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Was spricht in Slowenien für Österreich?

Das 6. "Endspiel"! Es gibt einige Punkte, die ein Vorteil fürs ÖFB-Team sein können:

Der nächste Showdown, der nächste Schritt in Richtung EURO 2020?

Bei einem Sieg am Sonntag in Slowenien (20:45 Uhr im LIVE-Ticker) wäre Österreich der EM-Endrunde schon sehr nahe. Bei einer Niederlage indessen wäre man in den verbleibenden beiden Gruppen-Spielen im November auf fremde Hilfe angewiesen.

"Wir haben es in der eigenen Hand, das muss jeder Spieler wissen - und jeder Spieler muss wissen, dass wir 90 Minuten alles investieren müssen", fordert Teamchef Franco Foda, der die Bedeutung dieser Partie noch einmal hervorstreicht:

"Wir wissen auch, dass wir eine große Möglichkeit haben, den nächsten Schritt zu gehen. Wir haben jetzt schon einige Schritte getan, damit wir uns überhaupt wieder in diese Ausgangsposition gebracht haben. Jetzt gilt es einfach dranzubleiben und nachzulegen."

Sicherlich gibt es auch einige Warnsignale, vor allem personell ist dies ein relativ komplizierter Lehrgang. Aber bleiben wir positiv: Was spricht in diesem Match für Österreich? Was spricht dafür, dass man mit einem Sieg dem großen EM-Traum näher kommt? Zum Beispiel folgende Punkte:

"ENDSPIEL"-ERFAHRUNG:

Sollte es das ÖFB-Team zur EM schaffen, wird es kein Durchmarsch wie 2016, sondern zweifelsohne auf die harte Tour gewesen sein. Kein Rückblick auf diese Quali kann ohne dem Horror-Start im März auskommen.

"Nach den beiden Auftaktniederlagen hatten wir fast nur Endspiele. Slowenien ist das nächste Spiel mit Finalcharakter", sagt Foda. Wenn man so will: Das sechste Finale.

"Ja, es könnte ein Vorteil gewesen sein, dass wir bis jetzt eigentlich schon pausenlos mit dieser Situation konfrontiert waren. Die Mannschaft hat sich in diesen Situationen auch entwickelt."

Franco Foda

Seit dem völlig missglückten März-Lehrgang mit den Pleiten gegen Polen und in Israel ist dieses Team spürbar auf einer Mission. Nachdem man damals mancherorts bereits vorzeitig abgeschrieben wurde und es im Juni im Prinzip schon um den Job von Foda ging, setzten es sich Kapitän Julian Baumgartlinger und Co. in den Kopf, allen zu beweisen, dass man keine "Schülermannschaft" ist, sondern ein Team, das zur EM gehört.

Bislang läuft (fast) alles nach Plan. Nur bei Tabellenführer Polen wurden zwei Punkte liegengelassen, allerdings nach dominantem Auftritt. Ob es jetzt in der alles entscheidenden Phase vielleicht sogar ein Vorteil sei, dass man seit dem dritten Gruppenspiel permanent im Finalmodus war?

Foda: "Ja, es könnte ein Vorteil gewesen sein, dass wir bis jetzt eigentlich schon pausenlos mit dieser Situation konfrontiert waren. Die Mannschaft hat sich in diesen Situationen auch entwickelt."

DIE FÄHIGKEIT WIDERSTÄNDE ZU ÜBERWINDEN:

"Inzwischen haben wir bewiesen, dass wir Rückschläge wegstecken können", spielt Baumgartlinger darauf an, dass man sowohl in Nordmazedonien als auch zu Hause gegen Israel nach einem Rückstand jeweils noch gewonnen hat.

Der Kapitän hofft, dass dies auch auf einen mentalen Reifeprozess zurückzuführen ist: "Es ist jedoch schwer zu sagen, weil Dinge im mentalen Bereich nicht messbar sind. Aber die Ergebnisse sind messbar."

"Die Mannschaft lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, auch nicht nach einem Rückstand - und das spricht für uns."

Franco Foda

Und die haben zuletzt gepasst. Nun weiß man als Fußball-Österreicher, dass es Zeiten gab, in denen ein Rückstand nichts sonderlich Gutes für den weiteren ÖFB-Spielverlauf besagte. Der kollektive Einbruch in Israel war ein - Gott sei Dank offenbar nur kurzer - "Ausflug" in diese Zeit, die man hinter sich gelassen glaubte.

