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ÖFB: Die Fakten zum Nationalstadion

Geld. Nutzung. CL-Finale. Mehrkosten abseits von Wien. ÖFB-Gedanken zur Stadion-Causa:

ÖFB: Die Fakten zum Nationalstadion Foto: © GEPA

Das Nationalteam gastiert für das EM-Quali-Duell mit Lettland in Salzburg (20:45 Uhr im LIVE-Ticker) und doch ist das Ernst-Happel-Stadion omnipräsent.

Etwas Gutes hat die schlechte Nachricht der Stadt Wien, das bekanntlich den Neubau eines Nationalstadions im Prater ablehnt, für den ÖFB inzwischen doch.

Das Thema wird nämlich seit Tagen emotional diskutiert, auch Teamchef Franco Foda und einige ÖFB-Kicker starteten einen verbalen Weckruf in Sachen Infrastruktur.

Zum vorher eher abstrakten Thema Nationalstadion kann nun konkreter debattiert werden.

Dies freut Bernhard Neuhold, den Geschäftsführer der ÖFB Wirtschaftsbetriebe GmbH, im Gespräch mit LAOLA1: "Es wird ernsthaft diskutiert und das ist gut. Durch diese Diskussion werden die Fakten ein Stück weit an die Öffentlickeit getragen."

Warum man nicht schon früher mit Fakten an die Öffentlichkeit gegangen sei? "Weil wir in unseren bisherigen Gesprächen mit dem Bund und der Stadt Wien darauf Rücksicht genommen haben, es vertraulich zu behandeln und im Sinne der Sache unsere Argumente bilateral vorzubringen. Durch die von Stadtrat Peter Hacker kommunizierte Entscheidung der Stadt Wien ist das Thema natürlich an der Öffentlichkeit - und das sehe ich gar nicht negativ, im Gegenteil."

Das Argument Champions-League-Finale

Denn dies ermöglicht es auch dem ÖFB, seine (bisherigen) Pläne in Sachen Nationalstadion öffentlich genauer zu erläutern und so vielleicht den einen oder anderen Vorbehalt zu entkräften.

Und Vorbehalte gab und gibt es einige.

Zuallererst dreht sich natürlich vieles um Geld. "Investieren wir 300 oder 400 Millionen Euro Steuergeld, um einmal ein Europacup-Finale zu bekommen?", fragte Hacker, als er im "Kurier" sein Nein der Stadt Wien zum Nationalstadion-Projekt der Öffentlichkeit bekannt machte. Die Nennung dieser Summe steht jedoch in Verdacht, ein eher populistischer Move zu sein.

Ein weiteres in vielen Köpfen verankertes Vorurteil ist die Frage, für was man ein Nationalstadion braucht, das ohnehin nur für fünf Länderspiele im Jahr gebraucht wird? Eine mehr als berechtigte Frage, wenn dies der Plan wäre.

Aber der Reihe nach. Laut Neuhold war es einmal ein Argument für einen Neubau, dass dann im neuen Stadion ein Champions-League-Finale ausgetragen werden könnte. Aktuell ist dieses Argument nicht mehr:

"Wir als ÖFB haben uns relativ rasch davon verabschiedet, dass ein Champions-League-Finale für uns ein K.o.-Kriterium ist, weswegen wir auch die Kapazität des geplanten Stadions von damals 70.000 auf mittlerweile 50.000 reduziert haben, weil wir der Ansicht sind, dass grundsätzlich einmal dem Länderspiel-Publikum gedient werden soll. Hier sind einfach etliche Rahmenbedingungen nicht mehr zeitgemäß."

Alles andere als ein multifunktionaler Charakter sinnlos

"Selbstverständlich ist für uns nachvollziehbar, dass es nicht dafür stehen würde, für fünf Länderspiele im Jahr ein neues Stadion zu bauen. Es geht ja nicht um den Selbstzweck des ÖFB. Hier geht es um Konzerte, Events im Stadion, Konferenzen, eine Drittnutzung im Mantel des Stadions."

Einer der wichtigsten Faktoren ist die Nutzung, und zwar die regelmäßige. "Selbstverständlich ist für uns nachvollziehbar, dass es nicht dafür stehen würde, für fünf Länderspiele im Jahr ein neues Stadion zu bauen. Es geht ja nicht um den Selbstzweck des ÖFB", stellt Neuhold klar und erläutert den "multifunktionalen Ansatz":

"Hier geht es um Konzerte, Events im Stadion, Konferenzen, eine Drittnutzung im Mantel des Stadions. Das muss es geben, um für den laufenden Betrieb unterjährig eine entsprechende Finanzierung bewerkstelligen zu können. Von unserer Seite hat es ein klares Commitment gegeben, dass wir als ÖFB einer der potenziellen Kunden eines neuen Stadions sind, aber nicht alles nur auf die Interessen des ÖFB allein hin entwickelt werden kann, da es sich schlichtweg nur dann rechnen kann im laufenden Betrieb, wenn es einen multifunktionalen Charakter hat."

