Frischer Wind oder Kontinuität im Vertrauen darauf, dass Franco Foda das ÖFB-Team wieder in die Spur bringt?
Die Antwort auf diese Frage darf man nach der offiziellen Kür des designierten ÖFB-Präsidenten Gerhard Milletich mit Spannung erwarten.
Fest steht nur: So kann es nicht weitergehen. Ob mit oder ohne Foda.
Natürlich war dieser Lehrgang nicht so desaströs wie jener im September. Natürlich waren auch diesmal die Begleitumstände ungut. Natürlich ist Dänemark in der aktuellen Form ein schwieriges Kaliber. Und natürlich hat man weiter Chancen auf eine WM-Teilnahme.
Aber dennoch ist es weder der Anspruch des ÖFB-Teams, Dänemark artig zur WM-Teilnahme zu gratulieren, noch zwei Spiele vor Schluss nicht einmal mehr eine Chance auf Rang zwei in der Gruppe zu haben, weil Schottland um sieben Punkte enteilt ist.
Dafür hat man in den vergangenen Jahren zu viel aufgebaut. Nicht umsonst ist man noch im März vermeintlich auf Augenhöhe mit Dänemark in die WM-Qualifikation gestartet. Nicht umsonst erinnert man im ÖFB-Lager gerne an die EURO-Darbietungen gegen die Ukraine und Italien, was ja dem eigentlichen Leistungs-Level entsprechen würde.
Davon ist im tristen ÖFB-Herbst 2021 nur noch wenig übrig. Einige Beobachtungen zum Status quo und zur näheren Zukunft:
FODA - EINE GRUNDSATZENTSCHEIDUNG
Foda tut sich aktuell schwer, einen Beliebtheitspreis zu gewinnen.
Dass seine Job-Sicherheit debattiert wird, ist legitim. Ebenso legitim ist es, die Stimmungslage der Öffentlichkeit auszuloten und über seine Zukunft abstimmen zu lassen (siehe Trend).
Man muss es nicht mögen, aber auch das gehört zum Geschäft. Foda weiß und akzeptiert das.
Ebenso legitim ist allerdings aus der Sicht des Teamchefs, was er nach der Niederlage in Kopenhagen von sich gegeben hat. Das hat nichts mit Realitätsverlust zu tun, auch das ist Business.
Ungewohnt offensiv präsentierte sich der 55-Jährige, von einer Teilnahme an der WM überzeugt. Bis zum letzten Tag im Amt werde er darum kämpfen, das Nationalteam wieder in die Spur zu bringen.
Dass er sich erstens arbeitswillig und zweitens überzeugt von der Trendwende präsentieren muss (und im konkreten Fall auch ist), liegt auf der Hand. Sonst könnte er seinen neuen Chef gleich selbst um seine Abberufung bitten. Niemand bringt sich für den Fall der Fälle freiwillig in eine schlechte Verhandlungsposition.
Sieht man das größere Ganze, ist bezüglich der sportlichen Führung im ÖFB generell eine Grundsatzentscheidung nötig - und die betrifft nicht nur den Teamchef.
Traut man es Sportdirektor Peter Schöttel, Foda und Co. zu, das A-Team wieder auf ein zwischenzeitlich gewohntes und zuletzt mit Ausnahme der EM schmerzlich vermisstes Niveau zu führen oder nicht?
Die Öffentlichkeit kann darüber debattieren und ihre Meinung abgeben, entscheiden werden und müssen andere. Ob dies die geeigneten Leute für solch eine Grundsatzentscheidung sind, ließe sich allerdings bekanntlich auch wieder diskutieren.
DIE LÄHMENDE RATLOSIGKEIT:
Kein ÖFB-Kicker vergaß in Kopenhagen die Klasse der Dänen sowohl offensiv als auch defensiv zu loben. Selbige ist auch unbestritten.
Zwar halbwegs gut zu stehen, die Skandinavier nach vorne hin aber so gar nicht fordern zu können, ist jedoch logischerweise nicht der rot-weiß-rote Anspruch.
Und zwar wohlgemerkt auch nicht mit einer stark ersatzgeschwächten Truppe. Denn dafür sind diverse Kadermitglieder nach wie vor hochklassig genug angestellt.
Es wirkt fast schon ein wenig verzweifelt, wenn Martin Hinteregger beschwört: "Wir sind wirklich gute Fußballer, das zeigen wir Woche für Woche, aber wir schaffen es im Nationalteam nicht. Das ist das Schwierige."
Diese Ratlosigkeit greift zunehmend um sich, denn Stand jetzt war die EURO der Ausreißer nach oben. Die leistungstechnisch schwierige Phase begann dafür schon vergangenen Herbst.
"Einfach wieder frei aufspielen wäre wichtig", meint Hinteregger und hofft, dass zumindest im Hinblick auf den November-Lehrgang der Druck ein wenig weg ist, da nicht einmal mehr Platz zwei erreicht werden kann.
"Positives mitzunehmen ist aktuell schwer, weil sich das schon über einen längeren Zeitraum zieht. Wir hoffen, dass der Knoten schnell mal platzt, damit wir wieder einen guten Fußball spielen", so der Kärntner.
Je länger sich die sportliche Schonkost zieht, desto weiter droht man sich von den eigenen - im Prinzip ja gerechtfertigten - Ansprüchen zu entfernen. Der aktuelle Zustand ist jedenfalls lähmend.