"Das ist schon ein Entwicklungsprozess gewesen. Die Mannschaft lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, auch nicht nach einem Rückstand - und das spricht für uns", streicht Foda hervor.

Gegen Israel sei das besonders deutlich geworden, als man nicht nur das 0:1 kassierte, sondern generell ganz miserabel in die Partie startete. "Wir waren nicht gut im Spiel, uns hat das Passtempo gefehlt, wir hatten keine gute Tiefe im Spiel. Aber: Das hat sich im weiteren Spiel verändert. Die Mannschaft ist immer wieder in der Lage, sich in einem Spiel zu steigern", verdeutlicht der Teamchef.

Diese Fähigkeit macht Foda auch für das Gastspiel in Ljubljana optimitisch. Zum Themenbereich "Widerstände überwinden" gehört im Prinzip auch der nächste Punkt. Da es jedoch eines der Hauptgesprächsthemen dieser Woche ist, verdient es eine eigene Erwähnung.

DIE FÄHIGKEIT AUSFÄLLE ZU KOMPENSIEREN:

Auch diese Thematik zieht sich wie ein roter Faden durch diese Qualifikation, so angespannt wie derzeit war die Personalsituation zuvor jedoch noch nicht.

Xaver Schlager, Stefan Lainer, Florian Grillitsch, David Alaba und Kadermitglied Philipp Lienhart fehlen ohnehin, Alessandro Schöpf muss schon lange passen. Nun wackelt auch noch der Einsatz von Marko Arnautovic, Konrad Laimer und Stefan Posch - vor allem um Arnautovic heißt es gehörig zittern, nachdem der Stürmer-Star nicht fit genug war, um am Abschlusstraining im Stozice-Stadion teilzunehmen.

"Man muss als Trainer immer gewisse Situationen im voraus durchgehen, was ist, wenn manche Spieler nicht spielen können", hat Foda Alternativen im Kopf. Der Deutsche unterstreicht gerade dieser Tage die Wertigkeit aller 23 Kadermitglieder:

"Jeder Spieler kommt mit dem Denken zum Nationalteam, dass er von Anfang an spielt. Jeder hat auch die Qualität, von Anfang an zu spielen. Deswegen müssen immer alle bereit sein."

Das Next-Man-Up-Prinzip hat Foda schon die ganze Quali über durchgezogen und im personellen Notfall teilweise auch ungeprobte Kräfte ins kalte Wasser geworfen. Vor allem seit dem Juni-Lehrgang war dies aus den unterschiedlichsten Gründen bereits mehrfach notwendig. Bislang hat es eigentlich durchgehend funktioniert.

Mit Konrad Laimer als kurzfristigen Baumgartlinger-Ersatz wurde im Juni sogar ein inzwischen kaum wegdenkbarer Shootingstar gefunden. Stefan Posch musste inzwischen zwei Mal in der Innenverteidigung (in Nordmazedonien in Halbzeit zwei, in Polen 90 Minuten) sowie gegen Israel als Rechtsverteidiger aushelfen und ist in der Hackordnung deutlich gestiegen. Cican Stankovic feierte im Laufe der Quali sein Debüt im Tor. Stefan Ilsanker rutschte trotz wenig Spielpraxis bei Leipzig zwei Mal in die Startelf (jeweils für Alaba) und machte seine Sache gut.

Sollten in Slowenien weitere Spieler zu ersetzen sein, wäre es ganz entscheidend, dass sich auch weitere Nachrücker ins Rampenlicht spielen können.

DIE HÖHERE QUALITÄT:

Die Fähigkeit, taugliches Spielermaterial von der Bank bringen zu können, ist natürlich auch eine Frage der Qualität. Und dass sich Österreich rein von den individuellen Fähigkeiten seiner Akteure in dieser Gruppe für die EM qualifizieren sollte, steht weitestgehend außer Frage.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage von Sloweniens Teamchef Matjaz Kek, der einem Ausfall von Arnautovic relativ wenig Bedeutung beimessen würde: "Bei so einer großen Qualität im Kader gibt es kein Problem, einen anderen Spieler auf der Position zu finden."

