"Es ist richtig grindig, gegen ihn zu spielen", sagt Thomas Flögel über Maximilian Entrup. Der 26-jährige Stürmer steht völlig überraschend im ÖFB-Aufgebot für die Spiele gegen Estland und Deutschland.
Doch der Weg des großgewachsenen Angreifers ins Nationalteam war alles andere als linear: Als 19-jähriges Stürmertalent wechselt er vom FAC zu Rapid Wien, eine Entscheidung, die sich als großer Fehler herausstellen sollte.
Nach Stationen beim SKN St. Pölten, dem SV Lafnitz und dem FCM Traiskirchen fand er beim FC Marchfeld seine Torjägerqualitäten wieder. Die Odyssee durch den österreichischen Fußball führte Entrup im Sommer 2023 zurück in die Bundesliga zum TSV Hartberg und nun ins Nationalteam.
Einer, der den Neo-Nationalspieler viele Jahre als Trainer begleitet hat, ist Thomas Flögel. Der 52-Jährige hatte Entrup mehrmals in seiner Karriere unter seinen Fittichen, hat seine Entwicklung stets aus nächster Nähe erlebt.
Flögel war von starkem Start bei Hartberg wenig überrascht
Er sagt: "Es freut mich, dass der Max in den Teamkader gerutscht ist. Ich finde das auch richtig: Er hat sich das als Führender in der Torschützenliste verdient."
Es ist die Auszeichnung für einen starken Saisonstart mit dem TSV Hartberg. Mit acht Toren in acht Bundesliga-Spielen benötigte Entrup trotz beinahe sechsjähriger Abstinenz im österreichischen Oberhaus keinerlei Eingewöhnungszeit.
Flögel überrascht das kaum: "Dass er so schnell in der Bundesliga einschlägt, war vielleicht für den ein oder anderen überraschend, aber nicht für mich, weil ich gewusst habe, was er kann. Ich habe gewusst, dass er ein 'Knipser' und ganz einfach ein guter Stürmer ist."
Flögel: "Er war immer schon ein Schlaumeier"
Ein guter Stürmer, der immer gierig nach Toren ist, war er auch schon in jungen Jahren beim FAC.
Schon früh kreuzten sich die Wege von Flögel und Entrup: "Mit 12, 13 ist er das erste Mal vor mir gestanden. Er war immer schon ein Schlaumeier. Er war immer schon sehr ehrgeizig und wissbegierig. Er wollte immer wissen was wir trainieren, wie wir trainieren und warum wir das trainieren. Im Endeffekt war immer die Frage: Wann schießen wir aufs Tor?"
Auf und vor allem ins Tor schoss er während seiner Zeit in Wien-Floridsdorf regelmäßig. So lässt sich auch der steile Aufstieg von der FAC-Jugend in den Profikader innerhalb kurzer Zeit erklären.
Als Flögel die FAC-Profis im Herbst 2015 interimistisch betreute, verhalf er Entrup dann auch zu seinem Profi-Debüt in der 2. Liga. Schon beim ersten Kurzeinsatz gegen den FC Liefering gelang ihm ein Assist.
Rapid-Wechsel wurde für Entrup zum Albtraum
Nach einem halben Jahr in der 2. Liga folgte für Entrup dann 2016 der Sprung in die Bundesliga zu Rapid Wien.
"Der Schritt zu Rapid war nicht zu früh. Da waren halt zuviele Faktoren, die nicht zusammengepasst haben und das war leider Gottes sein Schicksal."
Ein Wechsel nicht zum falschen Zeitpunkt, sondern in das falsche Umfeld: "Der Schritt zu Rapid war nicht zu früh. Da waren halt zuviele Faktoren, die nicht zusammengepasst haben und das war leider Gottes sein Schicksal. Das hat ihn aber sicher nur noch mehr gefestigt in seinem Leben und ihn vielleicht sogar mental stärker gemacht", meint Flögel.
Als ehemaliges Mitglied des Austria Fanklubs "Inferno Wien" bekam der Youngster von den Rapid-Fans von Beginn an zu spüren, dass er in Wien Hütteldorf nicht willkommen ist.
Negativer Höhepunkt aus Entrups Sicht ist ein Böllerwurf im Europa-League Qualifikationsspiel gegen Torpedo Schodsina in seine Richtung. In dieser Zeit hat er, laut eigenen Aussagen, die Freude am Fußball verloren.
Bundesliga-Debüt trotz mentaler Probleme
Bereits nach einem halben Jahr suchte Entrup wieder das Weite.
Er ging leihweise zum SKN St. Pölten, wo er überwiegend bei den Juniors unter Flögel zum Einsatz kam. Die Strapazen seines Rapid-Albtraums waren ihm damals anzumerken. "Abseits des Platzes hat ihm der Wechsel sicherlich mentale Kraft gekostet", erinnert sich Flögel.
