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Koller geht mit Anstand und einem Seitenhieb

Der Noch-Teamchef spricht erstmals seit seiner Ablöse öffentlich.

Koller geht mit Anstand und einem Seitenhieb Foto: © GEPA

Marcel Koller ist ein überaus höflicher und korrekter Mensch.

Ein Paukenschlag war bei seiner ersten öffentlichen Wortmeldung seit dem Bekanntwerden seines anstehenden Abschieds als ÖFB-Teamchefs im Rahmen der Kaderbekanntgabe für die Partien gegen Serbien und Moldawien (Alle Infos zum Kader!) nicht zu erwarten.

Aber der Schweizer weiß freilich, wie er seine Botschaften platzieren muss - und dass ihm die Herangehensweise der neuerdings mächtigen Landespräsidenten in den vergangenen Wochen nicht allzu gut gefällt, konnte der 56-Jährige kaum verbergen.


Die Kommunikationspolitik der "Landesfürsten"

"Ich kann mit meiner Erfahrung sagen, dass es wahrscheinlich auch anders gehen könnte. Aber vielleicht wussten diese Leute ja auch schon mehr, das ist ja auch möglich", erklärt Koller darauf angesprochen, ob er über die Entscheidungsprozesse im ÖFB verwundert sei.

Konkret geht es darum, dass der eine oder andere "Landesfürst" schon vor jener Präsidiumssitzung, bei der das Ende der Ära Koller beschlossen wurde, öffentlich verlautbaren ließ, dass der ÖFB-Chefcoach ihrer Meinung nach abgelöst werden müsste.

Laut Koller stehe auf der einen Seite das Individuelle und auf der andere Seite das Ganze: "Und ich habe in den vergangenen sechs Jahren versucht, immer dieses Ganze nach vorne zu tragen und eine geschlossene Einheit zu bilden. Für mich ist es im Mannschaftssport wichtig, dass nicht jeder irgendetwas nach außen trägt, sondern dass man das intern bespricht - und das auch mit harten Worten. Es kann auch mal sein, dass es knallt und man sich das eine oder andere an den Kopf wirft. Ich glaube aber, dass es wichtig ist, dass man dann mit einer Meinung nach außen tritt und das entsprechend so vertritt. Das habe ich sechs Jahre lang versucht, so zu handhaben. Wenn da andere anderer Meinung sind, dann muss man das als Angestellter akzeptieren."

Das Präsidium und die Taktik

Man kann getrost behaupten: Mit einer Stimme spricht der ÖFB - auf Funktionärsebene - derzeit nicht. Grabenkämpfe, die intern ausgetragen werden sollten, finden in aller Öffentlichkeit statt.

"Der Präsident hat das eine oder andere Mal nachgefragt, aber von Präsidiumsmitgliedern wurde wenig über fußballtechnische oder taktische Dinge gesprochen."

Marcel Koller

Allzu großen Austausch zwischen Koller und den Landespräsidenten, die bei der Suche nach seinem Nachfolger ein gewichtiges Wort mitsprechen werden, dürfte es in den vergangenen sechs Jahren allerdings ohnehin nicht gegeben haben.

Darauf angesprochen, ob vor besagter Präsidiumssitzung seine Meinung eingeholt worden sei, antwortet der Eidgenosse: "Nein, ich bin nicht gefragt worden. Ich war in den sechs Jahren ein Mal bei einer Präsidiumssitzung mit dabei. Da wurde ich ein bisschen etwas gefragt, nicht allzu viel. Ansonsten bin ich selten gefragt worden. Der Präsident hat das eine oder andere Mal nachgefragt, aber von Präsidiumsmitgliedern wurde wenig über fußballtechnische oder taktische Dinge gesprochen."

Keine weitere Zusammenarbeit? "Absolut korrekt"

In den beiden Oktober-Länderspielen wird Koller noch einmal die Taktik des österreichischen Nationalteams bestimmen. Wie es danach weitergeht, ist derzeit völlig offen. Koller bleibt angesichts klarer Ansage bezüglich des November-Länderspiels nichts anderes übrig, als sich arbeitswillig zu stellen. Freilich würde er es natürlich akzeptieren, wenn der ÖFB ihn vor diesem Termin ablösen würde, wenn ein Nachfolger gefunden ist.

Wie er es auch akzeptiert, dass der Fußballbund keine weitere Zusammenarbeit mit ihm anstrebt: "Wenn ein Vertrag ausläuft, haben beide Seiten die Möglichkeit zu sagen, man will weitermachen oder man will es auflösen. Das ist absolut korrekt."


