Ralf Rangnick ist ein höflicher Mensch. Aber wenn es ihm um die Sache geht, ist er durchaus gewillt, auch einmal ein wenig deftiger zu formulieren.
Und beim Thema Heimspielstätte des Nationalteams geht es dem ÖFB-Teamchef bekanntlich und auch logischerweise sehr um die Sache.
In jedem "verdammten Heimspiel" müsse man eine würdige Heimspiel-Atmosphäre haben.
"Ich könnte es mir ja leicht machen und sagen: Ich bin Deutscher, ist mir doch egal, spielen wir halt, wo wir spielen - ich kümmere mich um den Sch... gar nicht", sagt der 64-Jährige und erinnert vermutlich unabsichtlich daran, dass sich ein Landsmann von ihm im selben Amt um diese Thematik vor nicht allzu langer Zeit kaum gekümmert hat.
"Wir sind ja keine depperten Leute hier", verleiht er der Message Nachdruck, dass der ÖFB sich schon viel länger um diese Causa kümmere, als dies der Öffentlichkeit bewusst ist.
Es braucht einen Sturschädl
Rangnick kennt die österreichische Mentalität lange und gut genug, um zu wissen, dass man manchmal ein Sturschädl sein muss, um Dinge durchzusetzen.
Vor nicht allzu langer Zeit war nur bedingt damit zu rechnen, dass der Deutsche sein Anliegen, Länderspiele im Rapid-Stadion zu spielen, tatsächlich durchsetzen könnte.
Noch ist es auch definitiv nicht so weit, aber die Wahrscheinlichkeit war noch nie so hoch. Spätestens Anfang nächster Woche wird feststehen, ob Rangnicks Wunsch auch tatsächlich in Erfüllung geht.
Denn am 21. März muss der ÖFB bekannt geben, in welcher Spielstätte am 20. Juni das so wichtige EM-Qualifikations-Spiel gegen Schweden über die Bühne geht.
Der Wunsch des Fußball-Romantikers
Gekickt wird definitiv in Wien. Entweder im Allianz Stadion oder im Ernst-Happel-Stadion. Die Generali Arena, das Wohnzimmer von Austria Wien, ist kein Thema.
"In diesen Bereichen bin ich ein ganz großer Traditionalist, vielleicht auch ein Fußball-Romantiker. Ich liebe Fußball-Stadien mit einer richtigen Atmosphäre, und das können auch ganz einfache Stadien sein, wo die Leute direkt dran sind und ein Austausch zwischen dem Geschehen am Platz und der Tribüne passiert. Das wünsche ich mir", unterstreicht Rangnick.
Die Aussicht, weiterhin im Happel-Stadion spielen zu müssen, ist mit diesem Wunsch bekanntlich nicht kompatibel. Wobei es der Begriff "Aussicht" nicht so schlecht trifft.
"Mein Satz mit dem Fernglas kam ja nicht von ungefähr", erklärt Rangnick, "ich sitze ja im Zweifel relativ nahe am Spielfeld, aber ich habe mir einmal die Mühe gemacht und bin oben rumgelaufen, wie weit das ist. Im Berliner Olympiastadion hast du auch nur dann eine richtige Atmosphäre, wenn es ganz voll ist, aber im Happel-Stadion sitzt du ja noch weiter weg."
Ein geiles Stadion in der Hauptstadt
Deswegen seine Ansage: "Ob Salzburg, Linz oder Wien spielt für mich als Teamchef zunächst nicht die große Rolle. Aber natürlich ist Wien die Hauptstadt, viele Österreicher leben hier. Also wünsche ich mir natürlich ein tolles, von mir aus auch ein geiles, Stadion in der Hauptstadt. So viele davon gibt es ja nicht."
Mangels Nationalstadion ist nachvollziehbar, das sein Blick nun schon seit längerer Zeit nach Wien-Hütteldorf fällt, wo eine moderne, erst 2016 eröffnete Arena mit derzeit richtiger Größe für das Nationalteam steht.
Warum diese vermeintlich so logische Partnerschaft so kompliziert ist, ist kein Geheimnis. Der ÖFB ist als Gast nicht wirklich erwünscht, die Themenlage ist mannigfaltig, seien es Anrainer-Anliegen oder vor allem die Fan-Frage.
Menschen, die sich nicht wirklich für Fragen rund um die Anhängerschaft eines Vereins interessieren, schütteln womöglich den Kopf über den Umstand, dass der harte Kern der Rapid-Fans keine Freude damit hat, Anhänger anderer Vereine auf ihrer Tribüne stehen zu haben - und umgekehrt.
ÖFB-Idee: Den Block West an Rapid verkaufen
Letztlich ist dieser Einwand jedoch nachvollziehbar. In den laufenden Verhandlungen zwischen Rapid und ÖFB wird dem auch Rechnung getragen, wie mit Bernhard Neuhold der Geschäftsführer der ÖFB-Wirtschaftsbetriebe erläutert.
