Auf Österreich wartet gegen Norwegen (20:45 Uhr im LIVE-Ticker) angesichts der Kader-Umstände beim Gegner ein eher skurriles Länderspiel.
Vielleicht nicht als skurril, aber durchaus als ungewöhnlich darf man auch die Situation rund um das ÖFB-Team bezeichnen.
Dass Rot-Weiß-Rot nach sechs Siegen in den bisherigen sieben Herbst-Länderspielen (fünf davon in Folge) hauptsächlich mit Erklärungs-Versuchen, warum man so schlecht Fußball spielt, konfrontiert ist, kann es so in der Länderspiel-Geschichte noch nicht so oft gegeben haben.
Weite Strecken des Medientermins am Dienstag drehten sich um dieses Thema, und man kann Teamchef Franco Foda nicht vorwerfen, dass er nicht versuchen würde, Erklärungen anzubieten.
Dass die Leistungen zuletzt, speziell beim 2:1 gegen Nordirland, nicht gerade prickelnd waren, weiß jedoch auch der Deutsche:
"Wir sind auch nicht blind. Wir analysieren unsere Spiele intern schon sehr klar und deutlich. Wir wissen auch, dass wir besser spielen können, keine Frage."
Niederlagen sind für die Würste
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
So nervig diese Debatte für Foda womöglich sein mag, ist sie für einen Trainer am Ende doch angenehmer, als wenn er Niederlagen nach guten Leistungen erklären muss.
Auch diese Fälle soll es in der jüngeren ÖFB-Vergangenheit schon gegeben haben. Kapitän Julian Baumgartlinger ist schon lange genug dabei, um sie miterlebt zu haben.
"Über allem steht natürlich das Ergebnis", betont der Leverkusen-Legionär, "wir haben in den letzten Jahren immer wieder gesehen, dass man in Schönheit sterben kann. Wenn man verliert, ist es auch für die Würste."
Ein flapsiger Spruch mit ganz viel Wahrheit. Die verpasste Qualifikation für die WM 2018 betrauerten beispielsweise viele ÖFB-Spieler vor allem deshalb, weil man in diversen Matches mit Punkteverlust das bessere Team gewesen sei.
Mehr Chancen dürfen es sein
Der aktuelle Jammer ist quasi das nächste Level. Bezüglich Qualität scheint der ÖFB-Kader seither noch einmal einen Sprung gemacht zu haben, vor allem die Größe des zur Verfügung stehenden Spieler-Pools ist beachtlich.
Daran, dass Österreich in den meisten Länderspielen das Geschehen dominiert, hat man sich längst gewöhnt. Der Anspruch geht inzwischen dahin, dass sich diese Überlegenheit möglichst auch in einem klaren Chancen-Plus und noch idealer in früheren Toren niederschlagen soll.
Dass das Spiel gegen einen tief stehenden Gegner wie Nordirland lange nicht gut gelöst wurde, bestreitet Foda nicht.
Zwar habe man die Räume auch in der ersten Halbzeit gut bespielt, sich dies jedoch entweder durch unnötige Ballverluste zunichte gemacht, oder schlichtweg den letzten Pass nicht klug gespielt, auch weil man den nötigen Tiefgang habe vermissen lassen.
Verteidigen ist einfacher
An seiner Einschätzung, dass man die notwendige Qualität hätte, um sich mehr Chancen herauszuspielen, ändert dies nichts, dies habe man in vielen anderen Spielen bewiesen.
"Klar ist allerdings, dass sich das Spiel verändert hat", betont Foda, "die gegnerischen Mannschaften versuchen, sehr tief zu agieren, auf Kontersituationen zu setzen. Wir wissen alle, dass Angriffs-Fußball immer das Schwierigste ist, verteidigen ist einfacher. Trotzdem: Wir haben die Kreativität in der letzten Zone, um zu Torabschlüssen zu kommen."
Das Problem beim Knacken von Abwehrriegeln habe man zudem nicht exklusiv: "Das betrifft alle Mannschaften der Welt. Da brauchst du die nötige Geduld und eine schnelle Ballzirkulation, damit sich beim Gegner Räume öffnen. Die musst du dann aber auch gut bespielen. Das haben wir in den letzten beiden Spielen nicht optimal gelöst."
Das kann nicht einmal Bayern München
Wenn sich zu offensiven Schwierigkeiten noch ein defensiver Konzentrationsfehler wie beim Gegentor zum 0:1 gesellt, ist dies natürlich nicht ideal, zumal man wohl nicht jede Partie nach spätem Rückstand noch drehen kann.
"Schauen Sie, das ist das generelle Problem von einigen bei uns, dass wir dem Gegner wenig Respekt zollen. Es gibt keine Mannschaft, die nicht in der Lage ist, gut Fußball zu spielen und auch zu Tormöglichkeiten zu kommen.
In die Entstehungsgeschichte zum Verlusttor möchte Foda allerdings nicht zu viel hineininterpretieren, der Fehler sei bei Andreas Ulmer gelegen, der das Abseits aufgehoben habe.
Auf weitere Nachfragen reagiert der 54-Jährige eher ungehalten: "Schauen Sie, das ist das generelle Problem von einigen bei uns, dass wir dem Gegner wenig Respekt zollen. Es gibt keine Mannschaft, die nicht in der Lage ist, gut Fußball zu spielen und auch zu Tormöglichkeiten zu kommen. Glauben Sie, es gibt eine Mannschaft auf der Welt, die jede Situation verhindern kann? Das kann nicht einmal Bayern München. Auch gegen Bayern gibt es für jeden Gegner immer wieder Situationen, in denen sie alleine auf das Tor laufen. Das ist einfach der Fußball."
Anspruch und Wirklichkeit
Es gehört auch zum Fußball, dass darüber diskutiert wird. Foda kennt solche Debatten über die Attraktivität seiner Spielanlage bereits aus der Vergangenheit. Schon bei Sturm Graz gingen diesbezüglich die Meinungen teils weit auseinander.
Wenn man in einer für den Fußball pandemiebedingt schwierigen Phase Attraktivitäts-Debatten führen kann, spricht dies jedenfalls für eine eher priviligierte Situation.
"Wir alle haben den Anspruch, einen ansprechenden Fußball zu zeigen und viele Torchancen zu kreieren", beteuert Baumgartlinger, bittet jedoch nicht nur wegen der destruktiven Spielart so manchen Gegners in der Wirklichkeit um Verständnis.
Auch die eigene Situation war schon mal unkomplizierter: "Man darf die Veränderungen in diesem Länderspiel-Herbst, was unsere Formation angeht, nicht vergessen. Dass dann die Automatismen gegen tiefstehende Gegner da sind und das einfach flüssig weitergeht, wäre schön, ist aber leider zu einfach gedacht."
Eine Frage des Blickwinkels
Der ÖFB-Spielführer wiederholt: "Es ist unser Ziel, Ergebnis und hochkarätigen Fußball zu vereinen. Aber in erster Linie wollen wir die Spiele gewinnen, und das haben wir in letzter Zeit gemacht."
Letztlich ist vieles eine Frage des Blickwinkels. Die ÖFB-Medientermine finden derzeit digital statt und bei besagter Pressekonferenz waren auch zahlreiche norwegische Journalisten im Call.
Wäre gut zu wissen, was sie sich bei dieser Debatte gedacht haben. Schließlich haben die Skandinavier derzeit bekanntlich ganz andere Sorgen.
Auf die Frage, ob sie auch nur ansatzweise erahnen können, mit welcher Elf Norwegen ins Spiel gehen wird, grinsten sie nur: "No idea!"