Ein Gedanke am Rande: Sollte nun ein Neubau in Niederösterreich oder Burgenland realisiert werden, ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass auch Veranstaltungen wie große Stadien-Konzerte aus dem Happel-Stadion und somit aus Wien abwandern.

Aber auch wenn man der Meinung ist, dass sich eine klug konzipierte multifunktionale Arena in Wien finanziell rechnen kann, steht es wohl außer Frage, dass man über die Kosten eines derartigen Großprojekts debattieren muss - darauf können sich vermutlich sowohl Befürworter als auch Gegner verständigen. Wie man die Zahlen und Pläne bewertet, bleibt ohnehin jedem selbst überlassen.

Das liebe Geld - die Gegenfinanzierung

Eine 2017 in Auftrag gegeben Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass ein Neubau ungefähr 140 Millionen Euro kosten würde. Neuhold: "Durch Indexierung und Weiterentwicklung der Baukosten sind wir aktuell bei rund 150 Millionen Euro netto, die ein Stadion mit der Kapazität von 50.000 Zuschauern verursachen würde."

150 Millionen sind nicht nichts. Diese Summe könnte jedoch deutlich reduziert werden, wenn das Stadion im Prater nicht am selben Standort wie das aktuelle Oval gebaut wird.

"Wir haben ein Nutzungs- und Finanzierungskonzept für den Betrieb vorgelegt. Aus meiner Sicht wäre es ein sehr reizvolles Konzept, wenn man das aktuelle Stadion in eine Freizeitimmobilie umwandelt und weiterentwickelt, denn dann hätte man schon einen erheblichen Brocken herinnen, den ich für die Gegenfinanzierung der 150 Millionen für ein neues Stadion verwenden könnte. Denn wenn das aktuelle Happel-Stadion einem Investor zur Verfügung gestellt wird, der sich dann verwirklicht, zahlt er ja Geld dafür, dass er das tun darf. Dieses Geld, das wahrscheinlich irgendwo im zweistelligen Millionenbereich liegt, könnte man zur Querfinanzierung des neuen Stadions verwenden", so Neuhold.

Bei der Annahme, dass Kosten von rund 100 Millionen Euro übrigbleiben sollten, "sagt ja keiner, dass das alleine von der Stadt Wien zu zahlen wäre. Zumindest bei den vergangenen Bundesregierungen hat es immer ein klares Commitment des Bunds gegeben, egal ob von Doskozil oder Strache, dass sie ein Nationalstadion unterstützen würden."

Außerdem könne so ein Projekt auch für Sponsoren hochinteressant sein, was die finanzielle Belastung weiter senken könnte.

Der Infrastruktur-Vorteil im Prater

Das wichtigste Argument - auch in finanzieller Hinsicht - für den bisherigen Standort Prater ist und bleibt wohl, dass kaum Kosten für Begleitmaßnahmen anfallen. Neuhold: "In die weitere Infrastruktur müsste nichts mehr investiert werden, weil ja mit U-Bahn und Parkplätzen alles da ist. Das wäre ein wahnsinniger Vorteil."

"Wenn das Verkehrskonzept nicht funktioniert, wird man nach den ersten ein, zwei Veranstaltungen viele potenzielle Besucher nicht mehr zum Standort bringen. Das wäre eines der Schlüsselthemen bei einem Standort außerhalb Wiens, aber ich kann nicht abschätzen, wie viel Mehrkosten es verursacht."

Und genau an diesem Punkt steht man durch das Nein der Stadt Wien durchaus vor einer Herausforderung, da es sich kaum vermeiden lässt, dass sich an einem alternativen Standort die Kosten durch genau solche infrastrukturellen Begleitmaßnahmen wesentlich erhöhen.

Um wie viel ließe sich nicht seriös abschätzen, da dies von den derzeitigen Gegebenheiten am jeweiligen Standort abhängen würde. Egal ob Niederösterreich oder Burgenland - ein schlüssiges Verkehrskonzept wird das Um und Auf sein:

"Das muss man ganz stark beachten. Denn wenn das Verkehrskonzept nicht funktioniert, wird man nach den ersten ein, zwei Veranstaltungen viele potenzielle Besucher nicht mehr zum Standort bringen. Das wäre eines der Schlüsselthemen bei einem Standort außerhalb Wiens, aber ich kann nicht abschätzen, wie viel Mehrkosten es verursacht."