Sicher, solche Sager fallen oft auch unter die Kategorie Geplänkel vor einem Spiel. Folgender Aussage von Kek kann man jedoch bei aller rot-weiß-roter Bescheidenheit wohl zustimmen: "Es wird schwierig, mit Österreich kommt ein Team mit Qualität. Viele der österreichischen Spieler spielen in besseren Ligen und bei besseren Vereinen als die slowenischen."

Alleine auf der ÖFB-Ersatzbank tummelt sich eine Vielzahl an Legionären in der deutschen Bundesliga. Es wird die Aufgabe sein, die höhere Klasse gegen einen unangenehmen Gegner bei sicherlich schwieriger Atmosphäre in ein gutes Ergebnis umzumüzen.

DIE GEÄNDERTE AUSGANGSPOSTION:

Das heißt alles natürlich nicht, dass Slowenien keine gefährlichen Spieler hat. Gerade die Offensivkräfte Josip Ilicic, Andraz Sporar und Benjamin Verbic werden zurecht immer wieder als Akteure genannt, auf die man mehr als ein Auge haben muss. Für einen gewissen Robert Beric, dessen Qualitäten man in Österreich bekanntlich bestens kennt, bleibt da meistens nur ein Platz auf der Ersatzbank.

Eines hat sich am Donnerstag jedoch definitiv geändert: die Ausgangslage. Ging man im ÖFB-Lager noch mit dem Glauben in diese Woche, dass man in Ljubljana unbedingt gewinnen muss, um die EM-Chance aufrecht zu erhalten, liegt dieser Druck nach der Auswärtspleite in Nordmazedonien nun eindeutig bei den Gastgebern.

"Normal ist Slowenien eine Mannschaft, die aus einer kompakten Defensive auf Fehler der Gegners lauert und dann in Kontersituationen gefährlich ist. Aber jetzt müssen sie unbedingt gewinnen, es ist ihre letzte Möglichkeit. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich an ihrem Spielcharakter etwas verändert."

Franco Foda

Österreich könnte mit einem Unentschieden vermutlich besser leben als Slowenien, das damit rechnen muss, dass sich Rot-Weiß-Rot im November gegen Nordmazedonien und in Lettland durchsetzt.

Diese Konstellation könnte einiges am Spiel verändern. Foda hält es zumindest für nicht unwahrscheinlich, dass Slowenien anders als gewohnt agiert:

"Normal ist Slowenien eine Mannschaft, die aus einer kompakten Defensive auf Fehler der Gegners lauert und dann in Kontersituationen gefährlich ist. Aber jetzt müssen sie unbedingt gewinnen, es ist ihre letzte Möglichkeit. Deshalb gehe ich davon aus, dass sich an ihrem Spielcharakter etwas verändert. Sie werden sicher mehr nach vorne spielen, uns auch früher unter Druck setzen. Darauf müssen wir eingestellt sein, dafür müssen wir Lösungen finden. Aber das gibt uns auch Möglichkeiten im Spiel nach vorne. Auch Slowenien hat in gewissen Bereichen Schwächen, die gilt es zu bespielen."

Ist Österreich in Bestbesetzung, kann es Harakiri sein, gegen das ÖFB-Team zu viel Räume aufzugeben. Das hat sich bekanntlich auch Polen vor ausverkauftem Haus in Warschau nicht getraut und sich extrem kompakt hinten reingestellt.

Sollte Foda mit Sloweniens Herangehensweise recht behalten, gilt es dies zum eigenen Vorteil zu machen. "Das weiß auch Slowenien, dass wir gerade im Umschaltspiel sehr gefährlich sein können", meint Foda und setzt daher auf frühe Balleroberungen:

"Es wird ganz wichtig sein, dass wir gut gegen den Ball arbeiten und diese Balleroberungen vor allem in gewissen Zonen erzielen, um umschalten zu können. Da gilt es anzusetzen. In Polen hatten wir gute Balleroberungen und haben dann auch schnell nach vorne gespielt."

