Nicolas Seiwald war bislang der Hauptgarant dafür, dass Ralf Rangnick in seiner Teamchef-Ära noch nie eine reine Legionärs-Startelf nominiert hat.
In zehn von zwölf Länderspielen unter der Anleitung des Deutschen stand der Mittelfeldspieler in der Anfangsformation.
Tat er das nicht, so wie beim Rangnick-Debüt in Kroatien und beim Test gegen Andorra, fanden sich andere Bundesliga-Kicker (Maximilian Wöber beziehungsweise in Malaga auch Alexander Schlager und Alexander Prass), die von Beginn an ran durften.
Seiwald hat sich in der Sommerpause zu RB Leipzig verabschiedet, ist also ab sofort Legionär. Mit Wöber, der im Winter zu Leeds United übersiedelte und inzwischen zu Borussia Mönchengladbach weiterzog, und Junior Adamu haben weitere von Rangnick forcierte "Salzburger" die Bundesliga verlassen.
Schlager als "Seiwald-Erbe"?
Und trotzdem startet das heimische Oberhaus mit einer beachtlichen Abordnung von fünf Kadermitgliedern in diesen Länderspiel-Herbst.
Schlager ist nach seinem Wechsel vom LASK auch beim FC Red Bull Salzburg die Nummer eins und hat somit die allerbesten Chancen, zum "Seiwald-Erbe" in Sachen Bundesliga-Verlässlichkeit zu werden. Schließlich spricht momentan wenig dagegen, in Pflichtspielen auf seine Dienste als ÖFB-Nummer-eins zu bauen.
Sollte Rangnick am Donnerstag im Test gegen Moldawien einen anderen Goalie sehen wollen, steht mit Niklas Hedl ein weiterer Bundesliga-Kandidat zur Verfügung.
Fällt die Wahl auf Watford-Legionär Daniel Bachmann, könnten die Feldspieler David Schnegg vom SK Sturm oder die beiden Rapidler Leopold Querfeld und Matthias Seidl die Bundesliga-Serie fortsetzen. Für jeden aus diesem Trio wäre es das Nationalteam-Debüt.
Gutes Zeichen, wenn auch Bundesliga-Kicker abseits von Salzburg gut genug sind
Um es gleich außer Streit zu stellen: Es ist logischerweise richtig und wichtig, dass Rangnick aus einem breiten Pool an Legionären wählen kann. Dies war noch vor rund eineinhalb Jahrzehnten nicht so und spiegelt die gute Entwicklung seither wider.
Gleichzeitig ist es auch kein schlechtes Zeichen, dass Vertreter aus der heimischen Liga – und durchaus auch welche abseits vom international etablierten Branchen-Leader Salzburg – von Rangnick als gut genug für eine Einberufung empfunden werden.
Name | Verein | LS als Buli-Spieler unter Rangnick | Minuten |
---|---|---|---|
Nicolas Seiwald | Salzburg | 11/0 | 945 Minuten |
Maximilian Wöber | Salzburg | 7/0 | 436 Minuten |
Junior Adamu | Salzburg | 5/0 | 238 Minuten |
Alexander Schlager | LASK | 3/0 | 225 Minuten |
Patrick Pentz | Austria | 2/0 | 180 Minuten |
Niklas Hedl | Rapid | 1/0 | 45 Minuten |
Alexander Prass | Sturm | 1/0 | 45 Minuten |
Andreas Ulmer | Salzburg | 1/0 | 16 Minuten |
*) Anmerkung zur Tabelle: Aufgenommen wurden Spieler, die zum Zeitpunkt des Länderspiels noch offiziell bei einem Verein der österreichischen Bundesliga angestellt waren.
"Salzburg ist heuer das erste Mal 'nur' mit einem Teamspieler vertreten, normal sind es mehrere. Ich glaube einfach, dass der Teamchef darauf schaut, wer wie performt und es vielleicht gar nicht so wichtig ist, welcher Verein das ist", vermutet Schnegg.
Der Linksverteidiger forderte RBS mit Sturm in der Vorsaison in der Meisterschaft bis wenige Runden vor Schluss und entthronte mit den Grazern die "Bullen" im ÖFB-Cup.