Auf dem Platz war er aber ganz der Alte: "Ab dem Moment, wo er am Platz war, war es immer das gleiche: Wo ist das Tor? Wie viele Tore kann ich schießen? Wenn er kein Tor geschossen hat im Training, ist er eine Stunde länger geblieben und hat das Tor zerschossen, weil er 'haß' war. Er war immer, wenn er einen Ball und ein Tor vor sich hatte, so ehrgeizig, dass er immer trainieren und Tore schießen wollte." Rund um den Jahreswechsel 2017/18 absolvierte der Angreifer dann sechs Bundesliga-Partien für den SKN St. Pölten, ehe ihn eine Knieverletzung stoppte.
Flögel zu Entrup: "Spiel und triff!"
Eine Zukunft in Grüß-Weiß hatte Entrup nach seiner Leihrückkehr im Sommer 2018 selbstredend nicht.
Es dauert noch einige Zeit, bis der Stern des Maximilian Entrups so richtig aufgehen sollte: Zunächst war er vereinslos, dann eineinhalb Jahre beim SV Lafnitz in der 2. Liga, ehe er über Regionalligist FCM Traiskirchen im Jänner 2022 zum FC Marchfeld kam.
Dort trifft das einstige Stürmertalent wieder auf Flögel.
"Dass er den Umweg über die Regionalliga machen musste, ist natürlich ein bisschen schade, weil er ja schon in der Bundesliga war."
Der schätzt das Regionalliga-Intermezzo rückblickend folgendermaßen ein: "Dass er den Umweg über die Regionalliga machen musste, ist natürlich ein bisschen schade, weil er ja schon in der Bundesliga war. Leider hat man bei Rapid sein Potenzial nicht wahrgenommen. Dann hat er einen Weg eingeschlagen, der sehr clever war. Er hat seine Ausbildung fertig gemacht und ist über die Regionalliga, wo er wieder aufgezeigt hat, zurück in die Bundesliga gekommen."
Flögel hat beim FC Marchfeld den Torjägerinstinkt in Entrup geweckt. Unter seiner Leitung hat der Stürmer 22 Tore in 24 Spielen erzielt, nach Flögels Abgang traf Entrup auch unter Ernst Baumeister als Coach munter weiter.
Das Geheimnis hinter der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Flögel? "Als er zu mir kam, habe ich gesagt: 'Spiel und triff!' Das ist auch immer sein Wunsch gewesen, Tore zu schießen. Und das hat er dann auch beherzigt."
So hat sich Entrup für eine Bundesliga-Rückkehr empfohlen. Bei der Transferentscheidung stand Flögel beratend zur Seite: "Er hat mich immer um den ein oder anderen Rat gefragt, weil es gab ja schon ein paar Interessenten. Da haben wir darüber gesprochen, aber die Entscheidung habe ich ihm überlassen. Ich habe nur mit meiner Erfahrung helfen können und habe ihm nur weitergeben können, wie ich die Situation einschätze."
Flögel lobt Entrup: "Es ist richtig grindig gegen ihn zu spielen"
Jetzt steht Flögels Ex-Schützling im ÖFB-Kader. Aber was zeichnet den 26-jährigen Stürmer eigentlich aus? "Es ist nicht leicht, als Abwehrspieler gegen ihn zu spielen, weil er sehr unangenehm ist. Er scheut keinen Zweikampf, er scheut nicht die 1:1-Situationen, er scheut den Körperkontakt nicht. Was ihn wirklich auszeichnet, sind seine Tiefenläufe, die extrem schwierig zu verteidigen sind. Wo er schon immer Qualität hatte, war im Sechzehner und um den Sechzehner herum. Er hat einfach einen super Abschluss, er kann den Ball scharf zur Mitte bringen. Er ist immer wieder im Sechzehner präsent, er taucht wie beim letzten Tor auf einmal auf und ist dann da, weil er den Torriecher hat."
"Wo er sich meiner Meinung nach extrem gesteigert hat, ist in den Tiefenläufen aus dem Mittelfeld heraus. Er macht das richtig stark und ich als Verteidiger würde nicht gern gegen ihn spielen wollen. Es ist richtig grindig, gegen ihn zu spielen."
"Er ist nicht mehr der jüngste, wird jetzt 27, und wenn er noch ein Angebot aus dem Ausland bekommt, dann wird er das, denke ich, auch annehmen."
Qualitäten, die auch im Ausland Anklang finden könnten: "Er ist nicht mehr der jüngste, wird jetzt 27, und wenn er noch ein Angebot aus dem Ausland bekommt, dann wird er das, denke ich, auch annehmen. Aber er muss ruhig bleiben, sich auf seine Basics konzentrieren und schauen, dass er seine Leistungen abrufen kann", meint Flögel auf einen möglichen Transfer ins Ausland angesprochen. Im Sommer war ein belgischer Klub bereits dran, doch ein Wechsel zerschlug sich dann doch noch.
Eine Prognose, ob Entrup im endgültigen EM-Kader stehen wird, will Flögel nicht abgeben. Aber wer weiß, wo die Reise des Maximilian Entrup noch hingeht. Der Platz des zurückgetretenen Karim Onisiwo (alle Details >>>) wäre auf jeden Fall frei.