Endstand
2:0
1:0, 1:0
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Das ÖFB-Team hat, was Nagelsmann gerne hätte

Der deutsche Teamchef vermisst "Worker" oder Emotionalität. Beim ÖFB-Team sind dies Selbstverständlichkeiten. Der "Österreicher" neigt dazu zu etwas anderem.

Das ÖFB-Team hat, was Nagelsmann gerne hätte Foto: © GEPA

Werfen wir mal ein paar Schlüsselbegriffe in den Ring, die von deutscher Seite nach der 0:2-Niederlage gegen Österreich in Wien verwendet wurden.

Rudi Völler vermisste die berühmten "deutschen Tugenden".

Für die jüngeren Leser: Darunter versteht man jene Eigenschaft des bedingungslosen Einsatzes, die so manch weniger begabten DFB-Generation als der aktuellen zu mitunter beachtlichen Erfolgen verhalf, darunter manchmal auch "Rumpelfüßlern", wie es damals so schön hieß.

Julian Nagelsmann wiederum dachte sehr laut darüber nach, in Zukunft eine Spur mehr "Worker" in die Mannschaft einzubauen und dafür auf ein wenig Talent zu verzichten - als Vorbild diesbezüglich nannte er ÖFB-Kicker Xaver Schlager.

Fehlende Emotionalität? Nicht beim ÖFB-Team

Und jenes Nagelsmann-Schlagwort, das sich schon seit Tagen hält, ist die fehlende "Emotionalität", die man seiner völlig verunsicherten Truppe auch im Happel-Stadion vorwerfen konnte.

Diese Begriffe gehen alle in einer ähnliche Stoßrichtung.

Und man kann ohne jegliche Schadenfreude festhalten: Hier geht es um ein Problem, welches das ÖFB-Team zwar ebenfalls aus der gar nicht mal so lange zurückliegenden Vergangenheit kennt, von dem es jedoch nun auch schon eine Zeit lang nicht mehr geplagt wird.

Teamchef Ralf Rangnick konnte schon vor dem Kräftemessen mit den Kickern aus seinem Heimatland zufrieden behaupten, dass er in Sachen Emotionalität von seinen Schützlingen bislang kaum enttäuscht wurde.

Österreich mag viele Themen haben, aber nicht dieses

Nachdem man beide Mannschaften 90 Minuten auf einem Fußball-Feld beobachten konnte, darf man durchaus feststellen: Auf diesem Gebiet könnte das Nationalteam der DFB-Truppe als Vorbild dienen.

Nach dem Schlusspfiff wurde Marcel Sabitzer von einer deutschen Reporterin gefragt, wie Rangnick der ÖFB-Elf besagte Emotionalität mitgibt, die Nagelsmann so vermisst.

"Emotionalität und Mentalität sind nicht einmal ein Thema bei uns. Wir haben viele Themen, aber das ist bei uns nie ein Thema."

Marcel Sabitzer

"Das muss er gar nicht", konnte der Torschütze zum 1:0 feststellen, "Emotionalität und Mentalität sind nicht einmal ein Thema bei uns. Wir haben viele Themen, aber das ist bei uns nie ein Thema."

Man verfolge eine klare Spielphilosophie, einen klaren Plan: "Den setzen wir auch um. Wir sind extrem dankbar und zufrieden mit dem Trainerteam. Deswegen arbeiten wir auch so gerne zusammen."

Noch mehr Feuer entfachen

Der stolze Teamchef Ralf Rangnick sprach seiner Mannschaft zu später Stunde eine fast schon rührende "Liebeserklärung" aus.

Es ist alles, nur kein Geheimnis, dass sowohl Rangnick als auch Nagelsmann dem Thema Taktik sehr zugeneigt sind. Beide wissen jedoch, dass auf Nationalteam-Ebene, wo man sich viel seltener trifft und somit weniger Zeit zum Einstudieren diverser Abläufe gibt, auch andere Tugenden zum Tragen kommen.

Dass die Österreicher den Deutschen in Sachen Emotionalität und Mentalität derzeit voraus sind, ist so. Das heißt jedoch nicht, dass Rangnick mit diesem Thema schon fertig ist.

Seine Mannschaft steht schon im positivsten Sinne unter Feuer, nun soll selbiges in ganz Fußball-Österreich noch mehr entfacht werden. Dies sieht der 65-Jährige am Weg zu einer "Turniermannschaft", den er bei der EURO 2024 gehen will, als ganz entscheidendes Kriterium.

Nicht wieder auf die Schnauze fallen

Ein verdienter Testspiel-Sieg gegen eine Turniermannschaft außer Dienst hilft hier natürlich. Speziell gegen ein Land, gegen das viele Österreicher besonders gerne gewinnen.