Lernen von Arnautovic und Alaba
Anders als Querfeld und Seidl ist es für den gebürtigen Tiroler nicht die erste Einberufung, er war bereits beim Lehrgang im Juni mit von der Partie – genau wie sein zu Beginn dieser Saison verletzter Sturm-Kollege Manprit Sarkaria. Beide blieben damals ohne Einsatz.
"Die Jungs sind alle hilfsbereit und sich auch nicht zu schade, jüngeren Spielern zu helfen. Es ist sehr gut, wenn man so etwas von Spielern hören kann, die schon so viel erlebt und auch erreicht haben."
"Es ist beim Nationalteam schon eine andere Qualität als beim Verein", gibt Schnegg zu, "für mich ist es eine Riesen-Ehre, mit diesen Spielern zusammen zu trainieren. Es ist extrem lehrreich. Ich versuche in jeder Trainingseinheit so viel wie möglich mitzunehmen."
Gerade die etablierten Kollegen würden auch nicht mit ihrem Wissen geizen, wenn man sich etwas von ihnen abschauen möchte:
"Oft sind es Basics oder taktische Dinge, bei denen dir andere Spieler helfen können. David Alaba, Marko Arnautovic und auch viele andere können dir Sachen erklären. Die Jungs sind alle hilfsbereit und sich auch nicht zu schade, jüngeren Spielern zu helfen. Es ist sehr gut, wenn man so etwas von Spielern hören kann, die schon so viel erlebt und auch erreicht haben."
Seidls jahrelanger Prozess
Auch Seidl glaubt, dass er sich in diesen eineinhalb Wochen - mit dem EURO-Quali-Gastspiel in Schweden als Höhepunkt - von diversen ÖFB-Routiniers einiges abschauen kann.
"Man kann viel mitnehmen, was die Qualität betrifft. Dinge, die man sich von den Mitspielern abschauen kann – auch was das Verhalten neben dem Platz betrifft."
Der Offensivspieler wurde von Rangnick schon in der Vorsaison als Zweitliga-Kicker beim FC Blau-Weiß Linz mitunter auf Abruf nominiert, zuletzt avancierte er bei Rapid zum Shootingstar.
Einerseits sei es zwar sehr schnell gegangen: "Aber es war auch ein jahrelanger Prozess, jahrelange Arbeit. Von außen schaut es so aus, dass es schnell geht – und das ist es auch, da ich vor ein paar Monaten in der 2. Liga war und jetzt bei Rapid und im Nationalteam. Aber so ist es im Fußball. Es kann auch in beide Richtungen sehr schnell gehen – nach oben, aber auch nach unten. Deswegen ist es wichtig, dass man immer dran bleibt und weiter Gas gibt. Dann schafft man es, dass man oben bleibt."
Querfeld will sich nicht nur etwas abschauen
Während Seidls Karriere-Weg den einen oder anderen Umweg zu bieten hat, erfolgte Querfelds Aufstieg bei Rapid klassisch von der eigenen Jugend, über die Akademie und die zweite Mannschaft bis hin zu den Profis. Nun erfolgt mit der erstmaligen A-Team-Einberufung der nächste Schritt.
"Es geht mir nicht nur darum, anderen Spielern zuzuschauen und von ihnen zu lernen. Ich möchte auch meine Stärken und Qualitäten auf den Platz bringen. Ich hoffe, das gelingt mir."
"Ich werde mit einigen Spielern zusammen trainieren, auch auf meiner Position, die schon einiges mehr an Erfahrung sammeln durften, auch in internationalen Topligen – da gilt es natürlich auch Dinge abzuschauen, die man für sein Spiel adaptieren kann", meint der 19-Jährige, der jedoch auch klarstellt:
"Aber es geht mir nicht nur darum, anderen Spielern zuzuschauen und von ihnen zu lernen. Ich möchte auch meine Stärken und Qualitäten auf den Platz bringen. Ich hoffe, das gelingt mir."
Wer perspektivisch Innenverteidiger-Kaliber wie David Alaba, Kevin Danso oder Philipp Lienhart herausfordern möchte, muss von wohl Beginn an zeigen, was in ihm steckt.