DER (LANGWEILIGE, ABER) RICHTIGE FOKUS:

Für uns Medienvertreter kann es natürlich eine "Qual" sein, aber aus ÖFB-Sicht macht es selbstredend Sinn, immer nur von Spiel zu Spiel zu schauen - vor allem wenn man diesen Fokus auf die nächste Partie so konsequent durchzieht, wie es zuletzt gelungen ist.

Vor allem heißt dies auch, sich kaum zu öffentlichen Rechenspielen verleiten zu lassen, wann man wie mit welchem Ergebnis möglicherweise-eventuell-vielleicht doch noch die Quali schaffen könnte, wenn Spiel Y so ausgeht und Partie Z so endet.

"Nach dem Israel-Spiel habe ich um 3 Uhr in der Früh Nordmazedonien-Slowenien angeschaut, um 5 Uhr habe ich unser eigenes Spiel angeschaut, um 9 Uhr war ich beim Frühstück. Also insofern habe ich gar keine Zeit, mich damit zu beschäftigen, was nach dem Slowenien-Spiel ist."

Franco Foda

Foda schwankt beim Abwehren solcher - durchaus legitimer - Fragen zwischen kreativ und langweilig. Seine Ansage, dass er davon ausgeht, dass diese enge Gruppe erst am letzten Spieltag entschieden wird, kann so sehr niemand mehr hören, dass man sich in der Sekunde wünscht, der letzte Spieltag stünde unmittelbar vor der Tür.

Aber der 53-Jährige kann auch halbwegs originell begründen, warum er sich - angeblich - nicht damit beschäftigt, was im November nach dem Slowenien-Spiel anstehen kann:

"So weit denke ich in so einer kurzen Woche tatsächlich nicht. Nach dem Israel-Spiel habe ich um 3 Uhr in der Früh Nordmazedonien-Slowenien angeschaut, um 5 Uhr habe ich unser eigenes Spiel angeschaut, um 9 Uhr war ich beim Frühstück. Also insofern habe ich gar keine Zeit, mich damit zu beschäftigen, was nach dem Slowenien-Spiel ist."

Schon sein Vorgänger Marcel Koller war in der erfolgreichen Phase ein Meister darin, alles andere als das nächste Spiel auszublenden. Foda steht ihm da kaum nach und in den letzten Spielen hat dies auch ganz gut funktoniert - so nahm etwa niemand die Pflicht Lettland drei Tage vor der Kür in Polen auf die leichte Schulter.

Hat man in Ljubljana nicht schon voreilig eine mögliche Quali-Feier im November im Hinterkopf, wäre dies ein großer Vorteil.

Was kann schief gehen?

Der Vollständigkeit halber sei in aller Kürze aber natürlich auch auf den einen oder anderen möglichen Stolperstein hingewiesen. Die beiden jüngsten Auftritte in der Fremde waren in Ordnung, so groß ist das Grundvertrauen in die Auswärtsstärke des ÖFB-Teams aber auch noch nicht, um zu denken, dass gar nichts schief gehen kann - gerade bei einem relativ heimstarken Team.

Sollten tatsächlich noch mehrere Ausfälle dazu kommen, könnte es bei aller Fähigkeit, selbige zu kaschieren, irgendwann auch einmal ein Ausfall zu viel sein. Gerade Arnautovic würde als Vollstrecker, Vorbereiter und Starspieler, auf den sich jeder Kontrahent fokussiert, sicherlich fehlen.

Und bei allem Respekt davor, wie man gegen Israel den Rückstand gedreht hat: Man kann sich nicht darauf verlassen, dass man jedes Mal nach einem 0:1 zurückkommt. Gerade bei einem kompakten Gegner wie Slowenien. Dass Rückstände nicht immer aufholbar sind, hat man im März miterlebt. Insofern sind Konzentration hinten beziehungsweise vorne frühe Effizienz gefragt.

Und apropos Spiel mach vorne: Ein Kaltstart wie gegen Israel sollte nicht zu oft vorkommen. Es gibt Gegner, die das gnadenloser ausnützen.

Dennoch: Derzeit ist ein gewisses Grundvertrauen in das Nationalteam erlaubt. Im Sinne des EM-Traums, der Motivation genug sein sollte, gilt es dieses zu rechtfertigen. Dann sollte es auch mit der Euphorie rund ums ÖFB-Team, sprich mit den Kartenverkäufen für Nordmazedonien, wieder besser ausschauen...

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