Dass dies natürlich auch den ÖFB-Kickern, von denen die überwiegende Mehrheit entweder Deutschland-Gegenwart oder -Vergangenheit vorweist, getaugt hat, versteht sich von selbst.

@laola1 Kurz nach der Halbzeitpause beim Stand von 1:0 für 🇦🇹 geraten Philipp Mwene und Leroy Sané aneinander, wobei dem Bayern Star die Sicherungen durchbrennen und er nach einer Tätigkeit mit glatt Rot vom Platz gestellt wird! 😳🟥 Mittlerweile hat sich der Deutsche bei seiner Mannschaft und den Fans für den Aussetzer entschuldigt.🫣 Wie beurteilt ihr die mitunter spielentscheidende Szene? 🤔⚽️ #laola1 #l1 #wirlebensport #fußball #testspiel #oefb #deutschland #österreich #mixedzone #leroysane #philippmwene #platzverweis #interview ♬ Originalton - Laola1.at das Sportportal

Gleichzeitig vermittelte man recht glaubhaft den Eindruck, am Boden zu bleiben - tendenziell wurde man hier auch aus vergangenem Schaden klug.

"Wir hatten vor der EM 2016 ja schon mal eine extreme Euphorie und sind dann extrem auf die Schnauze gefallen. Das wollen wir nicht wieder", verdeutlicht Sabitzer.

Wozu der Österreicher neigt

Seither habe sich das ÖFB-Team jedoch auch weiterentwickelt. Was ihn zuversichtlich stimme, dass so etwas wie 2016, als man bei der EM in Frankreich überraschend in der Vorrunde rausgeflogen ist, diesmal nicht passiert?

"Ich bin überzeugt von der Mannschaft. Von der Qualität, der Mentalität, dem Zusammenhalt, vom Trainer-Team, unserem Plan. Wir haben so viel, was bei uns automatisch ist, dass es uns einfach ein gutes Gefühl gibt."

"Wir Österreicher neigen ja sehr schnell dazu, durchzudrehen oder alles schwarz-weiß zu sehen. Wir kennen uns ja alle, dass wir schnell glauben, dass wir jetzt Europameister werden."

Christoph Baumgartner

Selbstbewusstsein? Selbstverständlich! So tritt man auch auf. Aber in mehr möchte man sich im Hinblick auf die EURO weder quatschen lassen noch dies selbst tun.

"Ob Mannschaft, Medien oder Fans: Wir wissen alle, wo wir herkommen", erinnert Christoph Baumgartner, "wichtig ist, dass wir alle demütig bleiben. Wir Österreicher neigen ja sehr schnell dazu, durchzudrehen oder alles schwarz-weiß zu sehen. Wir kennen uns ja alle, dass wir schnell glauben, dass wir jetzt Europameister werden."

Nicht Favorit, Mitfavorit oder Geheimfavorit

Michael Gregoritsch unterstreicht: "Wichtig ist, dass jeder einzelne im ganzen Land einordnen kann, dass wir sicher nicht Favorit sind, auch nicht Mitfavorit oder Geheimfavorit. Wir wollen dort eine gute Rolle spielen. Was rauskommt, liegt an uns, ob wir in jedem Spiel unsere Intensität, Spielfreude und Zweikampfstärke auf den Platz bringen. Dann ist einiges möglich."

Laut Baumgartner sei zwar inzwischen im Bewusstsein verankert, dass man das Potenzial habe, jeden Gegner zu schlagen, aber die Devise müsse sein, weiterhin jedes Spiel und jeden Gegner ernst zu nehmen:

"Wir müssen weiter so eine Energie auf den Platz bringen. Dann werden wir hoffentlich ein sehr geiles EURO-Jahr haben."

Da ist sie wieder, die Energie.

Mit den "österreichischen Tugenden" lästig sein

Nagelsmann sucht selbige und verfügt gerade bei einem Heim-Turnier auch nicht über den Luxus, die Mitfavoritenrolle komplett von sich zu weisen.

Österreich kann sich indes darauf fokussieren, die "österreichischen Tugenden" weiter zu forcieren - und damit ziemlich lästig zu sein.

Stefan Posch: "Unser Anspruch muss sein, jedes Mal so aufzutreten. Wenn wir wie heute spielen, spielt kein Gegner gerne gegen uns."

Stand jetzt darf man annehmen, dass ein etwaiges Duell in der EURO-Vorrunde auch bei Nagelsmann, Völler und Co. keine allzu riesige Vorfreude auslösen würde.


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