Vor gut fünf Jahren war Andreas Lukse arbeitslos.
Damals war definitiv nicht abzusehen, dass der Goalie im November 2016 sein Debüt im Nationalteam feiern und sich nach dem 0:0 im Test gegen die Slowakei ein Extralob von Teamchef Marcel Koller abholen würde.
"Ein Riesen-Highlight für mich", strahlt der seit einer Woche 29-Jährige, "über ein A-Team-Debüt geht nicht viel drüber und dann gleich über die volle Distanz. Es war ein besonderer Abend für mich, den ich nicht so schnell vergessen werde."
Die Highlights von Österreich gegen Slowakei:
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
"Habe mir viele Steine selber in den Weg gelegt"
Der Wiener ist ein gutes Beispiel dafür, dass man vermeintlich gescheiterte Spieler manchmal doch nicht zu früh abschreiben sollte.
Im Herbst 2011 stand Lukse ohne Arbeitgeber da. Bei Rapid war er nach der einen oder anderen Eskapade in Ungnade gefallen. 2009/10 kam er in seiner Leih-Saison bei Sturm Graz nicht an Christian Gratzei vorbei, 2010/11 lief auch sein Engagement bei der Vienna nicht nach Wunsch.
Es folgte das monatelange Warten auf eine neue Chance. Dass das ÖFB-Team zu jener Zeit in seinen Gedanken nicht einmal eine Nebenrolle spielte, liegt auf der Hand.
"Ich habe mir viele Steine teilweise auch selber in den Weg gelegt, aber Gott sei Dank noch die Kurve bekommen. Nach so langer Zeit seit der U21, acht Jahre später, das A-Debüt zu feiern, ist umso schöner. Es war ein langer, steiniger Weg, aber jetzt bin ich natürlich überglücklich", gibt Lukse zu Protokoll.
"Canadi hat mich aus der Versenkung geholt"
Wann ihm der Knopf doch noch aufgegangen sei? "Das war ein längerer Prozess. Angefangen hat es beim FC Lustenau, wo mich Damir Canadi mehr oder weniger aus der Versenkung geholt hat. Es waren einige harte Jahre in der zweiten Liga. Schlussendlich erleben wir jetzt mit Altach einen Höhenflug und ich bin froh, ein Teil davon zu sein."
Kein Teil mehr dieses Höhenflugs ist Canadi, der während der Länderspiel-Pause eine neue Herausforderung bei Lukses "Jugendliebe" Rapid angenommen hat.
Der Karriere-Turnaround des Torhüters ist eng mit dem neuen Trainer der Hütteldorfer verbunden. Im Oktober 2011 gab Canadi dem arbeitslosen Profi in Lustenau eine neue Chance. Nach eineinhalb Jahren beim Kapfenberger SV lotste er Lukse im Sommer 2014 nach Altach, wo sich dieser letztlich gegen Platzhirsch Martin Kobras durchsetzte und ins Rampenlicht für das Nationalteam spielte.
Abschied von Förderer Canadi
So gesehen ist es ein kurioses Timing, dass ihm sein langjähriger Förderer ausgerechnet jetzt, wo er am bisherigen Höhepunkt seiner Laufbahn angekommen ist, abhanden kommt.
"Kaum ist man mal zehn Tage weg, sieht man morgen beim Training gleich neue Gesichter", nimmt es Lukse mit Humor und beglückwunscht seinen Ex-Coach zu dessen Karriereschritt: "Ich muss Damir Canadi und seinem Trainer-Team ein Riesen-Kompliment aussprechen. Er hat in Altach Top-Arbeit geleistet. Es ist der logische Schritt, dass man zum größten Verein Österreichs wechselt, wenn man das Angebot bekommt. So ist das Geschäft nun mal."
Auch Lukses Marktwert ist durch sein ÖFB-Debüt tendenziell nicht gesunken. Zwei Mal zeichnete er sich bei slowakischen Großchancen mit Glanzparaden aus und rettete so das Remis:
"Als Tormann braucht man immer auch ein bisschen das Quäntchen Glück, dass man gleich den ersten Ball so halten kann. Ich habe mich vorher schon gut gefühlt und nach so einem Ball ist man voll in der Partie drinnen. Bei der zweiten Chance war es ein schwieriger Ball, der noch verlängert wurde. Es ist oft nicht so einfach, wenn man nicht allzu viel zu tun bekommt und dann trotzdem die zwei wichtigen Bälle halten kann."
"Jetzt bin ich wirklich Nationalspieler"
Erstmals in den Kader des Nationalteams befördert wurde er von Koller bereits vor einem Jahr für das Spanien-Trainingslager samt anschließendem Test gegen die Schweiz. Für die EURO vertraute der Teamchef jedoch dem etablierten Trio Robert Almer, Ramazan Özcan und Heinz Lindner. Erst nach der EM ersetzte er Letzteren fix durch den Altach-Keeper.
"Jetzt bin ich wirklich Nationalspieler", findet Lukse, "ich war zwar schon vor einem Jahr erstmals dabei, aber wenn man auf dem Platz steht, ist es noch einmal etwas anderes."
Wobei er betont, dass es am Feld vom Gefühl her kein großer Unterschied zur Bundesliga gewesen sei. In selbiger muss sich Lukse ab dem Wochenende wieder beweisen. Am Samstag wartet bereits das Gipfeltreffen mit Leader Sturm, nach dem Altach neuer Tabellenführer sein könnte.
"Vollstes Vertrauen in Berchtold und Grabherr"
Der Schlussmann reist definitiv gestärkt zurück nach Vorarlberg: "Ich kann ein Riesen-Selbstvertrauen mitnehmen. Ich muss im Verein weiter Gas geben. Es geht uns allen in Altach sehr gut, wir wollen oben dran bleiben. Wenn es im März im Nationalteam weitergeht, werde ich nicht viel verändern brauchen. Ich muss mich im Training beweisen. Wenn ich wieder eine Chance bekomme, muss ich bereit sein so wie gegen die Slowakei."
Ab sofort muss sich Lukse ohne seinen Wegbegleiter Canadi beweisen. Er ist jedoch überzeugt, dass Altach auch weiterhin in guten Händen sein wird:
"Ich habe vollstes Vertrauen in Didi Berchtold und Werner Grabherr, dass die gute Arbeit fortgesetzt und neue Reize gesetzt werden. Wir wollen am Samstag Sturm zu Hause schlagen."
Peter Altmann