Es war am 2. September 2017, Österreichs letzter Auftritt in Cardiff.
Das ÖFB-Team, damals noch unter Marcel Koller, unterlag Wales in der WM-Quali mit 0:1. Was ein heute 21-Jähriger damit zu tun hat? Es war das erste Mal, dass das neue, gehypte walisische Wunderkind Ethan Ampadu im Kader der "Roten Drachen" aufschien - mit gerade einmal 16 Lenzen.
Gehypt deshalb, weil der Wuschelkopf im wahrsten Sinne des Wortes allen den Kopf verdrehte. Bei Exeter City machte der Sohn einer Waliserin und eines Iren ghanaischer Abstammung dermaßen auf sich aufmerksam, dass ihn der FC Chelsea von der vierten Spielklasse in die Premier League beförderte und sich die Dienste 2,8 Millionen Euro kosten ließ.
Schon mit 15 durfte er im Vorbereitungs-Camp vor der EURO 2016 bei Wales schnuppern, auch wenn er sein Debüt im Nationaldress erst zwei Monate nach dem Aufeinandertreffen mit Österreich kurz nach seinem 17. Geburtstag geben durfte. Dafür lief er mit bereits 16 für Antonio Conte bei den "Blues" auf - vorwiegend in den Cup-Bewerben, allerdings datieren auch seine ersten zehn Premier-League-Minuten aus dem Dezember 2017, als er gerade einmal 17 war.
Welche Aussagekraft dies hat, zeigt die Tatsache, wie lange andere Talente in der Premier League warten müssen, ehe sie in einem bereits reiferen Alter auf wichtigen Positionen Verantwortung übernehmen dürfen - vor allem in der Defensive.
Das Vertrauen in den aufstrebenden Defensivspieler hat Chelsea bis heute nicht verloren. Trotz einiger Leihgeschäfte steht der mittlerweile 31-fache Nationalspieler noch immer bei den Engländern unter Vertrag - auch wenn die Momentaufnahme aktuell FC Venezia und Abstiegskampf heißt.
Pflichtspiel-Debüt mit 15 Jahren, doch Karriere stockt
In Venedig spielt Ampadu aktuell mit den rot-weiß-roten Abwehrkollegen Maximilian Ullmann und Michael Svoboda zusammen. Das soll allerdings nicht das Ende des Fahnenmastes sein, auch wenn es in den letzten Jahren nicht mehr so nach Wunsch lief.
Denn die Karriere des einstigen Wunderkindes geriet ein wenig ins Stocken. Bei Chelsea konnte sich Ampadu noch nicht auf Dauer durchsetzen, bei RB Leipzig kam er über sieben meist kurze Einsätze in einem Jahr nicht hinaus. Dafür jedoch in der Premier-League-Saison bei Sheffield United und jetzt bei Venezia. Mit den Engländern stieg er ab, mit den Italienern droht ihm nun ein ähnliches Schicksal.
Im Sommer endet die Leihe, in die Serie B muss er wohl nicht. Sein Vertrag bei Chelsea läuft zudem noch bis 2024. Ampadu ist jedoch auch nicht der erste Youngster, der nach einem derart rasanten Aufstieg erst einmal eine kurze Auszeit benötigt, um sich wieder zu festigen.
Er war mit 15 Jahren der jüngste Spieler, der für Exeter debütierte. Eine englische Fußballschule mit gutem Ruf, von wo aus schon der eine oder andere Kicker seine Karriere gestartet hat. Geerdet, in einer Wohlfühl-Umgebung, um das Beste aus den aufstrebenden Youngsters herauszuholen. Doch bei Ampadu kam noch ein entscheidendes Detail dazu.
Wenn der Vater mit dem Sohne und der Vater mit Thierry Henry
Denn niemand geringerer als sein Vater war selbst als Trainer im Nachwuchs tätig, betreute auch seinen Sohn. Kwame Ampadu hat selbst namhafte Stationen in seiner Karriere hinter sich. Bei Arsenal, auch wenn es nur zu zwei Einsätzen reichte, bei West Bromwich, Swansea oder Exeter City, zudem spielte er vier Mal für die U21 Irlands.
Bei den "Grecians" fiel er nicht nur beim Formen seines Sohns mit herausragenden Leistungen auf. Ansonsten wäre der heute 51-Jährige nicht unmittelbar darauf von Arsenal abgeworben worden, wo er im Nachwuchs coachte, später die U21 und seither als Assistenz-Coach bei AS Monaco und aktuell bei CF Montreal arbeitete - an der Seite von niemand geringerem als Gunners-Legende Thierry Henry als Chefcoach.
Der "Director of Football" von Exeter, Steve Perryman, meinte damals: "Ethan hatte alles, das richtige Umfeld von einem jungen Alter an bis zu der Zeit, als er sich entschieden hat, uns zu verlassen. Es geht immer um das Umfeld, in dem du dich befindest. Warum hat er sich für Wales und gegen England entschieden? Ich denke, das hängt vom Umfeld ab, das sie ihm geboten haben."
Spielberechtigt wäre dieser nämlich abseits von Wales auch für die "Three Lions", Irland und Ghana gewesen, doch er entschied sich für das Geburtsland seiner Mutter. Perryman bezeichnete Ampadu auch schon im jungen Alter als harten Arbeiter, der nie die Schule vernachlässigte und Dinge aus der inneren Überzeugung heraus tut, die er bei Exeter und von seinem Vater gelernt hatte.
Keine bunten Schuhe und Lookalike David Luiz als Freund
Dadurch konnte der Youngster auch schon damals gut mit Drucksituationen umgehen.