Er selbst hätte während seiner Amtszeit - angesichts des Interesses aus der deutschen Bundesliga oder von der Schweizer Nationalmannschaft - auch diese Möglichkeit gehabt: "Ich bin hier geblieben. Jetzt ist es so gekommen, dass der Verband gesagt hat: 'Wir möchten etwas Neues.' Da gibt es auch nichts zu diskutieren."

Lediglich der Zeitpunkt der Entscheidung missfällt Koller: "Ich denke einfach, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn man das nach diesen beiden Spielen gemacht hätte. Ich hätte mir dann natürlich auch überlegt: Will ich weitermachen? Oder hätte ich von meiner Seite gesagt, sechs Jahre sind genug, es braucht etwas Neues? Aber da war die Zeit zwischen den beiden Lehrgängen zu kurz, und das Präsidium hat entschieden, den Weg nicht weiterzugehen."

Nicht alles ist für die Öffentlichkeit bestimmt

Der Schweizer zeigt Verständnis dafür, dass auch für den Verband die Zeit, einen Nachfolger zu finden, zu kurz war. Aber in punkto Kommunikation hätte man sich offenbar besser abstimmen können: "Es hätte vielleicht allgemein schon ein bisschen früher ein Wort gebraucht, um sagen zu können, wir machen so weiter nach außen."

Bezüglich der Kommuniktion nach außen dürfte der Noch-Teamchef aber ohnehin eine andere Vorstellung haben als andere ÖFB-Entscheidungträger. Die Kritik, dass die der Öffentlichkeit präsentierte Analyse des Scheiterns bei der EURO 2016 nicht in Ordnung gewesen sei, lässt Koller so nicht stehen:

"Wenn Sie zu Hause Probleme haben, werden sie sich auch nicht hierher setzen und über alles diskutieren, was schlecht oder vielleicht auch gut war. Wir haben uns zusammengesetzt und wirklich sehr intensiv diskutiert, aber ich glaube, das ist alles nicht für die Öffentlichkeit. Es ist wichtig, dass man alles im Team anspricht und versucht, auch andere Wege zu gehen. Das haben wir versucht."

Den Anstand bewahren

Letztlich würde es eng hergehen und auch andere Trainer würden zu spüren bekommen, dass ihre Maßnahmen nicht fruchten: "Man kann nicht immer gewinnen und damit muss man leben. Das war jetzt natürlich bei mir der Fall. Aber es wird weitergehen. Es wird auch für mich wieder Siege geben, es wird für andere Niederlagen geben. Das wird sich nicht ändern."

"Auch von meiner Seite wird man nichts Schlechtes über die Spieler hören. Es ist wichtig, dass man mit Anstand gehen und sich in die Augen schauen kann."

Marcel Koller

Dass sich viele Spieler öffentlich vor ihn gestellt haben, freut Koller, der jedoch gleichzeitig betonnt, dass die Fußball-Welt keine allzu große sei und man sich wieder über den Weg laufen könnte:

"Es kann schnell gehen, dass man wieder einen Trainer vor sich hat, über den man vorher nur Schlechtes gesprochen hat. Auch von meiner Seite wird man nichts Schlechtes über die Spieler hören. Es ist wichtig, dass man mit Anstand gehen und sich in die Augen schauen kann. Wenn man sich das nächste Mal begegnet, freut man sich und spricht vielleicht über alte Zeiten."

"Ich werde mich nicht hängen lassen"

Es liegt dem ÖFB-Teamchef naturgemäß am Herzen, dass die beiden anstehenden Aufgaben gegen Serbien und Moldawien rückblickend positiv besprochen werden können.

Sein Versprechen: "Ich werde mich sicher nicht hängen lassen, und ich werde natürlich alles versuchen, nochmal alles aus den Spielern herauszuholen."

Entsprechend fordert er auch von seinen Schützlingen, diese beiden Partien mit der richtigen Einstellung in Angriff zu nehmen: "Das ist sehr wichtig für den österreichischen Fußball. Es ist aber auch sehr wichtig für die einzelnen Spieler, dass man sich nicht hängen lässt. Denn die meisten von ihnen werden wieder kommen. Da ist es schon wichtig, dass man mit der richtigen Einstellung zum Lehrgang kommt und sich nicht denkt: 'Okay, der Alte da vorne ist eh nicht mehr lange dabei, jetzt können wir locker hingehen.' Das wird in den Trainingseinheiten nicht der Fall sein, da werde ich schon eingreifen. Aber ich denke, in den vergangenen sechs Jahren ist der Respekt untereinander so gewachsen, dass sie sich nicht hängen lassen werden."



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