"Wir sprechen auf drei Ebenen mit Rapid. Eine Ebene sind die operativen Themen, wo wir für alle Bereiche Lösungsvarianten haben und es aus meiner Sicht kein K.o.-Kriterien gibt. Dazu gehört auch die Frage, wie man mit dem Block West umgeht."
"Die einzige Thematik, die wir damit verknüpfen, ist, dass der Block West dann auch voll sein muss. Denn die Intention des Teamchefs ist ja, ins Allianz Stadion zu gehen, damit wir eine tolle Kulisse haben."
Aus Sicht des ÖFB würde es eine "relativ einfache Lösung" geben: "Indem wir Rapid den Block West als Tribüne verkaufen und nur Rapid Sorge trägt, welche Zielgruppen dort positioniert sein dürfen, beispielsweise Mitglieder oder Abonnenten."
Eine - wiederum aus ÖFB-Sicht nachvollziehbare - Bedingung gibt es: "Die einzige Thematik, die wir damit verknüpfen, ist, dass der Block West dann auch voll sein muss. Denn die Intention des Teamchefs ist ja, ins Allianz Stadion zu gehen, damit wir eine tolle Kulisse und eine super Atmosphäre haben."
Nur keine Bauchweh-Lösung mit Rapid
Ebene Nummer zwei ist übrigens die wirtschaftliche Thematik. Ebene Nummer drei der Wunsch des ÖFB, dass es von Rapid ein "breites Commitment" brauche, um diese Begegnung zur Umsetzung zu bringen.
Und Rapid scheint dazu bereit. Neuhold ortet keinen grün-weißen Gegenwind, sondern berichtet von konstruktiven Gesprächen, die jedoch noch zu keiner Entscheidung geführt hätten.
"Wir haben das Gefühl, dass Rapid im internen Kreis intensiv Gespräche führt und dass es keine 'Scheingefechte' sind. Wir hoffen wirklich, dass wir eine Lösung auf einer stabilen Basis bewerkstelligen können. Uns war in den Gesprächen auch wichtig, dass wir keine Bauchweh-Lösung anstreben nach dem Motto 'Schaumamal, vielleicht geht's gut.'"
Wenn, dann bräuchte es ein Commitment aller Interessensgruppen von Rapid. "Denn wir wollen uns auf keine Experimente einlassen und haben überhaupt kein Interesse, dass es möglicherweise im Vorfeld oder am Matchtag selbst zu Diskussionen mit diversen Zielgruppen von Rapid kommt", stellt Neuhold klar.
Das Rätsel Wales
Ob dies die Wahrscheinlichkeit einer ÖFB-Premiere im Allianz Stadion erhöht, wird sich weisen. Fakt ist, dass die Arena in Hütteldorf alleine schon aufgrund der größeren Hospitality-Flächen auch aus wirtschaftlicher Hinsicht für den ÖFB attraktiv wäre.
Diese Überlegung sei keine unwichtige, dürfe jedoch nicht im Vordergrund stehen, wie Rangnick betont. Letztlich geht es um den Sport und den notwendigen Heimvorteil.
Der ÖFB-Chefcoach erinnert in diesem Zusammenhang abermals an das fantastische Ambiente in Kopenhagen beim Gastspiel bei Dänemark, oder die Stimmung beim verlorenen WM-Quali-Showdown in Wales.
"Ich habe Wales bei der WM zwei Mal gesehen, und es ist mir eigentlich ein Rätsel, wieso die bei der WM waren und Österreich nicht", meint Rangnick.
Es braucht alle Puzzleteile
Des Rätsels Lösung sieht Rangnick im Umstand, dass sich Wales gegen die höheren Einnahmen im größeren Millennium Stadium entschieden, sondern der Stimmung wegen ins kleinere Cardiff City Stadium gegangen sei.
"Wir wollen den österreichischen Fußball Schritt für Schritt nach vorne bringen. Dafür müssen wir aber auch alle Puzzleteile bedenken, die dazu beitragen können, damit das gelingt."
"Die Einnahmen-Seite ist das eine, wo wir jedoch die bestmögliche Atmosphäre und somit den größtmöglichen Heimvorteil haben, ist die andere", erinnert Rangnick.
Und genau darum geht es, unabhängig von allen ideologischen Bedenken.
"Wir haben ja alle das gleiche Interesse", erinnert Rangnick, "wir wollen den österreichischen Fußball Schritt für Schritt nach vorne bringen. Dafür müssen wir aber auch alle Puzzleteile bedenken, die dazu beitragen können, damit das gelingt."
"Weil es schon immer so ist, muss es das auch so bleiben?"
Und ja, vielleicht braucht es in dieser Angelegenheit wirklich einen Deutschen, dem es nicht egal ist und der sich um diesen Sch... kümmert, um an Rangnicks Statement zu Beginn anzuknüpfen.
Im gleichen Atemzug meinte er: "Eigentlich müssten sich ja alle, die wirklich Österreicher sind, die Frage stellen: Warum ist das eigentlich so? Weil es schon immer so ist, muss es das auch so bleiben?"
Man wird sehen, ob in dieser Causa Veränderung möglich ist. Der Ball liegt bei Rapid.