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Hjulmand: Ein "Menschenfänger" als Nationalheld

Ein Perfektionist als "Menschenfänger" und Vater des dänischen Erfolgslaufs:

Hjulmand: Ein Foto: © getty

Es gibt viele Gründe, warum das dänische Nationalteam seit mehreren Jahren einen steilen und stetigen Aufstieg im Weltfußball hinlegt.

Seit dem größten Triumph, dem Europameister-Titel 1992, ist viel geschehen. Nach einem Tief inklusive verpassten EM-Endrunden sowie Weltmeisterschaften und zwischenzeitlichen Teilerfolgen ist mit „Danish Dynamite“ wieder längerfristig zu rechnen.

Der nachhaltige Aufbau einer neuen Generation gipfelte im vergangenen Jahr im Semifinal-Einzug bei der Europameisterschaft, der nach dem Zusammenbruch von Christian Eriksen von besonderer Emotionalität begleitet wurde. Der Final-Traum wurde erst in der Verlängerung gegen England zerstört.

Doch die Euphorie hielt an. Mittlerweile ist Eriksen wieder Dreh- und Angelpunkt, die Dänen für ihren erfrischenden Spielstil bekannt und Österreich dank drei Siegen in den letzten drei Duellen ein Lieblingsgegner. Das soll sich aus ÖFB-Sicht aber beim Gastspiel im Parken-Stadion von Kopenhagen (20:45 Uhr im LIVE-Ticker) ändern.

Ein ganzes Land liegt Hjulmand zu Füßen

Einer der Gründe für die sympathische Entwicklung der Skandinavier ist aber mit Sicherheit Teamchef Kasper Hjulmand.

Medial als Mischung von Jürgen Klopp und Thomas Tuchel bezeichnet, geht der 50-jährige seinen eigenen Weg – und ein ganzes Land liegt ihm zu Füßen.

Seit seinem Amtsantritt im August 2020 hat er die Herzen der Fans, aber auch der Spieler erobert. Sein Weg zum Nationalhelden war ein überschaubarer.

Mit dem kleinen Klub Norsjaelland wurde er 2012 sensationell Meister in Dänemark, womit er sich in den Notizblock von Mainz 05 spielte, das einen Nachfolger für einen gewissen Thomas Tuchel suchte. Hjulmand übernahm, aber nach acht Monaten war bereits wieder Schluss. Wieder über Nordsjaelland wurde er dann als der Richtige fürs Nationalteam ausgewählt.

Ein analytischer Perfektionist mit viel Herz

So viel zum sportlichen Werdegang des heute 50-Jährigen aus Aalborg. Die aktive Karriere war eine kurze, eine Knieverletzung zerstörte mit 26 Jahren die großen Hoffnungen.

Somit verschrieb sich Hjulmand vor allem der Jugend, welche bis heute eine große Rolle spielt. Die Vergleiche mit seinem Mainz-Vorgänger Tuchel so wie Jürgen Klopp kommen nicht von ungefähr.

Schon vor Jahren wurde seine Philosophie mit dem Fokus auf Pressing, Offensive und schnellen Fußball beschrieben. Flexibilität beim Switchen zu neuen Spielformen, Video-Analyse von Trainingsübungen und das Kollektiv als Erfolgsgarant sind nur einige Schlagworte, welche die Herangehensweise des dänischen Volkshelden beschreiben.

Obwohl er als akribischer Fußball-Analytiker und Perfektionist beschrieben wird, unterscheidet ihn viel von seinen verbissenen Kollegen. Denn seine Herzlichkeit und Menschlichkeit auch in heiklen und angespannten Phasen heben nicht nur Spieler sondern auch andere Wegbegleiter hervor.

Nicht der klassische Fußball-Verrückte

So auch der heutige Liverpool-Coach Jürgen Klopp, der Hjulmand erstmals persönlich im Zuge des Elitetrainer-Meetings der UEFA 2012/13 kennenlernte, an einem entspannten Abend an der Hotelbar in Nyon.

Klopp schwärmte damals in der "Allgemeinen Zeitung" von einem "extrem sympathischen, angenehmen Kerl", der aufgrund seiner Eloquenz als TV-Experte arbeitete und zu diesem Zeitpunkt mit dem Sensations-Meistertitel mit Nordsjaelland für Furore sorgte.

Hjulmand ist nicht der klassische Fußball-Verrückte. Er studierte mehrere Semester Philosophie, hat einen Hochschulsabschluss in Sportwissenschaften, absolvierte ein Sportmanagement-Studium nach einem Aufenthalt in den USA und arbeitete sich als Jugendtrainer hoch, was noch heute seine Arbeit beeinflusst. Zudem ist er Vater von drei Kindern.

Dabei wirkt er offen, zugänglich, pflegt ein wenig den Klopp-Style, da auch er das Herz auf der Zunge trägt, emotional mitlebt, aber stets mit Humor und keiner Besessenheit punktet.