Die zwei Kernfragen sind der individuelle und öffentliche Verkehr: "Faktum ist, dass man keinen U-Bahn-Anschluss haben wird, wenn man aus Wien rausgeht. Außer wenn ich mich auf niederösterreichischem Grund befinde, aber nur 500 Meter von einer U-Bahn-Station entfernt. In Bruck an der Leitha oder Parndorf, weil diese beiden Standorte medial genannt wurden, werde ich versuchen müssen, den Bus- und Schnellbahnverkehr so gut wie möglich zu verstärken und an den jeweiligen Veranstaltungstagen zu intensivieren. Sonst wird es nicht möglich sein. Für den Individualverkehr wirst du, wenn der Standort sinnvollerweise an einer Autobahn liegen würde, eine eigene Autobahnabfahrt und ein Parkdeck brauchen."

Auswirkungen auf Trainingszentrum und Geschäftsstelle

Also zusätzliche Kosten. Wobei es, auch wenn offenkundig für viele kaum vorstellbar, kein gänzlich absurder Gedanke ist, das Wiener Stadtgebiet zu verlassen. Besonders gerne wird diesbezüglich das Beispiel Schweden genannt, wo die Friends Arena außerhalb von Stockholm in Solna gebaut wurde.

"Solna war immer dann ein Thema, wenn es darum gegangen ist, ob ein neues Stadion zwingend in der Stadt sein muss", bestätigt der ÖFB-Geschäftsführer, "auch Solna ist ein Stadion, das multifunktional genutzt wird. Solna hat jedoch den Vorteil, dass es auch von einem Klub regelmäßig bespielt wird. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man mit einem kreativen Ansatz, mit einer professionellen Drittnutzung auch ohne Klub, der das Stadion ständig bespielt, einen umsetzbaren Business-Case entwickeln kann."

Eine Auswirkung hat die nun notwendige Suche nach einem neuen Standort für das Stadion definitiv. Man muss sich auch auf die Suche nach einem Ort für die ÖFB-Geschäftsstelle, die derzeit im Happel-Stadion beheimatet ist, sowie für das geplante Trainingszentrum, dessen Notwendigkeit Franco Foda und Kapitän Julian Baumgartlinger eindringlich untermauert haben, machen.

"Wir haben in den letzten fünf Jahren versucht, unsere Argumente vorzubringen - und ich glaube, wir haben gute Argumente. Von der wirtschaftlichen Dimension her wäre es natürlich ein Großprojekt, aber eines, das lohnenswert wäre."

"Diese beiden Themenkomplexe haben wir bislang hinten angestellt, obwohl wir natürlich Bedarf gehabt hätten, weil die ursprüngliche Intention war, diese drei Infrastruktur-Projekte in einem zu formulieren und umzusetzen", so Neuhold. Und zwar in Wien, wo dies am einfachsten zu realisieren sei.

Es sei nicht generell auszuschließen, dass dies auch an einem neuen Standort möglich ist: "Aber es gibt natürlich nur sehr wenige Standorte, die am Ende des Tages für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle zumutbar wären. Darum sehen wir die drei Themenblöcke jetzt grundsätzlich isoliert, schließen aber nicht aus, dass zwei von drei oder sogar alle drei an einem Standort abgebildet werden. Was das Trainingszentrum und die Geschäftsstelle betrifft, wollen wir auf jeden Fall bis Jahresende eine Grundsatzentscheidung treffen. Dass das Thema Stadion noch ein bisschen mehr Zeit benötigt, ist glaube ich logisch."

Kehrtwende in Wien möglich?

Neuhold hofft, dass das Thema Nationalstadion bei potenziellen Interessenten in Niederösterreich und Burgenland als Chance für ein partnerschaftliches Projekt gesehen wird: "Jetzt ist es einfach notwendig, den Zeitpunkt zu nutzen, um in den nächsten Wochen und Monaten alle Fakten zu sammeln und eine Grundsatzentscheidung zu treffen, wo so ein Stadion realisiert werden könnte."

Ob die öffentliche Debatte noch eine Kehrtwende auslösen und der gesuchte Standort doch Wien sein kann?

"Das kann nur die Stadt Wien beantworten. Wir haben in den letzten fünf Jahren versucht, unsere Argumente vorzubringen - und ich glaube, wir haben gute Argumente. Von der wirtschaftlichen Dimension her wäre es natürlich ein Großprojekt, aber eines, das lohnenswert wäre. Ich weiß nicht, ob die Stadt Wien das Thema schon endgültig ad acta gelegt hat. Aber aufgrund der öffentlichen Äußerungen müssen wir davon ausgehen."

<<<Wer für ein Nationalstadion in Wien ist, kann diese Online-Petition unterstützen>>>

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