Dass im Moment nicht das Selbstvertrauen, sondern Ratlosigkeit und Verunsicherung regieren, ist so. Das bestreitet auch Foda nicht:
"Wir befinden uns in einer Phase, in der nicht alles so leicht von der Hand geht. Das hat man beim Gegner schon gemerkt. Sie sind in einem Flow und voller Selbstvertrauen. Da spielen einfach viele Faktoren eine Rolle."
DIE QUALITÄTSFRAGE:
Irgendwann während der zweiten Halbzeit brachte ORF-Co-Kommentator Roman Mählich die Frage auf, ob Michael Gregoritsch und Karim Onisiwo wirklich Spieler sind, die dem ÖFB-Team derzeit weiterhelfen können.
Es mag vielleicht nicht fair sein, sich genau diese zwei Spieler herauszupicken, aber der grundsätzliche Gedanke der Frage schwirrt rund um das Nationalteam schon länger herum.
Dass Österreich in Bestbesetzung aufzeigen kann, hat die EURO gezeigt. Dahinter gibt es einen viel zitierten großen Pool an Spielern, von denen diverse Kandidaten auch oft eingeladen werden, sich aber durchaus schwer tun, im ÖFB-Dress in gewisser Regelmäßigkeit für Glanzlichter zu sorgen.
Freilich: Man kann derzeit auch darüber diskutieren, ob der eine oder andere Führungsspieler intensiv genug vorangeht.
Dennoch: Dass der so genannte zweite Anzug nicht sitzt, hat diese Quali leider nicht nur angedeutet.
Nun ist es auf Nationaltam-Ebene kein falscher Gedanke, für eine gewisse personelle Kontinuität zu sorgen. Stichwort Abläufe, die auch so offenkundig ein wenig verloren gegangen sind.
Aber im hinteren Kaderbereich, sagen wir auf den Plätzen 17 bis 23, wieder etwas mehr das Leistungsprinzip einzuführen, ist womöglich kein Fehler. Dies gilt für Performances im Verein und letztlich auch im A-Team.
Mal abgesehen davon, dass der Kader teilweise schon recht routiniert geworden ist und mehr frischer Wind gut tun könnte. Selbigen brachten diesmal zwei Rapidler teilweise mit sich.
"Ercan Kara hat sein Startelf-Debüt gegeben. Marco Grüll hat in Dänemark die Möglichkeit gehabt, sich zu präsentieren und seine Sache über weite Strecken gut gemacht. Also haben schon auch neue Spieler die Möglichkeit, sich zu zeigen", meint Foda.
Dass man derzeit Ausfälle nicht so gut kompensieren könne, führt der Teamchef mehr auf besagte schwierige Phase zurück:
"Ich kann mich erinnern, in der EM-Qualifikation hatten wir auch Ausfälle. In Slowenien haben David Alaba, Marko Arnautovic und Stefan Lainer nicht gespielt. Aber die Gesamtsituation war einfach viel, viel besser, da konnten wir auch die Ausfälle immer wieder kompensieren."
DER WICHTIGE NOVEMBER:
Der erste Reflex ist, dass die beiden November-Heimspiele gegen Israel und Moldawien bedeutungslos sind. Das Gegenteil ist der Fall.
Mit oder ohne Foda.
Sollte es einen Teamchef-Wechsel geben, ist die Bedeutung des Lehrgangs ohnehin selbsterklärend.
Bleibt Foda, ist es die letzte Chance, besagte Gesamtsituation wieder nachhaltig zu verbessern. Denn davon ausgehend, dass es mit der Teilnahme an den WM-Playoffs über den Umweg Nations League klappt, sind diese beiden Matches die Generalprobe.
Was zuletzt verloren wurde, muss rechtzeitig wiedergefunden werden.
"Wir müssen den November nützen, um uns weiterzuentwickeln. Beide Spiele werden wichtig sein, um wieder unsere Philosophie reinzubringen, die wir uns vorstellen", betont David Alaba.
Wie auch Foda bestätigt, fehlen durch die zahlreichen Ausfälle die Automatismen. Im November will man sich daher wieder einspielen, wie Konrad Laimer hervorstreicht:
"Das Wichtigste ist, dass wir den Rhythmus finden und wissen, was der Nebenmann neben uns will. Wir müssen uns einfach verbessern, damt wir für die ganz wichtigen Spiele im März die bestmögliche Mannschaft am Platz haben."
Denn: Auch wenn es sich derzeit fern anfühlt, logischerweise bleibt die Teilnahme an der WM 2022 das große und vor allem auch logische Ziel.
"Das ist immer noch der Traum von jedem einzelnen von uns", bekräftigt Laimer.
Goalie Daniel Bachmann meint: "Wir werden alles geben, um zur WM zu fahren. Das ist weiterhin das klare Ziel, daran hat sich nichts geändert. Es gilt sich darauf zu konzentrieren, im November ein Feintuning zu machen."
Das ÖFB-Team hat es in diesem Jahr schon einmal geschafft, eine Niederlage gegen Dänemark als Weckruf zu verstehen. Das 0:4 im März gegen Dänemark brachte eine intensive Aufarbeitung mit sich. Die Schlüsse im Hinblick auf die EM waren nicht die falschen. Nun sollte man im ÖFB wieder in sich gehen.
Denn im und rund ums Nationalteam wird niemand bestreiten: So kann es wirklich nicht weitergehen.