Am späten Sonntagabend erreichte Fußball-Österreich ein wahre Hiobsbotschaft: Der EM-Traum von David Alaba könnte schon ein halbes Jahr vor dem ersten Spiel ausgeträumt sein.
Der Kapitän des ÖFB-Teams zog sich im Spiel gegen Villarreal einen Kreuzbandriss im linken Knie zu. Damit ist klar: Es wird eng mit einer EM-Teilnahme.
Es gibt aber Hoffnung. Denn Alaba hat sich, wenn man so will, das Kreuzband gerade noch rechtzeitig gerissen. Ein paar Wochen später und ein Einsatz bei der EM wäre so gut wie ausgeschlossen.
LAOLA1 erklärt euch das "Knie der Nation" und schätzt gemeinsam mit einem Experten ein, wie es um eine EM-Teilnahme des ÖFB-Stars steht.
Ein Foul ist nur selten die Ursache
Zunächst klären wir anhand von "Patient Alaba", was ein Kreuzbandriss genau ist und wie es zur Verletzung kommt.
Jeder Mensch hat je Knie zwei Kreuzbänder. Häufiger von einem Riss betroffen ist das vordere, wie im Fall von David Alaba. Die Ursache für den Riss liegt nicht immer in einer Fremdeinwirkung (wie bei einem Foul durch einen Gegenspieler). Im überwiegenden Teil der Fälle geschieht dies nämlich ohne selbige bei plötzlichen Richtungswechseln, Drehungen oder nach Sprüngen.
Auch bei David Alaba war dies mehr oder minder der Fall. Der 31-Jährige war gerade drauf und dran, seinen Gegenspieler zu attackieren, ehe er dies aber so richtig konnte, blieb er im Rasen hängen und verdrehte sich das linke Knie.
Eine Erstdiagnose ist meist bereits kurz nach dem Vorfall möglich - anhand des sogenannten "Schubladentests". Lässt sich der Unterschenkel gegen den Oberschenkel verschieben, liegt wahrscheinlich ein Kreuzbandriss vor - weshalb auch bei Alaba rasch Stimmen die Runde machten, dass es "nicht gut" aussehe. Für eine exakte Diagnose ist eine MRT (Magnetresonanztomographie) notwendig, welche auch beim ÖFB-Kapitän die unerfreuliche Diagnose bestätigte.
Darum wird Alaba umgehend operiert
In früheren Zeiten bedeutete ein Kreuzbandriss für Fußballer oftmals das Karriereende. Heute sind die Spieler dank moderner Behandlungsmethoden in der Regel wieder genauso einsatzfähig wie zuvor.
"Wenn man nicht sofort operiert, sondern erst nach ein paar Tagen, passieren Verklebungen. Dann sind die Ergebnisse schlechter als bei einer umgehenden OP."
Wie Real Madrid verlautbarte, wird Alaba schon demnächst operiert. Der Grund dafür: "Wenn man nicht sofort operiert, sondern erst nach ein paar Tagen, passieren Verklebungen. Dann sind die Ergebnisse schlechter als bei einer umgehenden OP", erklärt der erfahrene Orthopäde Dr. Ashraf Saad gegenüber LAOLA1. Im Zuge seiner Laufbahn hat der langjährige Oberarzt mit Schwerpunkt Kreuzbandchirurgie bereits bei zahlreichen Sportler-Knien Hand angelegt und weiß, was diese Verletzung für einen Profi-Kicker bedeutet.
Schafft es Alaba zur EM?
Die Ausfallzeit bei Kreuzbandrissen beträgt in der Regel sechs Monate oder mehr. Glück im Unglück für Alaba: Bei ihm handelt es sich "nur" um einen Riss des vorderen Kreuzbandes, was die Prognose ein wenig zuversichtlicher macht.
Schafft es Alaba also zur EM? "Das könnte sich durchaus ausgehen", schätzt Saad ein. Von eminenter Bedeutung sei dabei aber nicht nur die sauber durchgeführte Operation, ebenso kommt der Physiotherapie und dem Muskelaufbau danach ein sehr großer Stellenwert zu. Im Idealfall können Sportler so schon nach drei Monaten wieder mit dem Training beginnen, im schlechteren Fall sind des eher deren sechs, wie der Facharzt erklärt.
Anders sieht dies Dr. Christian Fink vom Team "Gelenkpunkt" in Hochrum (Tirol). "Es gibt keine Wunderheilung, eine Kreuzbandverletzung braucht immer Zeit", meint er gegenüber der APA und geht eher von sechs bis zwölf Monaten Ausfallsdauer aus.
Aber auch er sieht Chancen für Alaba. "Es hängt von der Reha ab, vom genauen Verletzungsbild - und wie viel Risiko der Patient bereit ist, zu gehen", so Fink.
Da Alabas Diagnose günstig ist, besteht die Chance, dass er sich eher im unteren Bereich der Schwankungsbreite bewegt. Eine genaue Prognose ist aber stets erst nach der Operation möglich.
Die tatsächliche Ausfalldauer hänge auch immer davon ab, welche weiteren Strukturen bei der Verletzung betroffen waren, pflichtet Saad seinem Berufskollegen Fink bei. Und zu früh zu beginnen, ist gefährlich.
"Wenn die Muskulatur noch nicht stark genug ist, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verletzung wiederholt", nimmt Saad erneut Bezug auf die therapeutische Arbeit nach der Operation. "Jeder Monat mehr verringert das Risiko einer neuerlichen Verletzung", mahnt Kollege Fink dazu, eher länger als kürzer zu pausieren.
Fit ja, aber auch einsatzfähig?
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Die Chance für Alaba lebt. Ausschlaggebend dafür ist aber, wie tiefgreifend die Verletzung tatsächlich ist, wie gut Operation sowie Physiotherapie verlaufen und wie groß Alabas Risikobereitschaft ist.
Zudem wird das Thema Spielpraxis ein wesentliches sein. Es wird also auch davon abhängen, wie früh Alaba gegebenenfalls wieder matchfit ist. Denn ihn gänzlich ohne Spielpraxis ins Gefecht zu werfen, birgt enorme sportliche und gesundheitliche Risiken - die man beim ÖFB kaum eingehen wird.
Tatsache ist aber auch: Österreich kann einen einsatzfähigen Alaba nur zu gut gebrauchen, speziell dann, wenn die Herausforderer Frankreich und Niederlande heißen. Der dritte Gruppengegner wird im März in den Playoffs zwischen Polen, Wales, Estland und Finnland ermittelt.