Kjaer: "Kasper ist außergewöhnlich"

Der langjährige dänische Kapitän Simon Kjaer meinte einmal: "Kasper ist außergewöhnlich. Er ist schon als Trainer großartig, weil er an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden an Fußball denkt. Aber als Mensch ist er noch viel mehr als das."

Auch Joakim Maehle huldigte seinem Coach, der den Spielern innerhalb seiner Vorstellungen viel Freiheit gewährt. Er betonte, es ist "die Leistung eines Mannes, dass wir rausgehen und eine solche Leistung abliefern können."

Bezeichnend war das Auftreten des Teamchefs in der Causa um Christian Eriksen. Ein ganzes Land war beim Kollaps des Mittelfeldstrategen bei der Europameisterschaft in Schockstarre und bangte um den damaligen Inter-Profi, der heute bei Brentford spielt.

Der Herzstillstand seines Schützlings erinnerte Hjulmand an ein Familien-Schicksal. Er selbst hat seinen Onkel verloren, durch einen Herzinfarkt auf dem Spielfeld.

Im Eriksen-Drama offenbarte sich Hjulmands Stärke der Menschlichkeit

Auch der Trainer benötigte bei den Geschehnissen rund um Eriksen professionelle Hilfe und meinte damals, dass seine Emotionen außerhalb seines Körpers seien. Er funktionierte jedoch, um für seine Spieler in diesem schlimmen Moment da zu sein.

Er trat vor seine Mannschaft, tröstete, beschützte sie und baute sie in persönlichen Gesprächen wieder auf. Noch heute wird von der bewundernswerten Art berichtet, wie Hjulmand das Drama damals moderierte, auch im richtigen Moment Kritik an der Weiterführung der Partie übte und eroberte auch mit seinen menschlichen und fürsorglichen Zügen das Vertrauen und die Herzen der dänischen Fans und der eigenen Spieler.

Eine ähnlich herausragende Rolle in diesem Vorfall nahm Kapitän Simon Kjaer ein, der mit seinem schnellen Eingreifen nicht nur Eriksen das Leben rettete, sondern auch mit der Menschenmauer dafür sorgte, dass die Mannschaft geschlossen ihren Spieler vor wissbegierigen TV-Kameras beschützte.

Defensivspieler Daniell Wass meinte etwa: "Ich bin dankbar, dass er die Situation um Eriksen so gehandhabt hat, wie er es getan hat." Auch Kjaer meinte abseits des Sportlichen: "Er hat auch gezeigt, dass er viel mehr als das ist. Ich bin tief beeindruckt und dankbar, ihn als Trainer zu haben."

Ein "Menschenfänger"

Noch dazu hat es Hjulmand geschafft, trotz dieses einschneidenden Erlebnisses im Gruppenspiel gegen Finnland den Teamgeist so zu stärken, dass die Mannschaft sogar noch das EM-Semifinale erreichte und den Erfolg Eriksen widmete.

Nach dem nicht mehr geglaubten Achtelfinal-Einzug nach zwei Vorrunden-Niederlagen ließ er seinen Emotionen freien Lauf, rannte völlig losgelöst und emotional über den Rasen und machte vor jeder Tribüne die Welle.

Die Fans huldigten ihn mit "Hjulmand"-Sprechchören, noch weit über eine halbe Stunde nach dem Schlusspfiff in Kopenhagen. Der "Menschenfänger" war geboren.

Viele Spieler bezeichnen ihn als Freund, nicht nur als Trainer. Der Teamchef gibt das Lob in all seiner Bescheidenheit zurück. "Wir sind eine Einheit, das bin nicht ich allein. Ich habe es geschafft, weil ich ein großartiges Team um mich herum habe. Wir geben uns gegenseitig Rückendeckung."

Dänemarks Entwicklung unter Hjulmand beeindruckt auch Rangnick

Dieses Vertrauen ist auf dem Platz spürbar. Es ist nicht sein System, nicht die Frage, ob er bei der erfolgreichen Dreierkette bleibt oder wieder vermehrt auf Viererkette baut.

Es ist das große Ganze, das in Dänemark auch dank Hjulmand entstanden ist. Erst kürzlich zog auch ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick seinen Hut, was binnen weniger Jahre dort entstanden ist. Vor allem der Unterbau mit immer wieder nachkommenden Top-Talenten, die bei Großklubs spielen, und nicht einmal alle Platz im Aufgebot finden, imponierte dem 63-jährigen Deutschen.

Es klang fast so, als könnte sich Österreich ein Beispiel für die Zukunft daran nehmen. Eine klare Philosophie hat Dänemark allemal, obendrein sind es die taktischen Geniestreiche Hjulmands, die Dänemark so unberechenbar, vielseitig und variantenreich machen.

Für die Dänen ist Hjulmand längst mehr als nur ein Teamchef, für sie ist er längst ein Nationalheld. Diese verschworene Einheit macht es für Österreich beim Gastspiel in Kopenhagen noch schwieriger.

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