"Kein Spiel kann ihn aus der Ruhe bringen. Ich habe ihn in schwierigen Situationen erlebt, bei schlechtem Wetter, auf schlechten Plätzen, gegen schwierige Gegner. Er hat mit nur 15 Jahren in Derbys gegen Plymouth Argyle und League-Cup-Spielen gegen Championship- und Premier-League-Gegner gespielt", schwärmt Perryman, der es wissen muss, selbst mit 655 Spielen (31 Tore) für Tottenham zur Legende wurde und auch einmal im englischen Nationalteam auflief.
Ampadu war immer schon ein bisschen anders. Anfangs verwehrte er sich, bunte Fußballschuhe zu tragen, wollte nicht nur deshalb auf dem Platz auffalen, sondern spielte in schwarzen oder weißen, unauffälligen Schuhen - auch ein Zeichen der Bodenständigkeit.
Seine Dreadlock-Haarpracht wurde in seinen Anfängen im Profi-Fußball zum Markenzeichen. Bei Chelsea galt er damit schnell als Kopie von David Luiz, dem brasilianischen Abwehr-Routinier, der damals noch die Blues-Defensive festigte.
In seine Fußstapfen zu treten, war irgendwann das Ziel. Luiz nahm Ampadu aber auch so unter seine Fittiche, unterhielt mit dem deutlich jüngeren Kollegen eine Freundschaft, die weit über den Fußballplatz hinausging, was Fotos mit der Familie und den Kindern des Samba-Kickers unterstreichen. Mittlerweile ließ sich die Chelsea-Hoffnung der Zukunft die langen Haare abschneiden, diese lenken nun nicht mehr von den sportlichen Leistungen ab.
Mit 12 in Fergusons Visier, doch Ampadu träumt von Chelsea
Bei seinem Debüt für Chelsea wurde er im Carabao Cup für Cesc Fabregas eingewechselt. Dabei war er mit gerade einmal 12 Jahren bei einem Turnier in Manchester sogar Alex Ferguson aufgefallen, vor allem seine enorme Sprungkraft, doch sein nahendes Ende als Manager bei den "Red Devils" ließ keine Anbahnung eines Deals mehr zu.
Mit dem Ball am Fuß, seiner Quirligkeit und Verbissenheit staunten Kritiker nicht schlecht, verhießen Ampadu eine große Zukunft. Probetrainings bei Liverpool, Arsenal, Tottenham und Manchester City waren die Folge. Längst zählte er zu den größten Talenten weltweit, vom defensiven Mittelfeld ging es aber immer mehr in die Innenverteidigung, auch wenn er weiter flexibel einsetzbar ist.
Chelsea bekam schlussendlich den Zuschlag. Bei den Blues durfte er zwar immer wieder schnuppern, zwischenzeitlich gebremst durch einen Knöchelbruch, für den großen Durchbruch reichte es aber (noch) nicht. Somit gehören bis heute Leihstationen zum Alltag. Seinen Wechsel zu RB Leipzig bereute er nicht, auch wenn er kaum spielte. Trotzdem hob er die neuen Erfahrungen und das neu Erlernte unter einem neuen Trainer und in einem anderen Umfeld hervor.
Bei Sheffield United spielte er 2020/21 erstmals als Stammspieler im Erwachsenenfußball und hinterließ einen guten Eindruck, aktuell versucht er Venezia Stabilität in der Defensive zu verleihen. Dabei betonte der Youngster über die Leihen hinweg immer wieder: "Mein Endziel ist es hoffentlich, irgendwann Stammspieler bei Chelsea zu sein, aber jetzt muss ich an das Jetzt denken und tun, was nötig ist."
Für Wales Gold wert: "Ihm liegt die Welt zu Füßen"
Während Chelsea die Aktie des Wunderkinds noch nicht ausschöpft, sich jedoch die Option für die Zukunft offen hält, ist Ampadu im walisischen Nationalteam seit Jahren nicht wegzudenken und wird auch im WM-Playoff gegen das ÖFB-Team alles in die Waagschale werfen.
Bei den "Roten Drachen" war es früher Ryan Giggs, mit Abstrichen ist heute noch Gareth Bale der Star - doch schon seit 2017 blüht der Stern von Ampadu auf. Schon sein Pflichtspiel-Debüt für Wales war verheißungsvoll - davor gab es zwei Testspiel-Einsätze gegen Frankreich und Panama - und hätte nicht besser laufen können.
Mit 17 Jahren eroberte er gegen Irland den Ball im Mittelfeld, lief allen seinen Gegenspielern mit seinem Tempo davon und bediente Aaron Ramsey zum zwischenzeitlichen 3:0. Mit offenen Mündern wurde das Ausnahmetalent bejubelt, TV-Experte und Ex-Irland-Verteidiger Phill Babb meinte damals bei "Sky Sports": "Ihm liegt die Welt zu Füßen."
Und schon damals zahlte sich aus, dass Ampadu mit 7 Jahren schon in der U9 und als 13-Jähriger schon im U18-Team von Exeter spielte und trotz seines jungen Alters und so vielen übersprungenen Altersklassen im Haifischbecken Profifußball ohne Probleme schwimmen lernte. Auch Ryan Giggs lobte nach dem 4:1-Sieg von Wales: "Er ist ein talentierter Spieler, als Mensch so ausgeglichen, so reif für so einen jungen Spieler. Er wird ein großartiger Spieler werden."
Auch wenn die so früh aufblitzende Riesenkarriere auf Klubebene zuletzt ein wenig ins Stocken geriet und Ampadu weiter auf die große Chance bei einem Top-Klub wartet, ist er für Wales Gold wert. Daran wird sich so schnell nichts ändern.