich übrigens auch die Herren Messi, Mbappe und wie sie alle heißen nicht.

Was Alabas Absenz aber bewirken wird – so kann ich der These etwas abgewinnen –, ist der Umstand, dass andere Spieler auf und auch abseits des Rasens mehr in Leaderrollen reinwachsen.

Das ist einerseits schon für die EURO 2024 wichtig, weil Wunder zwar geschehen, aber eben nicht regelmäßig, und Alaba sie durchaus verpassen könnte. Andererseits auch perspektivisch, weil Alaba noch eine lange Karriere zu wünschen ist, aber jene von potenziellen neuen Führungsspielern a la Christoph Baumgartner, Xaver Schlager, Stefan Posch und Co. mutmaßlich doch noch länger dauern.

Peter Altmann:

Nein, es gibt kein Szenario, in dem ein Fehlen von David Alaba bei der EURO ein "Vorteil" wäre. Punkt.

Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn wir in Fußball-Österreich je den Tag erleben, an dem es wurscht ist, ob ein Real-Legionär und Kapitän in Personalunion zur Verfügung steht oder nicht. Aber bis dahin hamma noch a bisserl zu tun.

Meinetwegen lasse ich mir positive Nebeneffekte wie das Wachsen weiterer Führungsspieler einreden. Auch gibt es Positionen, die schlimmer betroffen wären als die Innenverteidigung.

Aber wer glaubt, dass Alaba in der Abwehrzentrale mir nichts dir nichts ersetzt werden kann, möge nur als Beispiel an die Performance ohne ihn im Heimspiel gegen Belgien im Oktober (2:3) zurückdenken.

Was mich jedoch an dieser These besonders stört, ist der durch die Blume ausgedrückte Gedanke, dass das Nationalteam mit Alaba kein Kollektiv ist.

Seine Wichtigkeit am Feld versteht sich eh von selbst. Und wer seinen integrativen Wert abseits des Platzes unterschätzt, ist selbst schuld.

Alaba wird am 24. Juni 32 Jahre alt. Früher oder später kommt der Moment, an dem er dem ÖFB-Team nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Aber für die EURO wäre es ein riesiger Vorteil, wenn Alaba seinen Geburtstag im ÖFB-Kreis feiern würde.

Foto: © GEPA

2.) Grbic, Ronivaldo und Co.: Ralf Rangnick muss an vorderster Front mehr Mut zur Alternative zeigen

Peter Altmann:

Gegenfrage: Wen lässt man dafür zu Hause? Die mutige Alternative Maximilian Entrup? Die mutige Alternative Andreas Weimann (dessen Vielseitigkeit man zudem nicht unterschätzen sollte)? Die mutige Alternative Christoph Lang (der auch im Angriff eine Option ist)?

Rangnick probiert in Abwesenheit von Marko Arnautovic und Sasa Kalajdzic durchaus.

Mit Ercan Kara und Benedikt Pichler tummeln sich immer wieder weitere Alternativen auf der Abrufliste, deren EM-Teilnahme man somit nicht ausschließen kann. Noch bleiben für diverseste Kandidaten zwei Monate, um sich via Verein aufzudrängen.

Zu den beiden Genannten: Es freut mich sehr, dass Adrian Grbic nach der schwierigen Phase beim FC Lorient dank der Leihe zum FC Luzern wieder spielt und bislang zwei Frühjahrs-Treffer bejubeln durfte. Aber um wirklich wieder Nationalteam-relevant zu werden, braucht es natürlich mehr.

Und Happy Birthday Ronivaldo zum 35. Geburtstag am Sonntag! Er ist ein Typ, den man einfach mögen muss.

Aber bei allem Respekt: Dass der Neo-Österreicher in dieser Debatte auftaucht, zeigt, wie dringend sich Fußball-Österreich in einem jüngeren Alterssegment um mehr Breite an Goalgettern bemühen muss. Die Uhr tickt, Michael Gregoritsch wird im April nämlich auch schon 30.

Harald Prantl:

Es sind keine drei Monate mehr bis zum Start der EURO 2024. Und Ralf Rangnick und Co. sind in der glücklichen Lage, diese nicht für wilde Experimente nutzen zu müssen. Fragt mal bei den deutschen Kollegen nach, wie lustig das für sie gerade so ist.

Für das ÖFB-Team geht es vielmehr darum, den vorhandenen Stamm zu festigen und an taktischen Details zu feilen, die dann letztlich den Unterschied ausmachen können.

Zum Thema Stürmer hat Kollege Altmann schon viel Richtiges geschrieben. Ich will noch zwei Gedanken ergänzen:

1. Wenn es für die EURO doch einen „neuen“ Stürmer braucht, dann muss das ein Mann sein, der in den Wochen zuvor am laufenden Band getroffen hat. Einer, der mit dem Selbstverständnis ins Turnier geht, die Dinger als Joker einfach reinzumachen, wenn sie ihm vor die Füße fallen. Aktuell fällt mir da keiner ein. Am ehesten noch Deni Alar, aber der spielt – bei allem Respekt vor der 2. Liga – eben in der 2. Liga.

2. Wenn es keinen Fließbandscorer in Sicht gibt und doch ein neuer Angreifer in den Kreis aufgenommen werden soll, dann doch eher einen mit Perspektive für die kommenden Jahre, dem Turniererfahrung weiterhilft. Einen „Scheißmirnix“, der als Joker für überraschende Momente sorgen kann.

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3.) Mehr Europhorie, bitte! Wer selbst nicht zum Länderspiel geht, darf über das "Auswärtsspiel" gegen die Türkei nicht jammern

Harald Prantl:

Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Teil der österreichischen Verfassung: "Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung, geht es um Geschehnisse in der Hauptstadt vor allem in Form von jammern, raunzen, sudern und motschkern." Oder so ähnlich.

