Wenn ein Journalist eine Pressekonferenz mit den Worten "Coach, we are speechless" eröffnet, hat man gerade wohl einiges richtig gemacht.
Man kann es drehen und wenden, wie man will, und auch wenn er selbst es aus Bescheidenheits-Gründen wohl ungern liest: Aber dieser 4:2-Sieg von Israel gegen Österreich war SEIN Abend.
Andreas Herzog ist Österreichs Rekordinternationaler. Niemand wäre so oft beinahe ÖFB-Teamchef geworden, wie es die Kollegen vom "Standard" einst so schön auf den Punkt brachten. Jetzt besiegte er sein Heimatland in einer Art und Weise, die für viele Israelis historische Relevanz zu haben schien.
"Nach dem Match haben sie mir gesagt, dass es das beste Spiel seit 20, 25 Jahren war und das macht mich als Trainer stolz auf die Mannschaft und ist auch ganz wichtig für den israelischen Fußball", meint Herzog rund eine Stunde nach dem Schlusspfiff im Kreis österreichischer Medienvertreter.
Der Schnee von gestern
Relativ kurz nach dem Spielende plauderte Herzog im Kreis anderer Landsleute, und zwar mit ÖFB-Präsident Leo Windtner, Sportdirektor Peter Schöttel und Geschäftsführer Bernhard Neuhold.
Ob der eine oder andere ÖFB-Würdenträger dabei insgeheim dachte, dass Herzog vielleicht doch keinen so schlechten österreichischen Teamchef abgegeben hätte? Man weiß es nicht.
Was man weiß, ist, wie Herzog auch nach diesem Sieg zu diesem Thema steht: "Das ist alles ein bisschen aufgebauscht worden mit der Vergangenheit von mir in Österreich. Ich habe das beiseite geschoben, das ist Schnee von gestern. Ich schaue nur in die Zukunft - und heute auch gerne einmal ein bisschen zurück, damit ich das Spiel noch mal in Ruhe genießen kann."
Es folgte der typische verschmitzte Herzog-Grinser, wobei der 50-Jährige nach allen Regeln der Kunst bemüht war, sich nur ja keine Genugtuung anmerken zu lassen. Alleine die Freude, mit seiner Mannschaft einen derart wichtigen Quali-Sieg eingefahren zu haben, ist ohnehin schon genügend Treibstoff für einen gelungenen Abend.
Herzogs "Hollywood-Märchen"
Ein weiterer angenehmer Aspekt dieses Triumphs ist, dass sich Herzog wohl keine "Vorwürfe" mehr machen lassen muss, dass er Israel 2001 mit seinem Last-Minute-Freistoß-Tor aus der WM-Qualifikation gekickt hat.
"Der Fußball ist verrückt! Das ist wie ein Hollywod-Märchen", holt der Wiener aus, "ich bin am Anfang wegen der Geschichte mit diesem Tor nicht so freundlich aufgenommen worden. Dann habe ich immer gehört: 'Aber du kannst es ja gegen Österreich wieder gut machen!' Und jetzt gewinnen wir das Heimspiel 4:2."
Gelöst erzählt Herzog, dass er für dieses Kräftemessen eigentlich eine ganz andere Idee gehabt hat: "Diese Hauptidee ist mir aber in die Hose gegangen."
Und zwar weil sich Celtic-Glasgow-Legionär Nir Bitton, der schon im Herbst alle Lehrgänge unter der Anleitung des Österreichers versäumt hatte, erneut verletzt hat: "Ich hätte eine gute Idee mit ihm gehabt, wie wir taktisch variabler sind und dann verletzt er sich. Ich habe mir nur gedacht: 'Jetzt hast du dir drei Monate alles für dieses Spiel aufgebaut und dann das.' Darum ist es im Leben immer wichtig, dass man Plan A und B und hin und wieder auch Plan C hat. Diesmal hat Gott sei Dank Plan B gereicht."
In Feierlaune
So sehr gereicht, dass es sich selbst Israels Sportministerin nicht nehmen ließ, mit dem Team in der Kabine zu feiern. Apropos feiern: Israels Sportdirektor Willi Ruttensteiner erlitt einen gespielten Nervenzusammenbruch, als Herzog ankündigte, dass dies schon ein Sieg sei, den man jetzt noch ein bisschen feiern könne.
Also nichts mit Dienstantritt im Büro um 8 Uhr. "Ich glaube schon, dass wir heute noch ein bisschen den Sieg genießen und auch feiern werden. Auf der anderen Seite: Wenn du morgen kommst und um 8 Uhr in der Früh mit mir am Strand laufen gehst, dann feiere ich lieber nicht so lang", lachte der siegreiche Coach.
Die Laufrunde fiel wohl aus und trotz der Feierstimmung war der frühere Mittelfeld-Regisseur bemüht, den Ball eher flach zu halten. Ganz nach dem Motto, dass man auf die komplette Qualifikation gesehen noch nichts erreicht habe.
"Es ist ein weiter Weg zur Quali und wir müssen schon genau wissen, dass es noch ganz schwere Arbeit wird. Wir hatten jetzt zwei Heimspiele, in denen wir oft das Momentum auf unserer Seite hatten. Bei den nächsten Spielen müssen wir aber schon noch etwas draufpacken, sonst werden wir nicht so ein großes und tolles Resultat wie heute erzielen."
Was Herzog auf die Nerven ging
Stand jetzt hat Israel aber die bessere Ausgangsposition auf eine EURO-Teilnahme als sein Heimatland: "Von den Punkten her schon, aber es ist ja trotzdem so, dass Österreich richtig gute Qualität hat. Die meisten Spieler sind in der deutschen Bundesliga oder in England. Meine Spieler, die in Europa engagiert sind, spielen relativ selten, und das ist eigentlich unser Hauptproblem. Dadurch ist es schwer, über längere Zeit konstant zu bleiben. Es wäre wichtig, wenn die absoluten Topspieler, die heute über sich hinausgewachsen sind, mehr Einsatzzeit kriegen. Das müssen wir irgendwie hinkriegen."
Eines sollte Herzog auf jeden Fall hingekriegt haben: Und zwar, dass ihm in Österreich niemand mehr nachsagt, dass er es als Cheftrainer nicht drauf hat. Diese Zweifel begleiteten ihn lange, inzwischen lässt ihn das kalt:
"Am Anfang, muss ich zugeben, ist mir das schon verdammt auf die Nerven gegangen. Aber als ich dann in Amerika war, habe ich mir gedacht, ich gehe meinen eigenen Weg. Was die Leute sagen, kannst du eh nicht beeinflussen. Ich möchte einfach so bleiben, wie ich bin: Authentisch. Und ich möchte meinen Job so machen, wie ich es glaube."
"Natürlich habe ich neben meinen Stärken als Trainer auch meine Schwächen, das ist ganz logisch. Aber dafür hat man ja einen Betreuerstab. Aber im Endeffekt ist es für mich keine Genugtuung. Für mich war einfach wichtig, dass meine Mannschaft eine absolute Top-Performance abgeliefert hat und jetzt auch weiß, dass sie einen richtig guten Gegner besiegen kann, wenn vieles passt."