Eine Auszeichnung für Rapid
Querfeld wurde zuletzt mit Udinese Calcio in Verbindung gebracht, hat selbst jedoch nichts davon mitbekommen.
Einen konkreten Karriere-Plan, bis wann er den Sprung ins Ausland geschafft haben möchte, würde er nicht verfolgen. "Es kommt alles so, wie es sein soll", betont er.
Ob das Ausland überhaupt ein logisches Karriere-Ziel sei? "Jeder träumt davon, vielleicht einmal in einer höheren Liga zu spielen, aber es ist nichts, das ich irgendwie erzwingen muss."
Sollte Querfeld auch im Nationalteam aufzeigen, ist anzunehmen, dass ohnehin genügend Angebote kommen werden. Selbiges gilt auch für seine Bundesliga-Kollegen. Dass diesmal mit Hedl, Seidl und ihm gleich drei Hütteldorfer nominiert sind, bewertet der Abwehrspieler als "Auszeichnung für Rapid und den Weg, den wir als Klub gehen."
Die Bundesliga muss sich nicht verstecken
Und eben auch für die Liga. "Ich selbst habe bislang nur in Österreich gespielt, kenne andere Ligen nur aus dem Fernsehen, aber ich denke schon, dass sich die österreichische Liga in den letzten Jahren enorm entwickelt hat und wir inzwischen einige Klubs haben, die auch international mit anderen konkurrenzieren können", so Querfeld.
Auch Rapid sei es gelungen, gegen einen italienischen Topklub "über drei Halbzeiten die führende Mannschaft zu sein. Aber trotzdem haben wir gegen Fiorentina natürlich schon gesehen, dass in der individuellen Qualität ein Unterschied da ist und alles passen muss, um solche Gegner zu schlagen. Trotzdem muss sich die Bundesliga vor anderen Ligen nicht verstecken. Es kann gelingen, den Abstand in den nächsten Jahren weiter zu verkleinern."
Auch Sturm hat gerade in der Vorsaison gezeigt, dass man international aufgeholt hat. In der Champions-League-Qualifikation erwies sich zuletzt jedoch PSV Eindhoven als mindestens eine Nummer zu groß.
"Da brauchen wir nicht lange herumreden, das war ein Klassenunterschied auf jeder Position", bestätigt Schnegg, "aber auch solche Niederlagen bringen uns weiter und helfen, in der Liga wieder zu performen."
Top-Teams in Österreich als gute Anlaufstelle
Der Linksverteidiger hat beim FC Venezia in der Serie A und einer folgenden Leihe zu Crotone in die Serie B bereits einen Anlauf im Ausland hinter sich.
Aktuell sieht er auch im Hinblick aufs Nationalteam nicht die Notwendigkeit, zwingend wieder zum ÖFB-Legionär zu werden:
"Nicht wenn wir mit Sturm international performen, auch die Bundesliga ist in den letzten Jahren besser geworden. Der Respekt auch aus anderen Ligen ist gestiegen. Sicher gibt es bessere Stationen, aber auch die Top-Vereine in Österreich sind mittlerweile keine schlechte Anlaufstelle", ist Schnegg überzeugt.
Ein Beweis für den Qualitäts-Sprung wäre, wenn es mittelfristig auch Bundesliga-Feldspielern abseits von Salzburg gelingt, regelmäßiger Nationalteam-Einsatzzeit abzustauben – auch in Pflichtspielen.
Dabei sein ist nicht alles
Auf der Linksverteidiger-Position ist die Dichte an Konkurrenz ein wenig geringer als auf manch anderer Position, auch wenn Schnegg diese Einschätzung nicht teilt.
"Ich würde auch nicht sagen, dass es leichter für mich ist", findet der 24-Jährige, der sich seine Chance aber definitiv erarbeiten will:
„Ich denke schon, dass es möglich ist. Ich glaube nicht, dass ich nur einberufen werde, damit ich dabei bin. Der Trainer wird sich schon seinen Teil dabei gedacht haben. Wir haben ein paar Trainingseinheiten, da versuche ich mich zu beweisen."
Und mit Moldawien einen Test, in dem es für Rangnick durchaus verlockend sein könnte, zu überprüfen, wie sich so mancher Bundesliga-Akteur bei einem Länderspiel schlägt.