Wer sich darüber aufregen will, dass das Happel-Stadion gegen die Türkei (zumindest fast) voll mit Fußballbegeisterten sein wird, darf das natürlich gerne. Unabhängig davon, ob er oder sie selbst zugegen ist.

Wichtig ist nur – und das gilt nicht nur für dieses Spiel –, dass sich das ÖFB-Team und dessen Fans nicht von politisch extremen Kräften vereinnahmen lassen. Aber wer die jüngsten Statements von Ralf Rangnick gelesen hat, wird wissen, dass die Gefahr denkbar gering ist.

Und zum Thema Europhorie (ich hatte ja gehofft, über dieses Wortspiel sind wir längst hinweg): Die wird schon kommen, keine Sorge. Der Winter ist gerade erst vorbei, Richtung Turnier hin sind dann alle österreichischen Fußballfans aufgetaut, da bin ich mir sicher.

Peter Altmann:

Hahaha, ja, der Begriff "Europhorie" ist tatsächlich klassisch 2008. Er ist ebenso in die Jahre gekommen wie in diesem Zusammenhang fragwürdig platziert.

Warum? Das potenzielle Stadion-Publikum soll nämlich nicht in den Prater pilgern, weil eine EURO ansteht, ein prominenter Gegner wartet (wie im November Deutschland) oder die Sonne scheint, sondern weil Österreich spielt.

Weil Österreich spielt. Weil Österreich spielt. Weil Österreich spielt.

Das ÖFB-Team würde sich längst ein größeres Stammpublikum verdienen – in aktuell guten Zeiten, aber auch in schwierigeren Phasen.

So lange dies nicht der Fall ist, machen die ÖFB-Verantwortlichen halt, was gute Kaufleute machen: Sie bemühen sich aus wirtschaftlichen Gründen um Test-Gegner, von denen sie wissen, dass viele Fans in Österreich und speziell in Wien leben. So wie jetzt gegen die Türkei oder im Juni gegen Serbien.

Das ist Kalkül und völlig legitim.

Eines kann man nicht oft genug klarstellen: Gott sei Dank leben wir in einem Land, in dem man darüber jammern "darf".

Aber folgender Vorschlag: Sofern logistisch und finanziell möglich, anstatt zu jammern, einfach überlegen, zum regelmäßigen Länderspiel-Besucher zu werden. Weil Österreich spielt.

Foto: © getty

4.) Valentino Lazaro muss ins Team! Der Italien-Legionär sollte aufhören, ein "Ivanschitz-Dasein" bei Ralf Rangnick fristen zu müssen

Peter Altmann:

Teil 1 der Antwort: Nicht jede originelle Formulierung kann man so stehen lassen. Viel weiter weg als Lazaro kann man von einem "Ivanschitz-Dasein" kaum sein.

Ivanschitz wurde damals als amtierender Kapitän von Teamchef Constantini rasiert und auch nicht einberufen, als er in Mainz in der deutschen Bundesliga glänzte.

Lazaro indes war im Prinzip letztmals 2019 ÖFB-Stammspieler, kam danach – auch verletzungsbedingt – schon unter Rangnick-Vorgänger Foda kaum zum Zug.

Und vor allem: Ivanschitz war ein Dauer-Thema. Immer und immer und immer wieder wurde nach ihm gefragt. Die große Lazaro-Debatte wäre mir bislang nicht aufgefallen.

Teil 2 der Antwort: Die Frage, ob es diese Debatte intensiver geben sollte, kann man indes definitiv in den Raum werfen.

Dass Rangnick dem Serie-A-Legionär kein Vertrauen schenkt, ist offenkundig. Dieses Gefühl hat Lazaro im Herbst 2022 selbst artikuliert, seither spielt er keine Rolle mehr.

Beim FC Torino hat der 27-Jährige wieder Ruhe in seine zuvor nach dem Wechsel zu Inter mitunter turbulente Karriere gebracht. Er spielt regelmäßig und bringt eine Vielseitigkeit mit, die auf Nationalteam-Ebene nie ein Nachteil ist. Sportlich gibt es also Argumente.

Die Frage, die sich Lazaro stellen sollte: Woran liegt es, dass sein Fehlen in der Öffentlichkeit kaum diskutiert wird?

Harald Prantl:

Die Absurdität des Ivanschitz-Vergleichs muss ich ja zum Glück nicht mehr extra herausarbeiten. Das gibt mir ein wenig Platz, um über Valentino Lazaros Situation in Turin aufzuklären.

Der Steirer hat bei Torino seinen präferierten Platz auf der rechten Außenbahn an Raoul Bellanova verloren. Der 23-Jährige macht das in dieser Saison so gut, dass ihn Italien-Teamchef Luciano Spalletti nun auch erstmals für das A-Team des amtierenden Europameisters nominiert hat.

Weil Trainer Ivan Juric aber große Stücke auf "Tino" hält, hat er ihm den Platz am linken Flügel zugewiesen. Dort tut sich der ÖFB-Legionär aber ein wenig schwerer als rechts und hatte nicht den gewünschten Impact (0 Tore, 2 Assists in 1.722 Minuten).

Zuletzt hat Lazaro sein Stammleiberl verloren, Juric hat Kapitän Ricardo Rodriguez aus der Abwehr auf die linke Außenbahn gezogen, in den vergangenen drei Partien stand Lazaro insgesamt zehn Minuten am Platz, Torino hat gegen starke Gegner nicht verloren.

Warum Rangnick Lazaro davor schon nicht mehr berücksichtigt hat, ist freilich eine andere Frage, die zu beantworten wohl nur der Teamchef selbst imstande ist.



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